Die Koalitionsfraktionen haben sich auf das Prinzip "Nein heißt Nein" geeinigt. Der Gesetzentwurf soll vor dem Sommer verabschiedet werden. Außerdem in der Presseschau: 5 Jahre Haft für Hanning, Prozess gegen Reker-Attentäter.
Thema des Tages
Sexualstrafrecht: Die Montags-taz (Christian Rath) meldet, dass Anfang Juli der Bundestag über den Gesetzentwurf zum Sexualstrafrecht entscheiden soll. Die Rechts- und Frauenpolitiker der Regierungsfraktionen haben sich darauf geeinigt, das Prinzip "Nein heißt Nein" im Gesetz zu verankern. Außerdem soll es künftig einen Straftatbestand der sexuellen Belästigung geben. Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt.
Laut einer separaten Meldung der taz befürworteten in einer Umfrage 86 Prozent eine Verschärfung des Sexualstrafrechtes, 10 Prozent der Befragten hielten die bisherige Rechtslage für ausreichend.
Simone Schmollack (taz.de) begrüßt die geplante Neuregelung als Paradigmenwechsel. Dass "Nein heißt Nein" jetzt Gesetz wird, schreibt sie dem Fall Gina-Lisa Lohfink zu. Man dürfe davon ausgehen, dass die laufenden Verfahren um die Ex-Teilnehmerin bei "Germany’s next Topmodel" und ihre Vergewaltigungsvorwürfe dazu beigetragen haben, dass das Gesetz nun sogar noch vor der parlamentarischen Sommerpause verabschiedet werde.
Anderer Ansicht sind Melanie Amann und Ann-Katrin Müller (Spiegel). Sie beschreiben noch einmal die Historie des Falles Gina-Lisa Lohfink und stellen dabei nachdrücklich in Frage, dass er tatsächlich als Beispiel einer Schutzlücke im Gesetz taugt.
Claudia Voigt (Spiegel) mit dem Argument auseinander, ein verschärftes Sexualstrafrecht könnte falschen Anschuldigungen Vorschub leisten. Sie hofft, dass sich die gesetzliche Regelung von "Nein heißt Nein" so in den Köpfen von Männern und Frauen verankert, dass der Slogan dazu beiträgt, einen gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben.
Rechtspolitik
Asylrecht: Katrin-Göring Eckardt, die Vorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, hat sich im Interview mit spiegel.de (Annett Meiritz) gegen das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten ausgesprochen. Bei einer niedrigen Anerkennungsquote – drei Jahre lang jeweils drei Prozent oder weniger – sollen nach ihren Vorstellungen Asylanträge innerhalb von drei Wochen entschieden werden – in einem "Fast-und-Fair"-Verfahren. Außerdem sollen gewalttätige Ausländer ohne Asylanspruch schneller abgeschoben werden.
§ 103 StGB: Der Bundesrat am vergangenen Freitag nicht wie vorgesehen über die Abschaffung des § 103 StGB – Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten – beraten, berichtet die Montags-taz. Die Länderkammer setzte den Tagesordnungspunkt mit dem von Hamburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Thüringen und Niedersachsen eingebrachten Gesetzentwurf wieder ab, nachdem sich abzeichnete, dass der Vorstoß nicht die erforderliche Mehrheit erhalten würde.
Lohngerechtigkeit: Die Montags-SZ (Constanze von Bullion) befürchtet, dass das Lohngerechtigkeitsgesetz scheitern könnte. Am heutigen Montag soll die Initiatorin des Gesetzes, Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD), mit Vertretern des Kanzleramts sowie Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden zusammentreffen, um einen Kompromiss bei ihrem kontroversesten Projekt zu erreichen. In einem Interview mit dem Spiegel (Ann-Katrin Müller/ Michael Sauga) verteidigt Schwesig das Gesetzesvorhaben, zeigte sich aber auch offen für Vorschläge aus der Union zur konkreten Ausgestaltung. In ihrem Kommentar mahnt Constanze Bullion (Montags-SZ) das Gesetz an, es gäbe kaum andere Länder in Europa, in denen die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen so gravierend wie in Deutschland. seien.
Netzsperren: netzpolitik.org (Markus Beckedahl) berichtet von den Aktivitäten Monika Hohlmeiers, in den derzeit diskutierten Entwurf einer Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung auch die Möglichkeit, bestimmte Internetseiten zu blockieren, aufzunehmen. Beckedahl befürchtet, dass hier die Tür für willkürliche Netzsperren geöffnet wird.
Antiterrorgesetz: Gegen das geplante Antiterrorgesetz formiert sich Widerstand, berichtet die Montags-taz (Konrad Litschko). Nicht nur der Hamburger Datenschutzbeauftragte, sondern auch der Bundesrat kritisiert die vorgesehenen Regelungen. Laut Länderkammer ist der Entwurf zu unbestimmt und zu weit, der Datenschutzbeauftragte warnt vor einer neuen Eingriffsqualität.
Waffenrecht: Der Spiegel (Dietmar Hipp) vermeldet, dass die Initiative "Keine Mordwaffen als Sportwaffen" den Beschluss der EU-Innenminister zum Waffenrecht kritisiert hat, weil er ihr nicht weit genug gehe. Insbesondere wendet sich die Initiative dagegen, dass Sportschützen weiterhin halbautomatische Sturmgewehre besitzen und nutzen dürfen sollen. Sie fordert zumindest ein Verbot aller halbautomatischen Waffen beziehungsweise ein Verbot aller tödlichen Schusswaffen für den Schießsport.
Burkaverbot: Bayern will im Bundesrat laut Focus (gös) ein Burkaverbot in Gerichten initiieren. Ein entsprechender Gesetzentwurf soll am Dienstag im bayerischen Kabinett diskutiert und im Juli im Bundesrat eingebracht werden.
§ 113 StGB: Die Konferenz der Innenminister will laut Samstags-SZ (Ronen Steinke) die Mindeststrafandrohung des § 113 StGB – Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte – auf sechs Monate erhöhen und gleichzeitig den Anwendungsbereich ausweiten.
Hilfe für Flutopfer: Laut Samstags-SZ (Michael Bauchmüller) will Bundesjustizminister Heiko Maas mit Ausnahmeregelungen im Insolvenzrecht Unternehmen unterstützen, die durch die starken Regenfälle der vergangenen Wochen in wirtschaftliche Schwierigkeiten gekommen sind. Ein entsprechendes Gesetz soll kurzfristig verabschiedet werden.
Mietpreisbremse: Die Nachbesserungswünsche an der Mietpreisbremse, die insbesondere aus Berlin kommen, greift jetzt auch das Hbl auf. Eine Verschärfung der Regelungen scheitert bisher allerdings an der CDU/CSU-Fraktion.
Gaffer: Der Bundesrat hat laut Samstags-SZ beschlossen, im Bundestag einen Gesetzentwurf einzubringen, der die Behinderung von Hilfseinsätzen bei Unfällen durch Gaffen unter Strafe stellt.
Kulturschutzgesetz: Der von Kulturstaatsministerin Monika Grütters vorgelegte Entwurf für ein neues Kulturschutzgesetz stößt weiterhin auf Kritik. So befürchten Baden-Württemberg und Hessen, laut einer Meldung der Samstags-SZ, dass die geplanten Regelungen zur Ausfuhr von Kulturgut eine unabsehbare finanzielle und organisatorische Belastung für die Länder bringen würden. Mit dem neuen Gesetz soll die Ein- und Ausfuhr von Kulturgütern in das Ausland und dabei auch in EU-Mitgliedsländer geregelt werden. Außerdem sind bestimmte Nachweispflichten hinsichtlich der legalen Herkunft von Kulturgütern vorgesehen.
Justiz
LG Detmold zu Auschwitz-Wachmann: Das Landgericht Detmold hat den früheren SS-Wachmann Reinhold Hanning zu fünf Jahren Haft wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 170000 Fällen verurteilt. Das berichten die Samstags FAZ (Reiner Burger), die Samstags-SZ (Hans Holzhaider) und die Samstags-taz (Klaus Hillenbrand).
Gisela Friedrich (Spiegel) beleuchtet in einem Kommentar die Geschichte und auch das Versagen der juristischen Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen. Die Prozesse gegen Gröning und Hanning, die wahrscheinlich die letzten gewesen sind, in denen die deutsche Justiz ehemalige SS-Angehörige wegen ihrer Beteiligung am hunderttausendfachen Mord im Konzentrationslager Auschwitz, zur Verantwortung zog, haben die Notwendigkeit einer selbstkritischen Auseinandersetzung der Justiz mit dieser Geschichte aufgezeigt.
OLG Karlsruhe zum Embryonenschutz: Ein Ehemann hat keinen Anspruch auf die eingefrorenen befruchteten Eizellen seiner inzwischen verstorbenen Ehefrau, hat das OLG Karlsruhe entschieden. Das berichten u.a. die FAZ (Rüdiger Soldt) und zeit.de. Der Mann wollte auf diese Weise mit seiner neuen Partnerin ein Kind zeugen.
Begründet wurde das Urteil mit der entgegenstehenden Vereinbarung mit der Klinik, nach der die Eizellen nur an das Ehepaar gemeinsam herauszugeben seien. Darüberhinaus würde eine Verwendung durch eine andere Frau als jene, von der die Eizelle stammt, dem Embryonenschutzgesetz widersprechen.
BVerfG zur Religionsfreiheit: Das Bundesverfassungsgericht hat, wie der Tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof) und lto.de berichten, einer syrisch-orthodoxen Gemeinde recht gegeben, die im Keller ihres in einem Industriegebiet liegenden Kirchengebäudes eine Krypta mit zehn Begräbnisstätten einbauen wollte. Das Gewicht einer religiösen Verhaltensvorgabe sei eine genuin religiöse Frage, die der selbständigen Beurteilung durch die staatlichen Gerichte entzogen sei, heißt es zur Begründung. Damit hat das Gericht wieder einmal die Glaubensfreiheit betont, so swr.de (Gigi Deppe).
EuGH – E-Books: Auf lto.de erläutert Rechtsprofessor André Niedostadek ein beim EuGH anhängiges Verfahren zur Verleihung von E-Books durch Bibliotheken. Der zuständige Generalanwalt Maciej Szpunar vertritt in seinen Schlussanträgen die Auffassung, dass E-Books genauso wie Papierbücher zu behandeln seien.
LG Hamburg – Böhmermann: Wie lto.de berichtet, hat das LG Hamburg seine einstweilige Anordnung gegen Jan Böhmermann nun schriftlich begründet. Dem Satiriker wurde die öffentliche Wiederholung großer Teile seines Schmähgedichtes gegen den türkischen Präsidenten Erdogan untersagt. Zur Begründung heißt es jetzt, dass die untersagten Zeilen zweifelsohne schmähend und ehrverletzend seien und gerade gegenüber Türken oftmals bestehende rassistische Vorurteile aufgriffen.
BVerfG – OMT: Die Montags-FAZ (Hendrik Wieduwilt) weist auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum OMT-Programm der Europäischen Zentralbank hin, das am Dienstag verkündet wird und beschreibt dabei die möglichen Konsequenzen der jeweiligen Entscheidungsalternativen. Die FAS (Corinna Budras) stellt noch einmal dar, wie es überhaupt zum OMT-Programm kam.
OLG Düsseldorf – Reker-Attentäter: Über den Prozess gegen Frank S., der im November 2015 die damalige Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker angriff und schwer verletzte, schreiben zeit.de (Daniel Müller) und der Spiegel (Beate Lakotta).
Recht in der Welt
Südafrika - Oscar Pistorius: In der vergangenen Woche hat in Pretoria die Verhandlung über das Strafmaß für den wegen Mordes verurteilten Oscar Pistorius stattgefunden. Der Focus (Markus Krischer) zeigte sich entsetzt über das gebotene Schauspiel. Auf Anraten seines Anwaltes hatte Pistorius seine Prothesen abgelegt und ging auf seinen Beinstümpfen durch den Gerichtssaal, um so seine Verletzlichkeit zu zeigen. "Infam und dennoch zutiefst erschütternd" sei die Inszenierung, so der Autor.
Sonstiges
Bundesverfassungsgericht: Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Dieter Grimm befasst sich in der Montags-FAZ anlässlich der bevorstehenden Entscheidung zum OMT-Programm der Europäischen Zentralbank mit der Frage, wie viel Politik im Gewand der Karlsruher Entscheidungen steckt. Er plädiert für ein wirksames Korrektiv für die Verfassungsrechtsprechung durch demokratisch unmittelbar legitimierte und verantwortlichen Instanzen.
Voßkuhle als Präsident?: Bei der Debatte um einen geeigneten Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten wird auch der Name von Bundesverfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle genannt. Er wäre nicht der erste "Erste Mann im Staat", der vom Karlsruher Gericht kommt. Roman Herzog hat diesen Weg bereits beschritten und zahlreiche andere Verfassungsrichter wurden im Laufe der Jahre als ernsthafte Kandidaten gehandelt. Michael Reissenberger zeichnet im LTO-Podcast auf, wie sich das Bundesverfassungsgericht seine Position als gleichberechtigtes Verfassungsorgan erarbeitet hat, teilweise auch gegen entgegenstehende Kräfte in der Politik.
Nachruf Detlef Kleinert: Am Freitag ist der ehemalige Bundestagsabgeordnete Detlef Kleinert im Alter von 84 Jahren verstorben. Die Samstags-FAZ (Günther Bannas) bezeichnet in einem Nachruf den Rechtspolitiker als Institution der "Bonner Republik". Er gehörte dem rechten FDP-Flügel an und war hier einer der Befürworter des so genannten großen Lauschangriffs.
Legal Tech: Die Samstags-FAZ (Hendrik Wieduwilt) beschreibt den Einsatz neuer Softwaretechnologien in der Rechtsberatung. Bisher geschieht das allerdings eher noch in den Vereinigten Staaten, hierzulande scheitern entsprechende Geschäftsmodelle am anwaltlichen Berufsrecht.
Urlaubsrecht: In der Rubrik "Beruf und Chance" der Samstags-FAZ weist Rechtsanwältin Doris-Maria Schuster darauf hin, dass Urlaubsansprüche nur in Ausnahmefällen finanziell abgegolten werden können. Stirbt allerdings der Arbeitnehmer, geht sein Urlaubsabgeltungsanspruch sogar auf die Erben über.
Münchener "Promianwalt": Der Spiegel (Udo Ludwig/Conny Neumann) beschreibt die Aktivitäten des Münchener Rechtsanwaltes Michael Scheele, dem von seinem früheren Geschäftspartner Unterschlagung und das Ausspähen von E-Mails vorgeworfen wird.
Das Letzte zum Schluss
Jungfrauenstipendium verfassungswidrig: In einer kleinen südafrikanischen Provinz wollte der dortige Bürgermeister die Tugend der Studentinnen auf ganz besondere Art und Weise bewahren: Er bot ein Stipendium für junge und vor allem jungfräuliche Mädchen an. Darüber berichtet spiegel.de.
Die südafrikanische Kommission für Gleichberechtigung hat jetzt festgestellt, dass dieses Stipendium verfassungswidrig ist. Und zwar vor allem deshalb, weil es nicht auch für Männer gelte.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/pf
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage
Die juristische Presseschau vom 18. bis 20. Juni 2016: "Nein heißt Nein" kommt/Ex-SS-Wachmann verurteilt/Gesetz zur Lohngerechtigkeit wackelt . In: Legal Tribune Online, 20.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19717/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
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