EU und USA einigen sich auf neues Datenschutzabkommen. Außerdem in der Presseschau: Rechte und Pflichten von Prostituierten sollen erweitert werden und BVerfG hebt Sozietätsverbot für Rechtsanwälte mit Ärzten und Apothekern auf.
Thema des Tages
Datenschutzabkommen zwischen EU und USA: Die EU-Kommission und die US-Regierung haben sich nach monatelangen Verhandlungen auf wesentliche Punkte eines neuen Datenschutzabkommens geeinigt. Die Vereinbarung mit dem Namen "Privacy Shield" soll das "Safe Harbor"-Abkommen ersetzen, das der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Oktober 2015 für rechtswidrig erklärt hatte. Mit der Entscheidung entzog der EuGH die Übertragung von Daten aus der EU in die USA die Grundlage, weshalb eine Neuregelung erforderlich wurde. In der nun beschlossenen Vereinbarung hätten die USA verbindlich "klare Grenzen" für den Zugriff von Behörden gesetzt und das Unterlassen einer massenhafte Überwachung der Daten zugesagt. Es solle strenge Regeln für datenverarbeitende Unternehmen und eine Überprüfung der Einhaltung durch das US-Handelsministerium geben. Zudem soll es Möglichkeiten der EU-Bürger und der EU-Kommission geben, sich gegen Verstöße zu wehren. Die Vorgaben des EuGH würden damit erfüllt, bekräftigte EU-Justizkommissarin Vera Jourová. Es berichteten taz (Heide Oestreich), die Welt und lto.de. Die neue Einigung wird von Datenschützern, darunter auch Edward Snowden, heftig kritisiert, wie netzpolitik.org (Markus Beckedahl) zusammenfasst. Sie sei rechtlich zu unverbindlich und sehe keine ausreichenden Möglichkeit vor, sich gegen Verstöße zu wehren. Bislang sind allerdings nur die Eckpunkte vereinbart, der juristisch verbindliche Abkommenstext steht noch nicht.
Rechtspolitik
Prostitutionsgesetz: Künftig soll es strafbar sein, beim Sex mit Prostituierten kein Kondom zu benutzen. Zudem werden zahlreiche, teils sanktionsbewehrte Pflichten für das ausübende Gewerbe formuliert, etwa die Anmelde- sowie Gesundheitsberatungspflicht der Prostituierten oder die Erlaubnispflicht für den Bordellbetrieb. Von dem Gesetzentwurf, auf den sich CDU und SPD am Dienstag einigten, berichten die taz (Heide Oestreich) und die SZ (Constanze von Bullion). Reinhard Müller (FAZ) weist darauf hin, dass die Gesetzesänderung viele Probleme der Praxis nicht lösen werde - der Staat müsse wirksamer gegen Unterdrückung und Zwang vorgehen. Simone Schmollack (taz) meint, dass sich die von Zwangsprostitution Betroffenen statt besser geschützt eher "reglementiert und zu Unrecht unter einen moralischen Generalverdacht" gestellt sähen.
Asylrecht: Am heutigen Mittwoch will das Bundeskabinett das umstrittene Asylpaket II verabschieden. Die SZ (Cerstin Gammelin) fasst die Neuregelungen, darunter zum Familiennachzug, Residenzpflicht und Umfang des Leistunganspruchs von Asylsuchenden, zusammen. Zudem sollen Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden, wie spiegel.de (Annett Meiritz) erläutert.
Lehrerbesoldung: Die Forderung der Lehrer-Gewerkschaften GEW und VBE nach einer einheitlichen Bezahlung von Lehrern an unterschiedlichen Schularten wird nun von einem Gutachten des Rechtsprofessors Ralf Brinktrine untermauert. Dieser sieht darin, dass Grundschul-, Hauptschul- und Realschullehrer mit einer geringeren Besoldungsstufe beginnen als Gymnasiallehrer, einen Verstoß gegen den grundgesetzlichen Gleichheitsgrundsatz und das sogenannte Alimentationsprinzip. Letzteres schreibt die "angemessene" Besoldung für das jeweilige Amt vor, wobei aufgrund der in einigen Bundesländern vorgenommenen Angleichung der Lehrerausbildung wie auch der Tätigkeit an sich eine unterschiedliche Bewertung nicht mehr zu rechtfertigen sei. Dies berichtet die taz (Christian Rath).
Bargeld-Limit: Die Bundesregierung erwägt, Bargeldzahlungen von mehr als 5.000,- Euro zu untersagen – denn Bargeld sei neben Pre-Paid-Karten ein wichtiges Vehikel für Terroristen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband zeigt sich besorgt, da Bargeld "gelebter Datenschutz" sei, der nicht aufs Spiel gesetzt werden dürfe. Auch die Banken zeigten eher Skepsis für den Vorstoß, wie die FAZ (Manfred Schäfers/Hendrik Kafsack/Christian Siedenbiedel) schreibt.
EU – Abgastests für Dieselfahrzeuge: Das EU-Parlament stimmt am heutigen Mittwoch über neue Abgastests für Dieselfahrzeuge ab. Kritisiert wird in diesem Zusammenhang, dass die neuen Normen von Experten in Brüsseler Hinterzimmern festgelegt wurden - zudem erklärte der Rechtsausschuss des EU-Parlaments diesen Expertenbeschluss am Montag für rechtswidrig. Dies erläutert die taz (Eric Bonse) und stellt Pro- und Contra-Argumente hinsichtlich der Neuregelung gegenüber.
TTIP-Vertragsdokumente: Die ersten Bundestagsabgeordneten haben am Dienstag Einsicht in die TTIP-Dokumente genommen. Zumindest die Teile zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, die bereits besprochen wurden, sind nun für Abgeordenete unter strengen Sicherheitsauflagen zugänglich, berichtet die taz (Tanja Tricarico). Die einsichtnehmende Grünen-Abgeordnete Bärbel Höhn kritisiere, es werde dabei zu wenig Zeit gelassen, um die Texte gründlich prüfen zu können.
Urhebervertragsrecht: Auf irights.info äußert der Verfassungsrechtler Christoph Möllers Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs des Bundesjustizministeriums, mit dem das Urhebervertragsrecht reformiert werden soll. Im Gesamteindruck des Entwurfs ginge der angestrebte Ausgleich zwischen Urhebern und Verwertern zu sehr zu Gunsten der Urheber und greife zu tief in die Berufsfreiheit der Verwerter ein. Die sozialen Probleme der Urheber, die nicht selten unter prekären Bedingungen arbeiteten, sollten auf anderen Ebenen gelöst werden, etwa über das Sozialversicherungsrecht. Die vorgeschlagene Regelung verhindere zudem längerfristige Absicherung der Urheber eher.
Mietrechtsreform: Die von Bundesjustizminister Heiko Maas vorgeschlagene Ausweitung des Berechnungszeitraum für den Mietspiegel von vier auf zehn Jahre würde in fast allen Städten zu einer Senkung der örtlichen Vergleichsmieten führen. Dies geht aus einer Studie hervor, die der Immobilienverband Deutschland (IVD) in Auftrag gegeben hatte. Die ortsübliche Miete ist insbesondere deshalbt entscheidend, weil im Geltungsbereich der Mietpreisbremse die Miete bei neuen Verträgen in der Regel höchstens zehn Prozent darüber liege. Es berichteten die SZ (Benedikt Müller) und die Welt (Karsten Seidel).
Widerrufsrecht bei Immobilienkrediten: Mit einem Gesetzentwurf beabsichtigt die Bundesregierung die Abschaffung des "ewigen Widerrufsrechts" bei Immobilienkrediten, meldet die FAZ (Joachim Jahn). Mit der Berufung auf eine falsche Belehrung könne nach aktueller Rechtslage in vielen Fällen niedrigere Zinsen erreicht werden. Widerrufe sind möglicherweise nur noch bis zum 21. Juni 2016 möglich.
Justiz
BVerfG zu Sozietätsverbot: Das Bundesverfassungsgericht hat das Verbot für Rechtsanwälte, sich mit Ärzten und Apothekern zu einer Sozietät zusammenzuschließen, für verfassungswidrig erklärt. Dass § 59a der Bundesrechtsanwaltsordnung allein die Zusammenarbeit mit Patentanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern erlaube, verstoße gegen das Grundrecht auf Berufsfreiheit und sei auch in Ansehung des Rechtsanwaltsberufs nicht mehr zeitgemäß. Ob dies auch für andere Berufsgruppen gelten soll, ist bislang nicht absehbar, erläutert lto.de (Martin W. Huff) .
EGMR zu "Die Friesen": Die niedersächsische Partei "Die Friesen" ist vor dem EGMR mit ihrer Forderung nach Befreiung von der 5%-Hürde gescheitert, meldet lto.de. Sie wollten bezüglich der Niedersachsen-Wahl 2007 ähnlich dem "Südschleswigschen Wählerverband", der die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein repräsentiert, eine Ausnahmeregelung erwirken, und wurden damit nun auch auf europäischer Ebene abgewiesen. Regelungen in einzelnen Bundesländern begründeten keine Pflichten für andere Bundesländer, so das Gericht.
OLG München – NSU: Beate Zschäpe hat am Dienstag einen neuen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl gestellt, weil dieser wiederholt die Entpflichtung ihrer Altverteidiger abgelehnt hat. Diese täten jedoch nach wie vor ihr Bestes zur Verteidigung der Hauptangeklagten, schreibt spiegel.de (Gisela Friedrichsen). Ihr Rat, im Prozess zu schweigen, sei verständlich gewesen, wenn man die nach den inzwischen erfolgten Einlassungen eingetretene Situation betrachte – die Nachfragen des Gerichts an Zschäpe brächten diese immer mehr in Bedrängnis.
BAW – Angriff auf Henriette Reker: Der Generalbundesanwalt hat Anklage gegen den Frank S. erhoben, der die parteilose Kölner Politikerin Henriette Reker auf einer Wahlkampfveranstaltung mit einem Messer angegriffen und lebensbedrohlich verletzt hat. Da bei der Tat noch weitere Personen verletzt worden seien, wird dem Angeschuldigten versuchter Mord und fünffache Körperverletzung vorgeworfen. Angaben bei seiner Vernehmung und Internetveröffentlichungen weisen auf einen rechtsradikalen Hintergrund hin, berichten die SZ (Annette Ramelsberger) und spiegel.de
StA Berlin – Kassenärztliche Bundesvereinigung: Im Untreueverfahren gegen elf amtierende Vorstände und leitende Mitarbeiter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sind Büroräume durchsucht und E-Mails sowie weitere Unterlagen sichergestellt worden, meldet die Welt. Bei den Vorwürfen gehe es um mehrere Millionen Euro. Zu den Hintergründen der Auseinandersetzung, die sich im wesentlichen um Gehaltszahlungen an einen ehemaligen Vorstandsvorsitzenden und die Beteiligung der KBV an einer Immobiliengesellschaft drehen, berichtet die SZ (Guido Bohsem).
Syndikusanwälte: Die FAZ (Joachim Jahn) befasst sich mit dem zum Jahreswechsel neu eingeführten Berufstitel der Syndikusrechtsanwälte und zeichnet die Diskussionen um die Einführung nach. Die Unternehmensjuristen können sich nun von der gesetzlichen Rentenversicherung befreien und ins Versorgungswerk der Rechtsanwälte einzahlen. Nach wie vor bestünden einige Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem neuen Titel.
Elektronisches Anwaltspostfach: Wie die FAZ (Joachim Jahn) meldet, müssen Rechtsanwälte das "besondere elektronische Anwaltspostfach" (beA) vorerst nicht benutzen. Eine ausdrückliche Pflicht hierfür sei gesetzlich bislang nicht geregelt, jedoch zum 1. Januar 2018 angestrebt, gab das Bundesjustizministerium auf die Anfrage eines Berliner Anwalts bekannt. Vorher könnte es noch eine Verordnung dazu geben.
Recht in der Welt
Großbritannien – Brexit: Im Ringen um ein mögliches Ausscheiden Großbritanniens hat EU-Ratspräsident Donald Tusk seine Vorschläge vorgelegt, die umfangreiche Zugeständnisse an den Inselstaat vorsehen. So soll Großbritannien insbesondere berechtigt werden, Arbeitnehmern aus anderen EU-Ländern bis zu vier Jahre lang Sozialleistungen zu verweigern. Dazu kommen weitere Ausnahmeregelungen, die auch Auswirkungen auf die EU als Ganzes haben – so soll es etwa für die EU-Mitgliedsstaaten leichter werden, EU-Gesetz aufzuheben oder zu ändern. Das schreibt die SZ (Daniel Brössler). Die FAZ (Helene Bubrowski) stellt heraus, dass sich Cameron keineswegs in allen wesentlichen Punkten durchsetzen konnte. Stefan Kornelius (SZ) meint, der Vorschlag sei "moderat" und gebe "sehr realistisch den Zustand der Gemeinschaft wider". Eric Bonse (taz) bezeichnet das Papier als "gewaltigen Rückschritt" für die EU.
Saudi-Arabien - Todesstrafe aufgehoben: Der staatenlose palästinensische Lyriker Ashraf Fayadh erhält statt der Todesstrafe eine Freiheitsstrafe von acht Jahren und 800 Peitschenhiebe, meldet die Welt. Er war im November 2015 wegen Apostasie und der Abwendung vom muslimischen Glauben zum Tode verurteilt worden. Dagegen wurde weltweit protestiert.
Türkei - Menschenschmuggel: Die Türkei will härter gegen Schlepperbanden vorgehen und ab sofort Menschenschmuggel als Terrorismusdelikt verfolgen. Dies werde sofort per Dekret umgesetzt und erhalte später eine gesetzliche Grundlage, so die SZ.
Sonstiges
Fischer zur "Lügenpresse": In seiner Kolumne auf zeit.de schreibt BGH-Richter Thomas Fischer über die "Lügenpresse" und die Wahrheit. Ausgehend von der Frage, um welche Wahrheit es eigentlich gehe, nimmt er sich journalistische Taktiken zur Verschleierung von Ungenauigkeiten vor, fasst verschiedene Definitionen zur "Lügenpresse" zusammen und fragt schließlich nach der "Wirklichkeit der Abgehängten", um die es eigentlich gehe.
Hans-Jochen Vogel wird 90: Die SZ (Heribert Prantl) porträtiert den Juristen und SPD-Politiker Hans-Jochen Vogel anlässlich seines 90. Geburtstags. Vogel habe stets mit "ungeheurem Fleiß, mit pedantischer Lust, mit bürokratischer Genialität und elitärem Anspruch" gearbeitet.
Das Letzte zum Schluss
Filmreif: Worüber die italienische Schauspielerin Gina Lollobrigida gerade vor einem italienischen Gericht verhandelt, könnte aus einem Kinofilm stammen: Sie habe aus den Medien erfahren, dass sie verheiratet sei, dies sei sogar in einem Eheregister von Barcelona eingetragen. Mit dem Mann hatte sie eine Art Romanze gehabt, diese aber kurz vor einer geplanten Hochzeit beendet. Jahre später habe er sie dann ein Dokument unterschreiben lassen, das angeblich eine Anwaltsvollmacht für Medienangelegenheiten sein sollte. Diese Vollmacht habe er anschließend benutzt, um sie zu heiraten, indem er zur Trauung eine ältere Dame mitbrachte. Der Schwindel fiel nicht auf, die Ehe ward geschlossen - nun wird vor einem Gericht in Rom über Heiratsschwindel und Erbschleicherei verhandelt, wie die SZ (Oliver Meiler) berichtet.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/lil
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 03. Februar 2016: Privacy Shield statt Safe Harbor / Prostitutionsgesetz / Sozietätsverbot gekippt . In: Legal Tribune Online, 03.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18327/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
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