Das BVerfG hat über die Verfassungsmäßigkeit der "City-Tax" zu entscheiden. Außerdem in der Presseschau: Obergrenze für Flüchtlinge, die Partei "Die Freiheit" darf vom Verfassungsschutz beobachtet werden und der falsche Wochentag.
Thema des Tages
BVerfG – "Bettensteuer": In neunzehn Kommunen müssen Hotels bei Privatreisenden vom Übernachtungspreis einen gewissen Prozentsatz als Steuern abführen. Zwei Hoteliers aus Hamburg und Bremen haben gegen zwei Urteile des Bundesfinanzhofs vom Juli Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe eingelegt. Der BFH hatte die Steuer für rechtmäßig erklärt. Den Ländern fehle es an der Gesetzgebungskompetenz, auch würden sie gegen das Gebot der Bundestreue verstoßen, so die Kläger. Das Bundesverwaltungsgericht hatte vor drei Jahren entschieden, dass berufliche Übernachtungen nicht besteuert werden dürfen. Dies melden unter anderem die taz (Kai von Appen), spiegel.de und die FAZ (Joachim Jahn).
Joachim Jahn (FAZ) sieht in einem gesonderten Kommentar die Erfolgsaussichten der Klage als gering an. Die Begründung, es handele sich um eine "verkappte Umsatzsteuer", habe schon den Bundesfinanzhof nicht überzeugt. Außerdem gewähre das Grundgesetz Städten und Gemeinden einen weiten Spielraum Steuern "zu erfinden". Letztendlich sei diese Steuer aber eine "Mogelpackung", denn wer könne schon überprüfen, ob jemand wirklich in dienstlichen Angelegenheiten unterwegs sei.
Rechtspolitik
Europäisches Einlagensicherungssystem: Die EU-Kommission legt am heutigen Dienstag einen Verordnungsentwurf für ein europäisches Einlagensicherungssystem vor, berichten die SZ (Cerstin Gammelin) und die FAZ (Werner Mussler). Bis 2024 solle ein europäischer Versicherungstopf eingeführt werden, der bei Bankpleiten die Einlagen auf Konten und Sparbüchern in Höhe von bis zu 100.000 Euro pro Bankkunde garantiere. Die Bundesregierung lehne den Entwurf strikt ab, da zu befürchten sei, "dass Bankkunden aus wirtschaftlich leistungsfähigen Staaten wie Deutschland für Bankkunden in schwachen Ländern aufkommen müssen."
Obergrenze für Flüchtlinge: Im Interview mit dem HBl (Daniel Delhaes) fordert Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt eine Obergrenze für Flüchtlinge und warnt vor "Parallelgesellschaften" sollte die Integration misslingen. Damit Deutschland Flüchtlinge nicht nur "irgendwie verwalte und durchfüttere", sondern "zum Bestandteil der Gesellschaft" werden lasse, seien Obergrenzen als Selbstverpflichtung – auch um den "gesellschaftlichen Rechtsruck" aufzuhalten – unerlässlich, schreibt Christian Rath (taz). Entgegen der Ansicht einiger Politiker verstoße dies auch nicht gegen das Grundgesetz. Abzustellen sei auf das europäische Asylrecht. Reinhard Müller (FAZ) fragt sich, was mit den Menschen passieren werde, wenn die "gewünschte flexible Obergrenze" erreicht sei. Nach den bisherigen Debatten könne er sich nicht vorstellen, dass irgendjemand zurückgewiesen werde. Positiv sei, dass Kontingente die Möglichkeit einer legalen Einreise für Flüchtlinge bieten würde.
Bundeswehreinsatz im Inneren: Ex-Verteidigungsminister Rupert Scholz fordert in einem HBl-Gastkommentar eine Verfassungsänderung, um den Einsatz der Bundeswehr im Inneren gegen Terroristen zu ermöglichen. Zu Recht spreche der französische Präsident Hollande von "Krieg". Es sei "bizarr", dass die deutsche Bundeswehr über NATO- und EU-Bündnisregelungen international zum Einsatz komme, aber im Inland nicht auf "militärische Ressourcen" zurückgegriffen werden dürfe.
Verwertungsgesellschaftengesetz: Der Anwalt Günter Poll bespricht auf lto.de den Gesetzentwurf zur Reformierung des Rechts der Verwertungsgesellschaften, welcher die europäische Richtlinie konsequent umsetze, jedoch ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs ignoriere: "Einnahmen aus Vergütungsansprüchen dürfen danach nämlich grundsätzlich nur an Rechteinhaber verteilt werden, nicht aber an Dritte, zu denen auch Verleger gehören, weil sie über kein eigenes Leistungsschutzrecht verfügen."
Justiz
VGH zu "Die Freiheit": Der Landesverband der rechtspopulistischen Partei "Die Freiheit" darf vom Verfassungsschutz beobachtet werden; dies hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden. Auch dürfe das Bayerische Innenministerium der Partei verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit vorwerfen. Die Partei wird seit dem Frühjahr 2013 vom Bayerischen Verfassungsschutz beobachtet. Dagegen hatte sie geklagt. Die Revision wurde nicht zu gelassen, meldet lto.de.
OVG Berlin-Brandenburg zu Lobbyisten-Kontakten: Wie der Tsp (Jost Müller-Neuhof) berichtet, muss das Parlament künftig darlegen, "welche Fraktion für welche Firmen- und Verbandsvertreter Dauereintrittskarten vergibt, die ungehinderten Zugang zu den Abgeordneten verschaffen." Dies hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am vergangenen Freitag auf eine Klage des Tagesspiegel hin beschlossen und dadurch den Bundestag zu mehr Transparenz gedrängt.
LG Bonn zu Angriff mit Hepatitis-Spritze: Mit einer verseuchten Hepatitis-Spritze hat der Verurteilte im Juni einen Supermarktkunden angegriffen und verletzt, als dieser ihn wegen Diebstahls von drei Paketen Kaffee zu stellen versuchte. Zuvor hatte er den Filialleiter mit der Spritze bedroht. Vor dem Bonner Landgericht wurde der Mann nun wegen schweren räuberischen Diebstahls sowie gefährlicher Körperverletzung zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, meldet die SZ. Zudem wird der Drogenabhängige in einer Entzugsklinik untergebracht.
VG Koblenz zu Haftung auf Schulweg: Das Verwaltungsgericht Koblenz hat entschieden, dass wenn Schüler auf ihrem Schulweg Steine und Müll auf ein Grundstück werfen, die Schulträgerin nicht dafür haften müsse. Diese Exzesse der Schüler können ihr nicht zugerechnet werden, da sie diese nicht wolle und auch keine Anreize dafür setze, so lto.de.
AG Nördlingen zu "Zwölf Stämme": Wegen Rutenschlägen auf den Hintern eines damals 14 Jahre alten Schülers ist ein ehemaliger Lehrer der Sekte "Zwölf Stämme" zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden. Das Amtsgericht Nördlingen ordnete zudem an, dass der 54-Jährige eine Geldstrafe von 2.000 Euro zahlen muss, melden SZ und taz (Annette Walter). Wegen ähnlicher Anklagen müssen sich weitere Mitglieder der umstrittenen ultrachristlichen Sekte künftig ebenfalls vor Gericht verantworten.
OLG München – Spionage: In dem Prozess vor dem Oberlandesgericht München um den wegen Landesverrats angeklagten Ex-BND-Mitarbeiter sagte dessen Freundin aus. Diese beschrieb ihn als äußerst schüchternen Einzelgänger, welcher aber sehr nett und liebenswert sei. Die Anklage wirft dem Bürokaufmann Spionage für den US-Geheimdienst CIA sowie für den russischen Geheimdienst vor: Landesverrat, die Verletzung von Dienstgeheimnissen und Bestechlichkeit, so die SZ.
LG Aurich – "Tötung" der Mutter: Eine 63-jährige Frau ist vor dem Landgericht Aurich wegen Totschlags und Körperverletzung angeklagt. Sie gab bei der Polizei an, ihre 95 Jahre alte Mutter geschlagen und mit einer Strumpfhose erwürgt zu haben, melden die FAZ (Reinhard Bingener) und spiegel.de. Zum Prozessauftakt erklärte die Tochter nun, sie habe die Tat damals nur eingeräumt, um ihre Ruhe zu haben. Ihre Mutter habe sie geschlagen, sie habe zurückgeschlagen und sei danach aus dem Haus gegangen. Bei ihrer Rückkehr habe sie festgestellt, dass ihre Mutter tot war.
LG Augsburg – Kinderarzt: Ein Kinderarzt hat vor dem Augsburger Landgericht den sexuellen Missbrauch von 21 Jungen gestanden. Ihm wird vorgeworfen Jungen in Augsburg und München in Tiefgaragen oder Keller gelockt zu haben, um diese sexuell zu missbrauchen. Auch soll er einen Jungen entführt und missbraucht haben. Dem Mann drohen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern bis zu 15 Jahren Haft, laut Anklage kommt auch eine Sicherungsverwahrung in Betracht, so die SZ (Stefan Mayr), die FAZ (Karin Truscheit) und spiegel.de.
LG München – Jugendleiter: Vor dem Münchener Landgericht hat ein Missbrauchsprozess gegen einen ehemaligen Jugendleiter der Pfadfinder begonnen. Der Angeklagte soll sich 2008 bis 2009 in seiner Wohnung neunmal an einem sieben bis acht Jahre alten Jungen vergangen und dies gefilmt haben. Er soll das Kind vor den Übergriffen betäubt haben, meldet focus.de.
Stolpersteinklage: Der Münchner Stadtrat hat Ende Juli ein generelles Verbot von Stolpersteinen in München bekräftigt, zugleich aber Gedenksäulen auf dem Gehweg erlaubt. Der Anwalt Hannes Hartung wird im Auftrag einer Gruppe von Nazi-Opfern und ihrer Familien Klage beim Verwaltungsgericht München einreichen, um gegen die ablehnenden Bescheide des Baureferats, keine Stolpersteine verlegen zu dürfen, vorzugehen, berichtet die SZ (Martin Bernstein). Eine Sondernutzung des Gehweges liege nicht vor; außerdem seien alle Gedenkformen als gleichwertig einzustufen, schon allein auf Grund der Religionsfreiheit, so der Anwalt.
Peruanischer Kleinbauer vs. RWE: RWE ist das erste europäische Unternehmen, das für den Klimawandel haften soll. Der Energiekonzern zählt zu den größten CO2-Emittenten weltweit und soll für notwendige Schutzmaßnahmen für die Gletscherschmelze zahlen. Ein peruanischer Kleinbauer wird den deutschen Energiekonzern vor dem Landgericht Essen verklagen, weiß die FAZ (Andreas Mihm).
Recht in der Welt
Polen – Justizkontrolle: Die Juniorprofessorin Anna Śledzińska-Simon schreibt auf verfassungsblog.de in einem englischsprachigen Beitrag über Polens Verfassungsgerichtshof wie er zwischen die politischen Fronten zu geraten droht. Sie zieht einen Vergleich zu den "midnight appointments" durch Präsident John Adams im Jahr 1801.
Schweiz – hetzerische Tweets: Ein Twitter-Nutzer wurde in der Schweiz wegen des Tweets "Vielleicht brauchen wir wieder eine Kristallnacht … diesmal für Moscheen" zu einer Geldstrafe verurteilt, so internet-law.de (Thomas Stadler). Das Schweizer Bundesgericht hat mit Beschluss vom 4. November die vorinstanzliche Verurteilung wegen Rassendiskriminierung bestätigt.
Managua – Sorgerechtsstreit: In der Rubrik aus aller Welt berichtet das HBl (Christian Meier) über einen Sorgerechtsstreit zwischen einem Deutschen und einer US-Nicaraguanerin. Die Ex-Partnerin halte das Kind in Nicaragua fest, obgleich das Familiengericht in Frankfurt am Main dem Vater das Sorge- und Aufenthaltsbestimmungsrecht zugesprochen hatte. Nun muss er sich in Managua vor Gericht wegen Entführung seines Sohnes und psychologischer Gewalt gegen die Mutter verantworten.
Sonstiges
Befangene Abgeordnete: Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) stellte klar, dass "nach geltendem Recht keine zwingenden Gründe für einen Ausschluss von Stimmrechten eines Abgeordneten bei Entscheidungen des Bundestages, die diesen selbst begünstigen können" vorliegen. Stephan Harbarth (CDU), Bundestagsabgeordneter und Anwalt bei der Kanzlei SZA Schilling, Zutt & Anschütz, welche durch Volkswagen mandatiert wurde, war beteiligt bei der Abstimmung, ob der Tagesordnungspunkt "VW" abzusetzen sei, um so die Manipulationen bei VW nicht im Rechts- und Verbraucher-Ausschuss zu diskutieren, berichtet die SZ (Robert Roßmann).
NSA-Untersuchungsausschuss: Wie die SZ meldet, sind die Obleute des NSA-Untersuchungsausschusses bei der Prüfung der Spähziele des Bundesnachrichtendienstes auf einen "Wust" von Selektoren (Mail-Adressen und Telefonnummern) gestoßen. Zur Aufklärung dieser bedürfe es sämtlicher Begleitmaterialien. Die taz (Tobias Schulze) weist insbesondere darauf hin, dass die Abgeordneten die Öffentlichkeit nicht im Detail über die Inhalte informieren dürfen.
Stuttgarter NSU-Ausschuss: Vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Landtages in Stuttgart wurde die Präsidentin des Verfassungsschutzes in Baden-Württemberg, Beate Bube zu den dem Ausschuss nicht vorgelegten Akten betreffend den "Umtrieben" des KuKlux-Klan und dessen Verbindung zum NSU angehört, meldet die SZ (Tanjev Schultz). Diese Unterlagen seien nicht bewusst zurückgehalten worden; vielmehr sei dies ein bürokratisches Organisationsverschulden, so Bube.
Versicherungsverträge: Die SZ (Jonas Tauber) erklärt, warum es nach einem Schaden nicht immer ratsam sei, aus Sorge vor einer Kündigung der Versicherung diese selbst zu wechseln und welche Rechte einem bei einer eigenen außerordentlichen Kündigung zustehen.
Das Letzte zum Schluss
Falscher Wochentag: Ein Mann wollte am Sonntag einen Lastwagen mit 23 Tonnen Kaffee- und Kakaopulver stehlen. Er hätte sich dafür besser einen anderen Wochentag aussuchen sollen, denn weit kam er mit dem LKW nicht. Auf der Autobahn wurde er von Polizeibeamten wegen des Sonntagsfahrverbots von LKWs angehalten, so spiegel.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ps
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 24. November 2015: Streit um Bettensteuer / Obergrenze für Flüchtlinge / Die Freiheit . In: Legal Tribune Online, 24.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17633/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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