Die Stadt Bremen wird der Fußball-Liga demnächst einen Gebührenbescheid zuschicken – für einen Polizeieinsatz bei einem Fußballspiel. Ein Tabubruch? Außerdem in der Presseschau: Schäubles Vorschlag zur Erbschaftsteuer, Middelhoffs Verteidigung hat Haftprüfung beantragt, Mordverdacht gegen Polizisten in den USA und ein Abiturient fordert die Abituraufgaben per IFG-Anfrage.
Thema des Tages
Gebühren für Polizeieinsatz bei Fußballspiel: Als erstes Bundesland wird die Hansestadt Bremen Gebühren für einen Polizeieinsatz bei einem Fußballspiel verlangen: Eine Rechnung von rund 300.000 Euro kommt auf die Deutsche Fußball-Liga (DFL) für die Einsätze beim kommenden "Nordderby" (Bremen gegen Hamburg) am 19. April zu, weil "mehr Polizisten im Einsatz sein werden als gewöhnlich". Das berichten die SZ (Peter Burghardt/Heribert Prantl) und die FAZ (Reinhard Bingener). Rechtliche Grundlage ist das 2014 reformierte Bremer Gebührenrecht, nach dem Veranstalter zur Kasse gebeten werden können, wenn bei "Risikospielen" Mehrkosten anfallen. Die DFL wolle sich "mit allen juristischen Mitteln wehren".
Großveranstalter zur Kasse zu bitten, begrüßt Heribert Prantl (SZ) ausdrücklich. Er meint zudem, die anderen Länder begingen "Haushaltsuntreue", indem sie bei solchen Großeinsätzen kein Geld verlangen. Es handele sich nämlich um eine Sondernutzung der Polizei durch Veranstalter. Ein großes Spiel sei keine Demonstration, sondern ein Riesengeschäft, für das die Fußball-Liga auch zahlen solle.
Rechtspolitik
Erbschaftsteuer: Über den Vorschlag des Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) zur Reform der Erbschaftsteuer (Pflicht zur Bedürfnisprüfung ab einer 20-Millionen-Freigrenze, Einsatz der Hälfte des Privatvermögens) schreiben das Handelsblatt (Donata Riedel) und die FAZ (Heike Göbel).
Für Christian Rath (taz) sind die Pläne von einer ernsthaften Reform immer noch weit entfernt. Und dass Schäuble "für dieses Reförmchen angegriffen wird, zeigt, dass es hierbei gar nicht um Arbeitsplätze, sondern vornehmlich um die Privilegien der reichen Erben geht."
Sorgerecht: Das Dossier der Zeit (Nadine Ahr/Christiane Hawranek) befasst sich mit dem geltenden Sorgerecht und der gerichtlichen Praxis als System, "das vorgibt, zum Wohle des Kindes zu handeln und dem Kind dabei den größtmöglichen Schaden zufügt". Exemplarisch für harsche Anwaltsmethoden und fragwürdige Gerichtsentscheidungen schildert das Stück den Fall einer Mutter, der ein Gericht das Sorgerecht entzog.
Justiz
BGH zu Brustimplantaten/TÜV: Auch der Tagesspiegel (Ursula Knapp) weist auf die am heutigen Donnerstag anstehende Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Schadensersatz für die Brustimplantate der französischen Firma PIP hin. Eine Patientin verlangt 40.000 Euro Schadensersatz vom TÜV Rheinland. Dieser hatte das Prüfsiegel für die Implantate erteilt.
LG Essen – Haftprüfung Middelhoff: Dass die Verteidiger von Thomas Middelhoff erneut Haftprüfung beim Landgericht Essen beantragt haben, hat das LG am gestrigen Mittwoch bestätigt. Es werde nun prüfen, ob der Haftbefehl außer Vollzug zu setzen ist. Das meldet lto.de. Der taz (Christian Rath) gegenüber bestritt das NRW-Justizministerium, dass Middelhoff wochenlang nachts alle 15 Minuten geweckt worden sei. Juraprofessor Henning Ernst Müller (blog.beck.de) fasst den Stand zur Frage "Suizidprophylaxe oder Folter?" kurz zusammen.
Simone Schmollack (taz) meint: "Middelhoffs Anwälten scheint 'die Folter' ganz gelegen zu kommen. Schließlich wollen sie ihn aus der Haft holen – mit welchen Mitteln auch immer." Christian Bommarius (Berliner Zeitung) ruft in Erinnerung, dass Persönlichkeitsrechte nicht am Gefängnistor enden und Middelhoff bis zur Rechtskraft des Urteils unschuldig ist.
Forderung konsequenter Strafverfolgung bei Bedrohung: Der Deutsche Landkreistag fordert nach den Vorfällen in Tröglitz eine konsequente Strafverfolgung gegen die Bedrohung von Landräten und Bürgermeistern im Zusammenhang mit der Asyl- und Einwanderungspolitik, schreibt die FAZ.
LG Freiburg – mutmaßlicher Rachemord: Wegen eines möglichen Rachemordes an einem mutmaßlichen Vergewaltiger hat vor dem Landgericht Freiburg der Prozess gegen einen zur Tatzeit 17-Jährigen und dessen Vater begonnen. Weil ein Schlussbericht der Ermittlungsbehörden dem Gericht und den Verteidigern erst am Vortag zugestellt worden war, musste die Hauptverhandlung schon am ersten Verhandlungstag unterbrochen werden. Die FAZ (Rüdiger Soldt) und spiegel.de (Julia Jüttner) berichten.
"Abmahnkanzlei" BaumgartenBrandt: Im Zuge der Diskussion um die Prozessbevollmächtigung der in Filesharing-Fällen abmahnenden Kanzlei BaumgartenBrandt bloggt Thomas Stadler (internet-law.de) über einen Schriftsatz der Kanzlei, in dem diese sich als ordnungsgemäß mandatiert ausgibt. Stadler will außerdem "pikante Details" gefunden haben: so unter anderem, dass die Kanzlei im Ergebnis selbst vortrage, die verwendete Ermittlungssoftware Guardaley sei ungeeignet, Urheberrechtsverletzungen zutreffend zu ermitteln.
Verteilung von Geldauflagen: Rund 150 Millionen Euro fließen laut Schätzungen in Deutschland jährlich an gemeinnützige Vereine aus Geldauflagen in Strafverfahren. Regeln und Kontrollen zur Frage, an wen das Geld fließt, existieren kaum bis gar nicht. Ein Beitrag des ZDF (Michaela Krause/Friedemann Hottenbacher) befasst sich dem Thema und lässt etwa den Piratenpolitiker und Juristen Patrick Breyer zu Wort kommen, der gesetzliche Regelungen und Transparenz fordert.
Recht in der Welt
USA – Mordverdacht gegen Polizisten: Ein weißer Polizist erschießt einen unbewaffneten Schwarzen, der vor dem Polizisten wegrennt – so ist es auf einer Videoaufnahme zu sehen, die ein Zeuge zufällig mit seinem Handy angefertigt hat. Jetzt ist im US-Bundesstaat South Carolina gegen den Polizisten Anklage wegen Mordes erhoben worden. Über den Fall schreiben die FAZ (Winand von Petersdorff), die taz (Dorothea Hahn), die Welt (Michael Remke/Clemens Wergin) und spiegel.de.
Den im konkreten Fall offenbar entscheidenden Videobeweis nimmt die taz zum Anlass, die Autoren Jan Feddersen für und Svenja Bergt gegen mehr Videoüberwachung plädieren zu lassen.
Österreich – Klage gegen Facebook: In Wien beginnt am heutigen Donnerstag ein Zivilprozess gegen Facebook. In einer Sammelklage auf Initiative von Max Schrems ("Europe-versus-Facebook") werfen 25.000 Nutzer dem Netzwerk Datenschutzverstöße vor. Die taz (Svenja Bergt) fasst die wichtigsten Punkte zusammen; auch die FAZ (magr) berichtet.
USA – Boston-Attentäter schuldig gesprochen: Die Geschworenen im Prozess um das Attentat beim Bostoner Marathonlauf vor zwei Jahren haben den Angeklagten Dschochar Z. in allen Anklagepunkten für schuldig befunden. Ihm droht nun die Todesstrafe, schreibt spiegel.de.
Sonstiges
Abi-Aufgaben – IFG-Anfrage: Ein Münsteraner Abiturient fordert in einer Anfrage an das NRW-Schulministerium die Herausgabe der Abituraufgaben für die anstehenden Prüfungen. Rechtliche Grundlage: das Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Die Chancen stehen wohl schlecht, schreibt die Welt (Thomas Vitzthum). Die Reichweite von IFG-Ansprüchen stellt telemedicus.info (Philipp Sümmermann) in einem Überblick dar.
Berechtigte Kritik an Investorenschutz: "Große internationale Konzerne sind klar die eigentlichen Gewinner." So lautet das Fazit des Autors einer Studie der kanadischen Osgoode Hall Law School zum Thema Investorenschutzklauseln und internationalen Schiedsgerichten. Die Verfahren seien für kleine Unternehmen nicht zugänglich. Die SZ (Silvia Liebrich) befasst sich mit dem Thema.
Peter Müller im Interview: Im Interview mit der Zeit (Matthias Geis/Tina Hildebrandt) verteidigt Verfassungsrichter und ehemaliger Ministerpräsident des Saarlandes Peter Müller seinen Wechsel von Politik zum Bundesverfassungsgericht und spricht über seinen neuen Blick als Verfassungsrichter auf die Politik sowie die Schwierigkeit für ein Verfassungsgericht, "hochpolitische Sachverhalte" zu entscheiden.
Schweigepflicht – Geheimnisse als Menschenrecht: Das Thema Schweigepflicht macht die Zeit (Evelyn Finger u.a.) mit einer Artikelreihe zum Titelthema. Die Texte gehen auf Reichweite und Ausnahmetatbestände der Schweigepflicht ein – unter anderem für Ärzte, Anwälte und Journalisten. Die geschlossene Tür des Arztes, des Priesters und des Anwalts diene gerade nicht dazu, das Böse oder Kranke zu verbergen, sondern ihm zu begegnen – "im schonungslosen Gespräch, das bei offener Tür unmöglich wäre".
Das Letzte zum Schluss
Hündin im Auto: Seine Weimaraner-Hündin Cosima während der Arbeitszeit in der Transportbox im Auto einzusperren, untersagte das Landratsamt Ludwigsburg einem Hundehalter. Zu Recht, befand das Verwaltungsgericht Stuttgart – Cosima genießt Tierschutz. blog.betriebsrat.de weist auf das Urteil hin.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/fr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 09. April 2015: Gebühren für Polizeieinsatz – Middelhoffs Untersuchungshaft – Mordverdacht gegen US-Polizisten . In: Legal Tribune Online, 09.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15183/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
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