Per Samenspende gezeugte Kinder haben das Recht auf den Namen ihres Vaters. Das hat der BGH entschieden. Außerdem in der Presseschau: Der Bundeswehreinsatz im Irak zur Ausbildung der Peschmerga ist rechtlich umstritten, Pläne zum Prostitutionsgesetz stehen in der Kritik, der Verkehrsminister muss der Presse deutlich mehr über die Maut verraten und juristischer Katzencontent.
Thema des Tages
Kinder haben Recht auf den Namen ihres Vaters: Kinder, die per Samenspende gezeugt wurden, haben von Geburt an das Recht, den Namen des biologischen Vaters zu erfahren. Ein Mindestalter ist nicht erforderlich, wie der Bundesgerichtshof am gestrigen Mittwoch entschieden hat. Der BGH verwies zur Begründung auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1989, wonach die Klärung der eigenen Abstammung ein "unabdingbarer Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts" sei. Das Recht auf Kenntnis der Abstammung können Minderjährige über ihre gesetzlichen Vertretern geltend machen. Es berichten die SZ (Wolfgang Janisch), die FAZ (Helene Bubrowski), der Tagesspiegel (Ursula Knapp) und spiegel.de.
Heribert Prantl (SZ) begrüßt das Urteil sowie überhaupt die Entwicklung des Familienrechts in den letzten Jahrzehnten: "Das neue Recht moralisiert nicht übertrieben; es sagt nicht Bäh und Pfui und Nein zu neuen Lebensmodellen; es versucht, des Lebens pralle Fülle zu ordnen." Auch Reinhard Müller (FAZ) begrüßt das Urteil, mahnt aber auf der anderen Seite zugleich die Rechtsprechung, nicht einer Strömung wie der Leihmutterschaft nachzugeben, die "im Grunde alles andere als fortschrittlich und kinderfreundlich ist".
Rechtspolitik
Irakeinsatz der Bundswehr: Ist der geplante Irakeinsatz zur Ausbildung der Peschmergakämpfer im Irak völker- und verfassungsrechtskonform? Mit dieser Frage befasst sich die taz (Christian Rath). Die Bundesregierung sehe den Einsatz im Rahmen eines "Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit" gedeckt. Dies sei aber nicht überzeugend bei einer "losen Koalition der Willigen" und ohne UN-Mandat. Auch die FAZ (Johannes Leithäuser) zitiert Bedenkenträger.
"Die Bundeswehr darf keine nach deutschem Gusto frei einsetzbare Interventionsarmee werden", meint Christian Rath (taz) in einem gesonderten Kommentar. Ein Einsatz im Rahmen von EU-Strukturen oder mit klassischem UN-Mandat wäre vorzuziehen gewesen.
Prostitutionsgesetz: Während die Bundesregierung das Schutzalter für legale Prostitution von 18 auf 21 Jahre anheben will und eine Meldepflicht für Prostituierte diskutiert, sprechen sich Frauenrechtsverbände gegen diese Pläne aus. Prostituierte würden hierdurch nicht besser geschützt, heißt es in der taz (Simone Schmollack) und der Berliner Zeitung (Mira Gajevic).
Fluggastdatenspeicherung: Über einen neuen Vorschlag der EU-Kommission zur umfassenden Speicherung von Fluggastdaten schreibt die taz (Kai Schöneberg). Beabsichtigt sei die anlasslose Speicherung aller Fluggastdaten von Flügen nach und aus Europa für bis zu fünf Jahre.
Führerscheintourismus: Wer in Deutschland seinen Führerschein etwa wegen einer Trunkenheitsfahrt verliert, konnte früher im Ausland eine neue Fahrerlaubnis erwerben. Heute ist das nicht mehr ganz so leicht, und dennoch fordern Verkehrsexperten auf dem Verkehrsgerichtstag auch jetzt europäische Standards. lto.de berichtet.
Radfahren mit 1,6 Promille: Im FAZ-Interview (Julian Trauthig) stellt Rechtsmediziner Thomas Daldrup eine Studie zu alkoholisierten Radfahrern vor. Die Rechtsprechung müsse in dem Sinne revidiert werden, dass es keine Obergrenze von 1,6 Promille mehr gibt. Alkoholisierte Radfahrer können der Studie zufolge besser fahren als gedacht; sie wird heute auf dem Verkehrsgerichtstag vorgestellt.
Justiz
EuGH – Bußgeld bei Sprachtests für Ausländer: Darf ein EU-Mitgliedsstaat eine Geldbuße verhängen, wenn ein Ausländer sich weigert, an Sprach- und Wissenstest teilzunehmen? Mit dieser Frage beschäftigt sich derzeit der Europäische Gerichtshof. Wie lto.de meldet, hat der EuGH-Generalanwalt Maciej Szpunar in seinen Schlussanträgen eine entsprechende niederländische Vorschrift als unionsrechtswidrig bezeichnet.
BVerfG – Libyen-Einsatz: Soldaten der Bundeswehr haben 2011 in einer Kommandoaktion Menschen aus Libyen evakuiert. Hätte der Bundestag darüber abstimmen müssen, weil die Gefahr bewaffneter Auseinandersetzungen bestand? Über eine entsprechende Organklage der Grünen verhandelte das Bundesverfassungsgericht und wird in den nächsten Monaten entscheiden, berichten die SZ (Wolfgang Janisch), die Welt (Thorsten Jungholt), die FAZ (Alexander Haneke), die taz (Christian Rath) und lto.de.
BVerwG zur Waffenerlaubnis bei Bandidos: Eine Mitgliedschaft beim Motorradclub "Bandidos" rechtfertigt den Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit kann als Voraussetzung eines Widerrufs auch dann vorliegen, wenn ein einzelnes Mitglied oder die Teilgruppierung ("Chapter") bisher nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Es berichtet die FAZ (lock).
Rechtsanwalt Florian Albrecht gibt auf lto.de zu bedenken, dass das BVerwG "der pauschalen Betrachtungsweise" der Vorinstanz "nicht ohne juristisches Unbehagen gefolgt", aber gesetzlich an die Tatsachenfeststellungen gebunden sei.
BFH – Divergenzanfragen: Wie die FAZ (Joachim Jahn) schreibt, nimmt der Große Senat des Bundesfinanzhofs die eigenen Richter künftig stärker an die Leine. So müssen die einzelnen Senate öfter um Erlaubnis fragen, wenn sie ihre Rechtsprechung ändern wollen (sogenannte Divergenzanfrage). Ziel sei die Einheitlichkeit der Rechtsprechung.
OLG München – Nebenkläger im NSU-Prozess: Gisela Friedrichsen (spiegel.de) wirft die Frage auf, warum manch ein Nebenkläger im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München überhaupt als solcher zugelassen wurde: Einige Nebenkläger seien nie Geschädigte im Rechtssinne gewesen. Das Institut der Nebenklage gerate so in Verruf, "ebenso die Anliegen der wirklich Geschädigten".
VG Berlin zum Auskunftsanspruch über geplante Maut: "Dobrindt muss jetzt Zahlen liefern": Nachdem das Bundesverkehrsministerium bislang nur sehr allgemeine Angaben zu den prognostizierten Einnahmen durch die Einführung der PKW-Maut macht ("700 Millionen Euro"), muss es der Zeit jetzt konkrete Auskunft über die Berechnung der Maut erteilen. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin am Dienstag per Eilverfahren entschieden, wie das Blatt selbst berichtet (Felix Rohrbeck/Dietmar H. Lamparter). lto.de nennt rechtliche Details des Beschlusses. Exaktere Angaben verstoßen nicht gegen Geheimhaltungsvorschriften, denn der Abstimmungs-, Beratungs- und Entscheidungsprozess der Exekutive bezüglich des Gesetzentwurfs sei bereits abgeschlossen.
Recht in der Welt
Russland – Memorial: Die russische Menschenrechtsorganisation "Memorial" bleibt erhalten: Das russische Verfassungsgericht hat ihre Auflösung abgelehnt und damit einen entsprechenden Antrag des Justizministeriums zurückgewiesen. Es hatte die Struktur der Organisation beanstandet. Die SZ (Julian Hans) und zeit.de schreiben darüber.
Saudi-Arabien – Raif Badawi: Ensaf Haidar, die Ehefrau des in Saudi-Arabien zu 1.000 Peitschenhieben verurteilten inhaftierten Bloggers Raif Badawi, spricht in der Zeit (Mohamed Amjahid) über die brutale Folterhaft ihres Mannes – und seinen vormaligen Einsatz für Meinungsfreiheit und eine liberale Gesellschaft.
Ägypten – Aktivisten verurteilt: Ein Kairoer Gericht hat die mehrjährigen Haftstrafen gegen drei der bekanntesten ägyptischen Demokratieaktivisten bestätigt. Sie waren 2013 gegen ein verschärftes Demonstrationsrecht auf die Straße gegangen. Die Berufung ist damit endgültig gescheitert, meldet die SZ.
Sonstiges
Neue Facebook-AGB: Ab dem morgigen Freitag gelten bei Facebook neue Geschäftsbedingungen. Die SZ (Matthias Huber – ausführlichere Onlinefassung) klärt auf, was sich in Sachen personalisierte Werbung, Standortdaten und Kontrolle über eigene Daten ändert.
Khaled el-Masri: Der Deutsch-Libanese Khaled el-Masri war 2004 von der CIA entführt und gefoltert worden. Offenbar bleibt die Bundesregierung nun auch nach Bekanntwerden der CIA-Folterberichte untätig, berichtet die SZ (Hans Leyendecker): Aus dem Bundesjustizministerium sei nach einer Anfrage ein "diplomatisch verklärtes, gewundenes Nein" hinsichtlich politischer und juristischer Folgen gekommen.
Das Letzte zum Schluss
Katzen müssen nicht an die Leine: Udo Vetter (lawblog.de) meldet juristischen Katzencontent: Nach Ansicht des Amtsgerichts Frankfurt ist eine Regelung in der Hausordnung rechtswidrig, nach der Katzenhalter ihre Katzen im Treppenhaus an der Leine führen müssen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/fr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 29. Januar 2015: Abstammung bei Samenspende – Irakeinsatz der Bundeswehr – Auskunft über Maut . In: Legal Tribune Online, 29.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14515/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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