Seit Mittwoch steht nun fest, was die Bundesregierung in ihren Gesetzentwurf zur Mietpreisbremse aufgenommen hat. Außerdem in der Presseschau: Der Gesetzentwurf zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes ist populistisch und am Thema vorbei, weniger als das menschenwürdige Existenzminimum ist nicht menschenwürdig, Null-Prozent-Finanzierung ist kein Verbraucherdarlehen und wie Google am längeren Hebel zieht.
Thema des Tages
Mietpreisbremse: Am Mittwoch hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf zur Mietpreisbremse beschlossen. Danach darf die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um zehn Prozent überschritten werden. Das gilt jedoch nicht für Neubauten sowie für umfassend modernisierte Wohnungen, bei Letzteren jedoch nur für Erstbezieher. Anwendung findet die Mietpreisbremse dort, wo der Wohnungsmarkt angespannt ist, die Bereiche sind von den Ländern festzulegen. Für Makler soll das Prinzip gelten: wer bestellt, der bezahlt. Streitanfällig ist die Frage nach der Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete, wie auch der unbestimmte Begriff des "angespannten" Wohnungsmarktes. Die Vergleichsmiete orientiert sich am Mietspiegel, der ohne allgemeine Standards regelmäßig kaum Vergleichbares zusammenfasst, so er denn überhaupt existiert. Gegen die Makler-Regelung wurde bereits Verfassungsbeschwerde angekündigt. Sie schränke die Makler zu stark in ihrer Berufsausübung ein. Es berichten unter anderem lto.de, das Handelsblatt (Christian Hunziker) und die FAZ (Michael Psotta).
Reiner Reichel (handelsblatt) meint, die Eigentümer hätten wenig zu befürchten. Bei angespannter Wohnungslage werde in der Regel bezahlt, was verlangt werde. Die Mieter seien weiter in der schlechteren Position, sie müssten im Zweifel beweisen, dass ihre Wohnung zu teuer ist. Die ungenauen Mietspiegel ermöglichten es den Vermietern stets zu behaupten, ihre Wohnung sei besser als der Schnitt der Vergleichsmenge.
Rechtspolitik
Freizügigkeit und "Armutsmigration": Die Rechtswissenschaftlerinnen Hanna Tewocht und Gabriele Buchholtz setzen sich auf juwiss.de mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 27. August zur Änderung des Freizügigkeitsgesetz/EU auseinander. Die Autorinen kritisieren die mangelnde Faktengrundlage und halten die geplanten Änderungen für kaum praktisch relevant, sich tatsächlich stellende Fragen wie etwa die "Aussicht auf Erfolg" der Arbeitssuche würden nicht geklärt und jedenfalls die geplante Strafvorschrift sei unionsrechtswidrig. Abweichend von diesem populistischen Änderungsentwurf sei Integration zu fördern und die Willkommens- und Anerkennungskultur zu stärken, wie es der Koalitionsvertrag vorsehe.
Reform des Sexualstrafrechts: Die Zeit (Jonas Rosenbrück/Heinrich Wefing) beschäftigt sich mit der Reform des Sexualstrafrechts. Die bisherige Debatte wird nachgezeichnet und die verschiedenen Positionen dargestellt. Abschließend wird auf die Veränderung von "Nein heißt Nein" zu "Nur Ja heißt Ja" in der kürzlich erlassenen kalifornischen Regelung zu sexuellen Übergriffen an Universitäten hingewiesen, die die Grauzone zwischen Ja und Nein nun zu Lasten des (möglichen) Täters auslege. Es wird die Frage nach der Aufgabe des Strafrechts gestellt – bewusstseinsbildendes Instrument? Opferschutz? Schutz Verdächtiger? – und darauf hingewiesen, dass auch die Regierung letztlich einen Gesetzentwurf beschloss, der offen lässt, ob hinsichtlich der Istanbul-Konvention doch noch Veränderungen erforderlich sind.
Inzestverbot und Ethikrat: Rechtsprofessor Klaus Ferdinand Gärditz äußert sich in der FAZ zum Inzestverbot und der Reaktion auf das kritische Votum des Ethikrates. Dass sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Verbot letztlich gebilligt haben, enthebe den Gesetzgeber nicht seiner Verantwortung. Gerade auf althergebrachten Moralvorstellungen beruhende Regelungen bedürften einer Überprüfung und plausibler Begründung. Die Argumente für das Inzestverbot überzeugen den Autor nicht, aber die Entscheidung sei eben dem Gesetzgeber überlassen. Bei dieser Entscheidung könne der vom Bundestag für diese Aufgabe eingesetzte Ethikrat unterstützen und ihn für ein kritisches Votum anzugreifen sei unaufrichtig. Aber auch die Wissenschaft könne diese kritische Stimme bieten, also: "Wozu brauchen wir einen Ethikrat?".
Hartz IV-Sanktionen: Arndt Pollmann vertritt in der Zeit die Ansicht, dass Sanktionen nach dem Sozialgesetzbuch verfassungswidrig seien. Abzüge von finanzieller Unterstützung, die ein menschenwürdiges Existenzminimum garantieren sollen, senkten diese unter die Grenze des menschenwürdigen oder könnten sie gar auf Null reduzieren. Pollmann meint, schon das "menschenwürdige Existenzminimum" sei eine fragwürdige Konstruktion, da menschenwürdig eben nicht nur die Existenz als Überleben sei. Vergfassungskonforme Sanktionen durch Geldabzug setzten eine signifikante Erhöhung des Regelsatzes voraus. Er schlägt "positive Sanktionen" durch Belohnung von gelungener Kooperation vor.
Terror-Tourismus-Resolution: Rechtsprofessor Kai Ambos kritisiert in der FAZ die UN-Resolution 2178. Terrorismus sei nicht definiert. Das hätte mit Bezugnahme auf die bestehende Resolution 1566 erreicht werden können und ist gefährlich, weil es die scheinbar UN-rechtlich abgesegnete Unterdrückung innerstaatlicher Opposition ermögliche. Auch bleibe ungeklärt wie eine terroristische Absicht bei Aus- oder Einreise erkennbar sein soll. Das leiste Diskriminierung Vorschub. Ebenso sei unklar, wer nach welchen Kriterien über die Fluggastdatenübermittlung entscheide. Die deutschen strafrechtlichen Regeln seien jedenfalls ausreichend. Weitergehende Verbote einer Ausreise mit bestimmter Absicht seien wohl verfassungswidrig.
Dschihaddistenstempel? Am heutigen Donnerstag will sich Innenminister Thomas de Maizière zu seinen Plänen zur Kontrolle der Aus- und Einreise deutscher Dschihaddisten äußern, berichtet die FAZ (ahan/elo). Experten kritisieren den möglichen Plan einer Markierung von Pass oder Personalausweis als zu tiefen und nicht notwendigen Eingriff mit Stigmatisierungswirkung. Daten bei den Kontrollstellen zu hinterlegen sei gleichermaßen effektiv. An anderer Stelle weist die FAZ (Eckart Lohse) auf die bereits bestehende Möglichkeit des Passentzuges hin. Auch die Überlegungen zum Verlust der Staatsangehörigkeit und deren Grenzen werden dargestellt sowie die wohl favorisierte Lösung des Austausches von Personalausweis und Pass gegen ein Identifizierungsdokument was keinen Grenzübertritt ermöglicht.
Geregelte Immigration: Das Handelsblatt (Jan Dirk Hebermann und andere) setzt sich mit den Problemen des Flüchtlingszustroms nach Europa auseinander und den dazu diskutierten Lösungen. Ob nun der Vorschlag zu bestimmende Kontingente auf die einzelnen EU-Mitgliedstaaten zu verteilen oder Überlegungen zur Einbeziehung von Unternehmen und Bildungseinrichtungen in eine langfristige Flüchtlingspolitik, einig sind sich alle, dass es langfristig und geordnet zugehen muss.
Justiz
BVerfG zu Doktortitelentzug: Das Bundesverfassungsgericht hat laut lto.de entschieden, dass der Begriff "unwürdig" in der baden-württembergischen Regelung zum Entzug des Doktortitels sich hinreichend durch die Fachgerichte bestimmen lasse. Die Doktorwürde, "Wesen und Bedeutung des akademischen Grads", böten den Maßstab.
BGH zu Null Prozent-Finanzierung: Ein Verbraucher, der sich von einer Bank zu null Prozent einen Kauf finanzieren lässt, um ihn dann bei der Bank in Raten abzubezahlen, schließt keinen Verbraucherdarlehensvertrag, entschied der Bundesgerichtshof laut lto.de. Damit greift der Einwendungsdurchgriff des Verbraucherdarlehens nicht. Der Verbraucher muss sich bei mangelhafter Kaufsache an den Verkäufer halten und kann gegenüber der Bank nicht die Ratenzahlung verweigern.
BGH zu Ausgleich für Flugverspätungen: Der Bundesgerichtshof hat laut lawblog.de (Udo Vetter) entschieden, dass wegen Flugverspätung neben einer Ausgleichszahlung nach Unionsrecht keine Minderung nach deutschem Recht geltend gemacht werden kann. Beides gleiche entstandene Unannehmlichkeiten aus und das könne nicht doppelt verlangt werden.
OLG München – Fall Stjepan Đureković: Die Zeit (Daniel Müller) schreibt zum Prozess um den Tod des kroatischen Regimegegners Stjepan Đureković, der 1983 in München erschossen wurde. Es werden Hintergründe zum Fall, zur Person des Opfers und den wegen Beihilfe zum Mord angeklagten Geheimagenten dargestellt. Weiter wird auf die Ermittlungsarbeiten eingegangen und warum nun das Oberlandesgericht München von überwiegender Verurteilungswahrscheinlichkeit ausgeht und die Anklage zuließ.
Klagen von Atomkonzernen: Die SZ (Markus Balser) schreibt zu verschiedenen am Mittwoch eingereichten Klagen des Atomkonzerns Eon und weiteren bereits verhandelten und noch geplanten Klagen auch anderer Atomstromerzeuger. Zum einen wird Schadensersatz gefordert, wegen der angeordneten Abschaltung älterer Kraftwerke nach der Katastrophe in Fokushima 2011. Zum anderen geht es um die Abwendung, der nach dem geänderten Atomgesetz von den Konzernen zu tragenden Kosten für eine Lagerung des Atommüll, der nun nicht mehr in Gorleben zwischengelagert werden darf.
BGH zu Speer E-Mails: Rechtsanwalt Martin W. Huff schreibt auf lto.de nun ausführlich über die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom Dienstag zur Zitation aus privaten E-Mails des ehemaligen brandenburgischen Innenministers Rainer Speer durch Zeitungen des Springer-Verlags. Die Entscheidung sei im Hinblick auf bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie des BGH nicht überraschend.
Sonstiges
Transparenzportal Hamburg: Mit dem Transparenzgesetz von 2012 hatte Hamburg die Veröffentlichung sämtlicher Daten und Dokumente der Verwaltung beschlossen. Das Gesetz tritt als Ersatz des bisherigen Informationsfreiheitsgesetz am 6. Oktober in Kraft und seit dem 1. Oktober ist das bisher einmalige Transparenzportal online, berichtet lto.de.
Unionsrechtswidrige Subventionen: Die EU-Kommission gab am Mittwoch ihre Entscheidung über mehrere Fälle umstrittener Subventionen bekannt, meldet die FAZ (tifr/wmu). Danach verstießen die in Rheinland-Pfalz für die Errichtung eines Freizeitparks am Nürburgring gezahlten Millionenbeträge gegen europäisches Beihilferecht ebenso wie die Zahlungen für den Flughafen Zweibrücken. Zahlungen für den Flughafen Hahn hingegen wurden gebilligt. Aufgrund der Insolvenz der Unternehmen, welche die Beihilfen erhalten hatten, werden diese jedoch nicht mehr zurückgezahlt. Der Erwerber des Nürburgrings hafte insofern nicht und der Verkauf sei rechtmäßig im Bieterverfahren erfolgt.
NSU/NSDAP-CD: Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat nun bestätigt, dass der im April dieses Jahres verstorbene V-Mann "Corelli" seinem V-Mann-Führer bereits 2005 eine CD übergeben hatte, auf der sich eine Datei mit dem Titel "NSDAP/NSU" befand, berichten die Welt und die taz (Christian Rath). Erst jetzt will der Verfassungsschutz die CD bei den Asservaten des V-Mann-Führers gefunden haben. Ob sie mit der bereits aufgetauchten CD fast gleichen Titels identisch ist, ist noch nicht klar und damit auch, ob sich aus ihr Erkenntnisse zum NSU ergeben hätten. Die mit dem NSU befassten Abgeordneten fordern Aufklärung und fragen, ob bewusst etwas verschwiegen wurde.
Nichtaussage-Genehmigung? Netzpolitik.org veröffentlicht eine Aussagegenehmigung wie sie den Bundesnachrichtendienstmitarbeitern für ihre Aussage vor dem NSU-Untersuchungsausschuss erteilt wird. Dazu werden die Antworten von Ausschussmitgliedern aufgeführt auf die Frage, ob sie die Genehmigung so für gerechtfertigt halten und welche Schlüsse sie daraus ziehen.
Urgrund des 3. Oktober: Heribert Prantl (SZ) kommentiert zu dem, was am 3. Oktober gefeiert wird: Der Urgrund sei die friedliche Montagsdemonstration am 9. Oktober 1989. Der Freiheitswille habe den Einheitswillen ermöglicht. "Es ist zu oft geschossen worden in Deutschland. Freuen wir uns darüber, dass das am Wendetag jüngerer deutscher Geschichte nicht geschah."
Das Letzte zum Schluss
Wer nutzen will, muss vorher fragen: Nach dem Leistungsschutzrecht darf Google keine sogenannte Snippets – Artikelausschnitte aus Medien im Wortlaut – ohne Erlaubnis anzeigen. Google hat sich nicht daran gehalten und wurde von der Verwertungsgesellschaft Media auf Zahlung von Vergütung für die Veröffentlichung verklagt. Google verkündete nun, die Praxis bei diesen Verlagen aufzugeben und nur noch Artikelüberschriften zu verlinken. Darüber empörten sich die Verlage und meinten, Google wolle sie erpressen. Aber Google hat wohl nur eine Konsequenz aus dem PR-Spruch der Unternehmen "Wer nutzen will, muss vorher fragen" gezogen, wie Stefan Niggemeier (stefan-niggemeier.de) meint: "Wer nicht fragen will, nutzt nicht."
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/krü
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 2. Oktober 2014: Gesetzentwurf zu Mietpreisbremse – BVerfG zu Doktorwürde – Hamburger Transparenzportal . In: Legal Tribune Online, 02.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13372/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
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