Bibliotheken dürfen Bücher scannen und in Teilen den Download zulassen, sagt der BGH. Außerdem in der Presseschau: Wettanbieter bekommen keinen Schadensersatz, Bushido ist vielleicht doch kein Plagiator, ein pakistanischer Richter ordnet Ermittlungen wegen eines amerikanischen Drohnenangriffs an und die Karriere der idealen deutschen Juristin.
Thema des Tages
BGH zu Buchscanns in der Bibliothek: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Bibliotheken ihre Bücher einscannen und an digitalen Leseplätzen zur Verfügung stellen dürfen. Außerdem dürfen sie es Nutzern erlauben, Buchteile auf USB-Sticks herunterzuladen und mitzunehmen. Zu wissenschaftlichen und privaten Zwecken dürfen Kopien gefertigt werden, auch digitale. Der Download steht dem gleich. Es berichtet die Badische Zeitung (Christian Rath).
Rechtspolitik
Tarifeinheit: Die Gründe für den geplanten Erlass eines Tarifeinheitsgesetzes, seinen Regelungsgehalt und die geäußerte Kritik rekapituliert Rechtswissenschaftler Hans Bechtolf (juwiss.de).
Weitere Streikrechtsbeschänkung: In einem der FAZ (Dietrich Creutzburg) vorliegenden Eckpunktepapier fordert der Wirtschaftsflügel der Union über den vorliegenden Gesetzentwurf zur Tarifeinheit hinaus, dass Arbeitskampfmaßnahmen zugunsten letztlich nicht anwendbarer Tarifverträge ausdrücklich für unzulässig erklärt werden. Außerdem soll im Bereich der Daseinsvorsorge – ausdrücklich auch Kinderbetreuung – das Streiken erst nach dem Scheitern eines zwingenden Schlichtungsverfahrens zulässig sein.
Vorratsdatenspeicherung: Thomas Stadler (internet-law.de) und Udo Vetter (lawblog.de) betonen in ihrer Kritik der geplanten Voratsdatenspeicherung ihre grundsätzliche Ablehnung anlassloser Speicherung, an welcher ihre geringere Dauer nichts ändere. Auch Nico Lumma wehrt sich auf bild.de prinzipiell gegen den "Generalverdacht". Die FDP-Politiker Wolfgang Kubicki und Gerhard Baum haben laut spiegel.de unabhängig voneinander bereits angekündigt zu klagen, sollte die geplante Regelung Gesetz werden.
Nudging: Auf verfassungsblog.de wird zum Schwerpunkt-Thema "Nudging: ein Juristenproblem?" diskutiert, von Rechtswissenschaftler Emanuel Towfigh und Ökonomieprofessor Christian Traxler (zur eher kritischen kontinentaleuropäischen Perspektive auf Nudging im Gegensatz zur angelsächsischen), Rechtswissenschaftler Georgios Dimitropoulos (zur Legitimität des Nudging – rechtlich, gesellschaftlich und speziell unter Juristen) und Rechtsprofessor Gunnar Folke Schuppert (warum Nudging keine ganz neue Idee ist und mit welchem Kontext die Diskussion dennoch fruchtbar sein kann).
"Schutzparagraf 112": Nach einer hessischen Bundesratsinitiative sollen Gewalttätigkeiten gegen Polizei und Feuerwehr mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren – in besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahren – bedroht werden, meldet die Welt.
"Erfahrungsjurist": Bayern will seine schönen Landschaften vor Strommasten schützen und dazu ein Verschandelungsverbot in das Landesentwicklungsprogramm aufnehmen. Mit Zustimmung der CSU liegen Planungshoheit und Zuständigkeit für Planfeststellungsverfahren für Stromtrassen aber – bundesrechtlich geregelt – bei der Bundesnetzagentur. Die FAZ (Albert Schäffer) schreibt vor diesem Hintergrund über die Rechtspolitik des selbsternannten "Erfahrungsjuristen" Horst Seehofer.
Justiz
BGH zu Vermieterkündigung bei Zutrittsverweigerung: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein Vermieter fristlos kündigen kann, wenn der Mieter ihm den Zutritt zur Wohnung für bedeutsame Instandsetzungsarbeiten verweigert. Er muss auch nicht zunächst auf Duldung der Instandsetzung klagen, sondern kann direkt kündigen und gegebenenfalls auf Räumung klagen, berichtet nun auch Rechtsanwalt Dominik Schüller auf lto.de.
BGH zu Schadensersatz für Wettanbietern: 2010 hatte der Europäische Gerichtshof das staatliche Sportwettenmonopol Deutschlands für unionsrechtswidrig erklärt. Weil ihnen – bereits vor dieser Entscheidung – das Anbieten von Sportwetten untersagt worden war, klagten mehrere Anbieter auf Schadensersatz. Der Bundesgerichtshof hat nun die Klage abgewiesen, da die Rechtslage unklar gewesen sei und daher kein vorwerfbarer Rechtsverstoß der untersagenden Kommunen vorgelegen habe, berichtet die SZ (Wolfgang Janisch).
BVerwG zu Nazi-Enteignung: Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem seit 1990 andauernden Rechtsstreit einem nun 99-Jährigen ein in der Nazizeit enteignetes Grundstück wieder zugesprochen. Welt.de (Sven Eichstädt) berichtet auch über die dem Streit zugrundeliegende Frage, wann die Enteignung stattgefunden hat. Eine spätere Enteignung hätte nicht zur Rückgabe geführt.
BAG zu Vorteilen für Gewerkschaftsmitglieder: Das Bundesarbeitsgericht hat – abweichend von früherer Rechtsprechung – eine tarifvertragliche Regelung für rechtmäßig erklärt, nach welcher Arbeitnehmer, die seit einem bestimmten Stichtag Gewerkschaftsmitglieder waren, bei einer betriebsbedingten Kündigung höhere Leistungen als Nichtmitglieder erhielten. Rechtsprofessor Michael Fuhlrott bespricht die Entscheidung auf lto.de und meint, sie sei ergebnisorientiert und "weniger Rechtsfindung als vielmehr Ausfluss sozialpolitischer Betätigung".
BGH zu Plagiatsvorwürfen gegen Bushido: Im Verfahren gegen den Rapper Bushido wegen des Vorwurfs der Urheberrechtsverletzung hat der Bundesgerichtshof das Urteil der Vorinstanz aufgehoben und zurückverwiesen, wie taz.de (Christian Rath) berichtet. Durch Sachverständigengutachten sei zu klären, ob die für urheberrechtlichen Schutz erforderliche schöpferische Eigentümlichkeit der kurzen Musiksequenzen von etwa zehn Sekunden – die Bushido als Tonschleife ("Loop") verwendete – nach objektiven Kriterien bestimmt werden könne.
FG Münster zu Sky-Abo: Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass auch ein Fußballprofi sein Fußball-Abo im Bezahlfernsehen nicht als Werbungskosten absetzen kann, meldet lto.de.
LG Essen - Haftprüfung Middelhoff: Mit Blick auf die anstehende Entscheidung des Landgerichts Essen über Thomas Middelhoffs Haftprüfung fasst das Handelsblatt (Hans-Jürgen Jakobs/Jan Keuchel/Volker Votsmeier) die Debatte um dessen Haftbedingungen zusammen.
LG Hamburg – Berufung wegen Margarine-Werbung: Unilever hat angekündigt, Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg zum Verbot der becel pro.activ-Werbung "20 Prozent weniger Cholesterin" einzulegen. Das meldet die Welt.
StA Hamburg – Ermittlungen gegen KZ-Aufseherin: Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat ein Ermittlungsverfahren gegen eine ehemalige KZ-Wächterin eingeleitet, die 1945 bei einem Todesmarsch dabei gewesen sein soll, bei dem 1.400 von 2.000 Frauen ums Leben kamen. Das meldet die taz.
Europäische Justiz gegen CIA-Folter: In seiner Kolumne auf zeit.de begrüßt Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck die sich in Europa zeigende Entwicklung des Umgangs mit den CIA-Tätigkeiten im "Krieg gegen den Terror". Er zeigt verschiedene mittlerweile – auch in Deutschland – geführte Ermittlungs- und Gerichtsverfahren auf.
Recht in der Welt
Pakistan – Ermittlungen gegen CIA: Auf die Klage des Angehörigen zweier durch eine amerikanische Drohne Getöteter hat ein pakistanischer Richter Ermittlungen gegen zwei CIA-Mitarbeiter angeordnet, berichtet die taz (Sven Hansen). Die CIA-Mitarbeiter halten sich in den USA auf. Dennoch könne die Entscheidung die Diskussion um den völkerrechtlichen Umgang mit Drohnenangriffen befördern, meint Sven Hansen (taz).
Schweiz – Ehe light: Auch wer nicht heiraten will, hat häufig Interesse an einem offiziellen Beziehungsstatus. Die SZ (Charlotte Theile) schreibt zu Überlegungen in der schweizerischen Bundespolitik, einen Zivilpakt ähnlich dem französischen 'Pacs' einzuführen.
Frankreich – Google-Gesetzentwurf: Nach einem Vorschlag der zweiten Kammer des Französischen Parlaments sollen Suchmaschinen wie Google gesetzlich zu Neutralität verpflichtet werden und eigene Angebote in der Anzeige nicht bevorzugen dürfen. Außerdem sollen sie die Kriterien für die Reihenfolge der Suchergebnisse offenlegen, meldet die FAZ.
USA – GM haftet nicht: Ein Gericht in New York hat entschieden, dass General Motors (GM) keinen Schadensersatz wegen der durch defekte Zündschlösser verursachten – teilweise tödlichen – Unfälle zahlen muss. Nach dem Insolvenzverfahren müsse das jetzige Unternehmen nicht für die Fehler vor der Insolvenz haften, melden SZ und spiegel.de.
Sonstiges
Margrethe Vestager: Das Handelsblatt (Ruth Berschens) porträtiert die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager vor dem Hintergrund ihres Kampfes um die Bändigung des allmächtigen Konzerns Google – die "Frau, die den Siegeszug des US-Internetgiganten stoppen will". Auch die FAZ (Werner Mussler) bringt ein Porträt.
Das Letzte zum Schluss
Fachspezialisierung gibt es nicht: Der ideale deutsche Jurist ist Rechtsexperte in allen Gebieten gleichzeitig. Eine Spezialisierung kennt er nicht und er kann auch nach jahrelanger strafrechtlicher Tätigkeit im vertieften Zivilrecht mitreden. Er wird also auch nicht verstehen, warum sich Rechtsanwalt Carsten R. Hoenig (kanzlei-hoenig.de) über die Karriere einer Staatsanwältin wundert, die Richterin beim BGH wurde - im VII. Zivilsenat.
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Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/krü
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 17. April 2015: Download in der Bibliothek – Gestärkte Vermieterrechte – Pakistanische Ermittlungen gegen CIA . In: Legal Tribune Online, 17.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15266/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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