In der Abgas-Affäre muss sich VW nun auch gegen den norwegischen Staatsfonds verteidigen. Außerdem in der Presseschau: Bundestag erweitert die Liste sicherer Herkunftsstaaten, StA erhält Abmahnung und schlechte Zeiten für Serienanwalt.
Thema des Tages
Norwegen – VW: Das juristische Nachspiel der Abgas-Affäre von VW setzt sich fort: Über das Wochenende erklärten Vertreter des Staatlichen Pensionsfonds Norwegens, größter Staatsfonds der Welt und Anteilseigner des Autokonzerns, zur Sicherung von Ansprüchen vor Gericht ziehen zu wollen. Der durch die Enthüllungen entstandene Schaden des Fonds, der mit 1,64 Prozent stimmberechtigter Anteile an VW beteiligt ist, solle Hunderte Millionen Euro betragen, schreibt die Dienstags-FAZ (Carsten Germis). Nach einem separaten Kommentar von Carsten Germis (Dienstags-FAZ) belegt die Ankündigung das gewachsene "Misstrauen in das (Krisen-)Management von VW". Das "goldene Quartett aus Eigentümerfamilien, Gewerkschaften, dem Land Niedersachsen … und dem Management" handle seine Interessen nach wie vor im Geheimen und im Widerspruch zur "versprochenen rückhaltlosen Aufklärung des Skandals" aus.
Rechtspolitik
Sichere Herkunftsstaaten: Über die am Freitag im Bundestag beschlossene Einstufung der Länder Marokko, Tunesien und Algerien als asylrechtlich sichere Herkunftsstaaten berichtet u.a. die Samstags-FAZ (Johannes Leithäuser). Zur Kritik der Opposition habe Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU) in der Parlamentsdebatte erklärt, dass die bloß "abstrakte Androhung der Todesstrafe" oder die "abstrakte Strafbarkeit von Homosexualität" für sich genommen keine Asylgründe seien. Günther Nonnenmacher (Samstags-FAZ) hält dies in einem Kommentar für "vernünftig". Die aktuell geringe Anerkennungsquote von Asylewerbern aus den genannten Staaten belege, dass "fast alle Antragsteller Wirtschaftsmigranten sind". Nun würden "Fehlanreize" beseitigt. Für Annett Meiritz (spiegel.de) dagegen ergibt die wachsende Zahl sicherer Herkunftsstaaten eine "Liste ohne Sinn". Die Aufnahme folge innenpolitischen Erwägungen der Regierung, sei willkürlich und treffe die Falschen: Wer sich auf eine kriminelle Existenz im Untergrund einrichte, lasse sich auch von der Regelung nicht abschrecken. Nötig seien "ein kluges Einwanderungsgesetz", Konsequenz bei Abschiebungen und "fitte Behörden und Kommunen".
Maas zu AfD: Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) bezeichnet nach einer Meldung von welt.de die AfD in einem am heutigen Dienstag auf spiegel.de erscheinenden Gastkommentar als "nationalistisch, autoritär und frauenfeindlich". Das jüngst beschlossene Grundsatzprogramm der Partei belege, dass sie ein "Deutschland von vorgestern" plane.
§ 175 StGB a.F.: Der Spiegel (Dietmar Hipp) befragt den ehemaligen Bundesanwalt und Schwulenaktivisten Manfred Bruns zur geplanten Aufhebung von Verurteilungen nach § 175 Strafgesetzbuch a.F. und ob Vergleichbares auch wegen des bis 1973 geltenden, sogenannten Kuppelparagrafen angezeigt sei.
§ 103 StGB: Die am vergangenen Freitag im Bundesrat erfolgte Ablehnung der sofortigen Streichung des § 103 Strafgesetzbuch begrüßt Reinhard Müller (Samstags-FAZ) in einem Kommentar. In der "rasanten Staatskomödie" um "das berühmteste Schmähgedicht der Zeitgeschichte" werde regelmäßig der tatsächliche Schutzzweck der Norm vergessen, was sich auch daran zeige, dass die Regierung öffentlichkeitswirksam mit der Abschaffung einer angeblichen "Majestätsbeleidigung" zu punkten versuche.
Leiharbeit/Werkverträge: Nun auch auf lto.de gibt Alexander Bissels einen Überblick zu den geplanten Neuregelungen zu Leiharbeit und Werkverträgen, auf die sich die Große Koalition verständigt hat. Der Rechtsanwalt hält den erzielten Konsens für "inhaltlich immer noch nicht" überzeugend, weil "strukturelle Probleme des geplanten Gesetzesvorhabens" nach wie vor ungelöst blieben.
Sexualstrafrecht: Die große Koalition will die geplante Verschärfung des Sexualstrafrechts noch vor der Sommerpause durchsetzen, meldet die FAS (Peter Carstens). Hierzu gehöre nach den Worten der rechtspolitischen Sprecherin der Unionsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker, eine Umsetzung des "Nein heißt Nein"-Prinzips und die Strafbarkeit des sogenannten "Begrapschens". Die in den letzten Monaten diskutierten Entwurfsvarianten und die jeweilige Position des Justizministers zeichnet die Dienstags-taz (Tobias Schulze) nach.
Unfall-Gaffer: Am vergangenen Freitag brachte Niedersachsen einen Gesetzentwurf in den Bundesrat ein, nach dem die Behinderung von "Feuerwehr, Katastrophenschutz und Rettungsdiensten" am Unglücksort als Vergehen strafbar sein soll. Verhindert werden sollten vor allem "Gafferpraktiken", gibt die Samstags-taz (Christian Rath) Innenminister Boris Pistorius (SPD) wieder. In einem Kommentar behauptet Christian Rath im Kölner Stadtanzeiger vom Samstags, dass der Vorschlag zu kurz greife. Zum einen gebe es auch andere, vom Entwurfstext nicht erfasste, gefährliche Verhaltensweisen an Unfallstellen. Zum anderen existiere bei bestehenden Sanktionsmöglichkeiten, etwa der Erteilung von Platzverweisen, ein Vollzugsdefizit. Hieran würde wohl auch ein Strafgesetz nichts ändern.
Familiengerichtliche Gutachten: In einem Gastkommentar für die Samstags-SZ fordert Anja Kannegießer, Rechtsanwältin, verstärkte Investitionen zur Qualitätssicherung von familiengerichtlichen Gutachten. Neben aktuellen Gesetzentwürfen zur Reform des Sachverständigenrechts und Mindestanforderungen an Gutachten im Kindschaftsrecht bedürfe es auch der Unterstützung einschlägiger Forschung u.a. durch Wiedereinrichtung rechtspsychologischer Professuren.
Störerhaftung/Abmahnungen: netzpolitik.org (Constanze Kurz) befragt die auf Datenschutz und Kommunikationsrecht spezialisierte Rechtsanwältin Beata Hubrig zum praktischen Vorgehen gegenüber Abmahnungen wegen vermeintlicher Urheberrechtsverletzungen sowie ihrer Meinung zur geplanten Abschaffung einer pauschalen Störerhaftung von WLAN-Anbietern.
E-Akte in Strafsachen: Detlef Burhoff (burhoff-blog.de) macht aufmerksam auf den von der Bundesregierung vor zwei Wochen beschlossenen Gesetzentwurf zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen, die ab 2018 möglich und ab 2026 verpflichtend sein soll.
Justiz
EuGH – Speicherung von IP-Adressen: Zu den Schlussanträgen von Generalanwalt Sanchez-Bordona aus der vergangenen Woche in der beim Europäischen Gerichtshof anhängigen Sache des Landtagsabgeordneten Patrick Breyer (Piraten) gegen die Bundesrepublik stellt nun auch Rechtsprofessor Rolf Schwartmann auf lto.de Fall und Problematik der vom Bundesgerichtshof vorgelegten Fragen ausführlich dar.
BGH zu Störerhaftung/Filesharing: Der "Rundumschlag" des Bundesgerichtshofs vom letzten Donnerstag, sechs Entscheidungen zur umstrittenen Störerhaftung in Filesharing-Fällen, beeindruckt Rechtsanwalt Carl Christian Müller auf lto.de nur mäßig. Insbesondere die Feststellung, Anschlussinhaber hafteten ohne besondere Anhaltspunkte nicht für das illegale Filesharing durch andere Nutzer, nehme lediglich die baldige Gesetzeslage vorweg.
OLG Düsseldorf – Reker-Attentat: Über das Strafverfahren wegen des Anschlags auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf schreibt die Samstags-SZ (Annette Ramelsberger). Zu Beginn des vierten Verhandlungstages habe der Angeklagte erklärt, seine Verteidiger loswerden zu wollen. Der ungewöhnlich vorgetragene Wunsch – der Angeklagte erklärte auf einem handgeschriebenen Zettel, er suche einen "mutigen, "rechten" Pflichtverteidiger auch für Revision" ist auch Thema im Bericht der Dienstags-FAZ (Reiner Burger). Die Verhandlung werde am heutigen Dienstag fortgesetzt. Ein psychiatrisches Gutachten des Angeklagten sei für Mitte Juni geplant.
OVG Münster – Gorch Fock-Unglück: Das Oberverwaltungsgericht Münster hat in der Entschädigungssache der Eltern der 2008 auf der "Gorch Fock" verunglückten Kadettin Jenny Böken gegen die Bundesrepublik einen Verhandlungstermin Mitte September bestätigt, meldet spiegel.de. Bislang waren alle Versuche, die genauen Umstände ihres Todes gerichtlich klären zu lassen, gescheitert.
LG Frankfurt – S&K: Im Betrugsverfahren gegen sechs Manager des Anlageunternehmens S&K vor dem Landgericht Frankfurt/M. hat sich am vergangenen Freitag ein erster Angeklagter geständig eingelassen. Weil für die Einlassung die Vernehmung eines anderen Angeklagten unterbrochen wurde, stellte dessen Verteidigung einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht, berichtet die Samstags-SZ (Markus Zydra). In einer Reportage beschreibt die FAS (Denise Peikert) besonders krasse Beispiele des von den beiden S&K-Gründern gepflegten Luxuslebens und versucht dabei auch psychologisch zu ergründen, "warum Betrüger immer so übertreiben müssen".
LG Münster – "Übertötung": Vor dem Landgericht Münster ist eine Heranwachsende wegen des Mordes an ihrer Ex-Freundin angeklagt. Nach dem Bericht des Spiegel (Julia Jüttner) kann die durch Brutalität und Zerstörungswut gekennzeichnete Tat als sogenannten "Übertötung", bei dem ein wehrloses oder bereits totes Opfer weiter malträtiert oder erniedrigt wird, gekennzeichnet werden. Die gutachterlich festgestellte eingeschränkte Schuldfähigkeit der Angeklagten könnte zu ihrer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus führen, schreibt die FAS (Philip Eppelsheim) in einer Reportage zum Fall.
LG Detmold – SS-Wachmann: Im Strafverfahren gegen einen früheren SS-Mann vor dem Landgericht Detmold lehnte das Gericht am vergangenen Freitag die Zeugenvernehmung eines früheren Mitglieds des sogenannten Sonderkommandos ab, weil er nichts "Aufhellendes zum Verfahren beitragen" könne, berichtet bild.de (Michael Manske/Frank Schneider). Nach Befangenheitsanträgen mehrerer Nebenkläger wurde das Verfahren unterbrochen.
LG Neubrandenburg – SS-Mann: Die Terminplanung im Verfahren gegen einen wegen seiner früheren SS-Sanitätsdiensttätigkeit im KZ Auschwitz angeklagten 95-Jährigen ist nach Aussage des Landgerichts Neubrandenburg "wohl unglücklich gelaufen". Weil eine gesundheitliche Untersuchung des Angeklagten über die Feiertage wohl nicht mehr rechtzeitig ausgewertet werden könne, wurde der für den heutigen Dienstag angesetzte Verhandlungsbeginn abgesagt. Die Samstags-SZ (Hans Holzhaider) berichtet.
Schiedsgerichtshof zu EnBW-Deal: Baden-Württemberg erhält den vom Land geleisteten Kaufpreis für Anteile des Energieversorgers EnBW auch nicht teilweise zurück. In der vergangenen Woche wies der Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer eine entsprechende Klage ab. Die Samstags-SZ (Max Hägler) berichtet.
StA Berlin – Artemis: Mitte April legte eine Razzia den Geschäftsbetrieb des Berliner Großbordells Artemis vorübergehend lahm. Die nachfolgende Pressekonferenz der Berliner Staatsanwaltschaft könnte nun noch ein juristisches Nachspiel haben. Wie die Samstags-Welt (Michael Behrendt) schreibt, wurde die Anklagebehörde im Auftrag der beschuldigten Betreiber abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Die von der StA zu den Ermittlungen abgegebenen Erklärungen seien "unsachlich, reißerisch, unausgewogen und stark vorverurteilend" gewesen.
StA Düsseldorf – WestLB/Cum-Ex: Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt nun auch gegen frühere Mitarbeiter der abgewickelten WestLB wegen Steuerhinterziehung durch sogenannte Cum-Ex-Geschäfte. Bislang hatte die Portigon AG als Rechtsnachfolgerin der Bank jegliche Beteiligung an derartigen Steuermodellen bestritten, schreibt das Hbl (Sönke Iwersen/Volker Vorsmeier).
Gerhard Strate: In ihrem Geld-Teil befragt die FAS (Corinna Budras) Gerhard Strate, als "einen der teuersten Strafverteidiger", zu seiner Gebührenpraxis, Pro-Bono-Mandaten und privaten Anschaffungen.
Recht in der Welt
Luxemburg – Lux-Leaks: Im luxemburgischen Strafprozess gegen Whistleblower, die die Lux-Leaks verantwortet haben sollen, wird ein Urteil am 29. Juni verkündet. Dies berichtet der Spiegel (Christoph Pauly) in einer Reportage zu den in der vergangenen Woche gehaltenen Plädoyers.
Türkei – Can Dündar: Die Samstags-taz (Jürgen Gottschlich) interviewt den in der vorletzten Woche wegen Geheimnisverrat zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilten Journalisten Can Dündar. Der "Lieblingsfeind" des türkischen Präsidenten geht davon aus, dass ein endgültiges Urteil in dem Verfahren gegen ihn und seinen Kollegen Erdem Gül erst durch den Europäischen Gerichtshof gefällt werden wird.
Sonstiges
Christoph Möllers: zeit.de (Daniel Erk) veröffentlicht ein aus seiner Beilage Zeit Campus Magazin vom April stammendes Interview mit Christoph Möllers. Der Rechtsprofessor erläutert seine Position zur Vorratsdatenspeicherung, sein Mandat im NPD-Verbotsverfahren und das Spannungsverhältnis aus beiden Aspekten.
Verwahrungsbruch: Nach einer Meldung des Spiegel (Klaus Wiegrefe, Kurzmeldung) verlangt das Bundeskanzleramt von der Helmut-und-Loki-Schmidt-Stiftung die Herausgabe von Akten, die der frühere Bundeskanzler während seiner Dienstzeit mit nach Hause genommen habe. Derartiges wäre auch bei anderen Politikern üblich und geduldet gewesen, tatsächlich aber als Verwahrungsbruch strafbar.
BMJ: Die Samstags-FAZ (Majid Sattar) meldet den Wechsel der bisherigen stellvertretenden Regierungssprecherin Christiane Wirtz (SPD) in das Amt der Staatssekretärin ins Bundesjustizministerium.
Mietpreisbremse: Wie Mieter vorzugehen haben, die Ansprüche aus der vor einem Jahr eingeführten Mietpreisbremse geltend machen wollen, legt die Dienstags-SZ (Wolfgang Janisch) dar.
Das Letzte zum Schluss
Schlechte Zeiten: Am morgigen Mittwoch feiert die RTL-Soap "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten" ihre 6000. Ausgabe. Fast seit Anfang an dabei ist Wolfgang Bahro, der als Anwalt Jo Gerner den Bösewicht der Show mimt. Ein 'Berufsverband der Rechtsjournalisten' hat nach einer Meldung von bild.de nun nachgezählt und herausgefunden, dass die Figur in 23 Jahren Serienleben 44 Mal straffällig geworden ist und hierfür bis zu 200 Jahre Haft zu erwarten hätte.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 14. bis 17. Mai 2016: Norwegen ./. VW / Sicheres Maghreb / Abgemahnte StA . In: Legal Tribune Online, 17.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19263/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag