Die Endlagerung von Atommüll wird neu geregelt. Außerdem in der Presseschau: Keine Diskriminierung von NPD-Anwalt, RWE haftet nicht für Klimawandel, polnische Regierung gegen Verfassungsgericht und neuer Geheimdienstbeauftragter.
Thema des Tages
Atommüll-Pakt: Der Bundestag hat die Vereinbarungen der Bunderegierung mit AKW-Betreibern gebilligt und einem Gesetzentwurf zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung zugestimmt. Unter anderem die SZ (Michael Bauchmüller) und die FAZ (Andreas Mihm) stellen den Entsorgungs-Deal vor. Danach soll ein öffentlich-rechtlicher Fonds gegründet werden, der die Kosten der Endlagerung des Atommülls tragen soll. In diesen zahlen AKW-Betreiber 23,6 Milliarden Euro aus ihren Rücklagen ein. Im Gegenzug wird künftig ausschließlich der Staat für die Endlagerung des Atommülls verantwortlich sein. Zwar bleiben die Unternehmen für Stilllegung, Abriss und Verpackung des Atommülls zuständig. Doch sind sie nach Einzahlung der Summe von einer Nachhaftung befreit. Bei höheren Kosten muss der Steuerzahler einstehen. Die Bundesregierung soll noch über die Rücknahme der letzten verbleibenden Klagen der Unternehmen wegen Atomausstiegs und der Brennelementesteuer verhandeln.
Michael Bauchmüller (SZ) kritisiert, dass mit der Vereinbarung den Unternehmen die Flucht aus der Verantwortung für ihre radioaktiven Hinterlassenschaften eröffnet wird.
Rechtspolitik
Fake News: Justizminister Heiko Maas (SPD) hat eine gesetzliche Regelung zu "Fake News" abgelehnt, er wolle keine "Wahrheitskommission" einführen. netzpolitik.org (Markus Reuter) fasst die Berichterstattung zum Thema zusammen.
Kopftuch bei Gericht: Rechtsanwalt Klaus Staeck begrüßt in der SZ den Vorstoß der baden-württembergischen Landesregierung, ein Gesetz für Neutralität bei Gerichten und Staatsanwaltschaften einzuführen: "Wir sind es unserem Rechtssystem schuldig, dass die bewährten Regeln des säkularen Staates nicht wegen einer Mischung aus Harmoniesucht und Leichtfertigkeit gelockert oder gar zur Disposition gestellt werden." Im Interesse der Rechtssicherheit bedürfe es einer bundeseinheitlichen Regelung.
Wahlrechtsreform: Wie die SZ meldet, sucht die Regierungskoalition nach einem Treffen mit der Bundestagsverwaltung weiterhin nach einem geeigneten Modell zur Begrenzung der Bundestagsmandate. Das Alternativmodell mit einem neuen Berechnungsschlüssel für die Abgeordnetenzahl sei "wieder vom Tisch".
Bundesverfassungsgericht: Die FAZ (Reinhard Müller) berichtet von der Feierstunde im Bundesverfassungsgericht anlässlich der Verabschiedung der beiden Bundesverfassungsrichter Herbert Landau und Reinhard Gaier sowie der Amtseinführung der Nachfolgerinnen Christine Langenfeld und Yvonne Ott. Zusammengefasst werden die Würdigungen und Dankesreden der beiden scheidenden Verfassungsrichter.
Justiz
BGH zu NPD-Anwalt: Der NPD-Anwalt Peter Richter ist vor dem Bundesgerichtshof mit einer Klage gegen seine Ablehnung als Stipendiat durch die Studienstiftung des Saarlands gescheitert. Wie lto.de (Pia Lorenz) darstellt, machte er geltend, dass seine Bewerbung in der Studienzeit aufgrund seiner NPD-Mitgliedschaft abgelehnt worden sei. Der BGH hat die Anträge auf Neubescheidung und Feststellung der Rechtswidrigkeit wegen Unzulässigkeit abgewiesen. Nun will der Anwalt auf Schadensersatz klagen. Der BGH habe jedoch nicht erkennen lassen, dass ein Urteil in der Sache Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, schreibt die taz (Christian Rath).
BAG zu FB-Auftritt: Die Entscheidung des BAG zum Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Facebook-Präsenz von Unternehmen analysiert nun Rechtsanwalt Bernd Weller für das Handelsblatt-Rechtsboard. Ein solches besteht, wenn der Arbeitgeber sich entschließt, Postings unmittelbar zu veröffentlichen, die sich nach ihrem Inhalt auf das Verhalten oder die Leistung einzelner Beschäftigter beziehen.
StA Freiburg – Sexualmord: Nach Abgleich von Fingerabdrücken steht fest, dass der Verdächtige im Fall der Ermordung von Maria L. in Freiburg bereits in Griechenland wegen Angriffs auf eine Frau zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war und nach vorzeitiger Entlassung untertauchte. Wie die SZ (Josef Kelnberger/Mike Szymanski) und Welt (Boria Kálnoky) berichtet, sieht Innenminister Thomas de Mazière (CDU) die Verantwortung bei griechischen Behörden, weil Hussein K. nicht zur internationalen Fahndung ausgeschrieben worden war. Er fordert nun die Verknüpfung europäischer Datenbanken. Griechenlands Justizminister verteidigte die vorzeitige Entlassung, weil sie europäischen Standards entspreche.
Für Roland Preuss (SZ) zeigt der Fall den mangelhaften Datenaustausch innerhalb der EU. Aufnahmeländer müssten wissen, ob ein Flüchtling eine schwer kriminelle Vergangenheit hat.
Neukölln-Attacke: Jost Müller-Neuhof (Tsp) kommentiert die öffentliche Fahndung im Fall der U-Bahn-Attacke auf eine Frau in Berlin. Öffentlichkeitsfahndungen und Auslobungen von Prämien könnten wie in diesem Fall die Flucht des Täters begünstigen und würden aus guten Gründen nachrangig eingesetzt.
LG Essen zu Klimawandel: Das Landgericht Essen hat die medial viel beachtete Klage eines peruanischen Landwirts gegen RWE für teilweise unzulässig und im Übrigen für unbegründet erklärt, wie lto.de meldet. Dieser hatte den Energiekonzern wegen Bedrohung seines Hauses durch eine mögliche – durch Erderwärmung verursachte – Überflutung verklagt. Wegen des komplexen Naturprozesses gebe es keine lineare Verursachungskette, urteilte das Gericht.
OLG München zu Gurlitt-Erbe: Im Erbscheinsverfahren um das Erbe des verstorbenen Kunstsammlers Gurlitt hat das Oberlandesgericht München die Wirksamkeit seines Testaments bestätigt. Damit geht die Kunstsammlung an das als Alleinerbe eingesetzte Kunstmuseum Bern. Provenienzforschung und Restitution von möglichen Raubkunstwerken soll möglich bleiben, wie die SZ (Jörg Häntzschel/Catrin Lorch) darstellt. In einem separaten Beitrag setzt sich die SZ (Andreas Zielcke) kritisch mit dem Gerichtsgutachten auseinander, das die Testiertfähigkeit Gurlitts bestätigt hatte.
LG Bremen – Mord durch Raser: Die SZ (Annette Ramelsberger) stellt den Mordprozess gegen einen Motorradfahrer aus Bremen vor, dem vorgeworfen wird bei einem illegalen Rennen einen Fußgänger getötet zu haben. Die Staatsanwaltschaft hat ihn wegen Mordes unter anderem aus niedrigen Beweggründen angeklagt, weil er durch das Rennen sein Geltungsbedürfnis auf Kosten anderer habe stillen wollen. Ein weiterer Mordfall im Zusammenhang mit illegalen Autorennen wird in Berlin verhandelt, wo ein unbeteiligter Verkehrsteilnehmer starb.
LG Berlin – KaDeWe-Raub: Die Welt (Daniel Mützel/Thomas Kieschnick) berichtet vom Prozess gegen die mutmaßlichen Drahtzieher hinter dem Raubüberfall auf das Kaufhaus KaDeWe vor zwei Jahren, bei dem Schmuck im Wert von 800.000 Euro entwendet worden war. Die Angeklagten sollen einem arabischen Clan angehören und für weitere Delikte wie einen missglückten Auftragsmord verantwortlich sein.
Weihnachtsamnestie: Die FAZ (Matthias Hertle) erläutert die Voraussetzungen der Weihnachtsamnestie in den einzelnen Bundesländern, wonach Strafgefangene aus Anlass der Weihnachtsfeiertage vorzeitig aus der Haft entlassen werden können.
Recht in der Welt
Polen – Verfassungsgericht: Wie die FAZ (Konrad Schuller) berichtet, will die nationalkonservative PiS-Regierung die Besetzung des Gerichts mit regierungsnahen Richtern mithilfe eines neuen Gesetzes beschleunigen. Da Andrzej Rzeplinski, der derzeitige Gerichtspräsident und scharfe Kritiker an den PiS-Übergriffen, bald in Ruhestand geht, will die Regierung die Wahl des neuen Gerichtspräsidenten so reformieren, dass eine PiS-nahe Richterin den Nachfolger vorschlagen kann. Nach der bisherigen Regelung wäre der jetzige Stellvertreter zuständig, der als Widersacher der Justizreformen gilt.
EGMR zu Lampedusa: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Italien wegen der Inhaftierung von drei Tunesiern in einer Aufnahmeeinrichtung auf der Insel Lampedusa verurteilt. Wie die taz (Christian Rath) schildert, hat das Gericht beanstandet, dass die Unterbringung keine gesetzliche Grundlage hatte und keine Rechtsmittel zur Verfügung standen. Dagegen wurde ein Verstoß gegen das Verbot unmenschlicher Behandlung und kollektiver Massenausweisungen nicht bestätigt.
Italien – Verfassungsreform: Der Post-Doctoral Fellow Marco Bassini sowie Professor Oreste Pollicino erläutern auf verfassungsblog.de Details zur gescheiterten Verfassungsreform in Italien. Der nun zurückgetretene Ministerpräsident Matteo Renzi wollte unter anderem den Parlamentsbetrieb durch Stärkung des Abgeordnetenhauses und Verkleinerung des Senats vereinfachen. Die Autoren stellen die Vor- und Nachteile des Vorhabens dar.
Spanien – Unabhängigkeitsreferendum: Das spanische Verfassungsgericht hat den Beschluss des katalanischen Parlaments über die Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums aufgehoben, da die spanische Verfassung eine Abspaltung nicht vorsieht. Thomas Urban (SZ) bedauert, dass sich die Regierung hinter der "Verfassung verschanzt" habe, statt politisch zu verhandeln.
USA – Charleston-Massaker: Der Attentäter von Charleston, Dylann Roof, der aus rassistischen Gründen neun Menschen während einer Bibelstunde in einer Kirche erschoss, ist von einem Bundesgericht in South Carolina schuldig gesprochen worden, meldet spiegel.de. Ihm droht die Todesstrafe. Die FAZ (Christiane Heil) stellt die Hintergründe der Tat und den bisherigen Prozessverlauf dar.
Türkei – Gerichtsreporterin: Lisa Gow beschreibt im Hbl den Fall der türkischen Journalistin und Gerichtsreporterin Canan Coşkun, die wegen ihrer kritischen Berichterstattung über korrupte Richter und Staatsanwälte in der Türkei vor Gericht steht. Ihr wird vorgeworfen, die Würde der Beamten verletzt zu haben, es drohen ihr 23 Jahre und vier Monate Haft.
EuG zu Gentech-Soja: Das Gericht der Europäischen Union hat die Entscheidung über die Zulassung der gentechnisch veränderten Monsanto-Sojabohne auf dem europäischen Lebensmittelmarkt durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit für rechtens erklärt, berichten die FAZ (Hendrik Wieduwilt) und lto.de. Die Behörde habe die Giftigkeit und das Allergierisiko angemessen bewertet.
Sonstiges
Geheimdienstbeauftragter: Die SZ (Ronen Steinke) stellt den neuen Geheimdienstbeauftragten des Bundestages Arne Schlatmann vor. Der Jurist war zuvor 23 Jahre im Bundesinnenministerium tätig und soll sich den Ruf eines sorgfältigen Arbeiters ohne Profilierungssucht erworben haben. Er wird am 10. Januar das Amt für fünf Jahre antreten und soll dem Parlamentarischen Kontrollgremium zuarbeiten.
Boykott-Aufruf: Der Mitarbeiter einer Werbeagentur hat Unternehmen dazu aufgerufen, keine Werbung bei rechtspopulistischen Plattformen zu schalten und hat dadurch einen Shitstorm ausgelöst. internet-law.de (Thomas Stadler) analysiert, ob es sich dabei um einen nach dem UWG unzulässigen Boykottaufruf handelt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 16. Dezember 2016: Atom-Deal / BGH zu NPD-Anwalt / Richterbesetzung am polnischen Verfassungsgericht . In: Legal Tribune Online, 16.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21468/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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