In dieser Woche befasst sich das BAG das erste Mal mit der Frage, ob eine Videoüberwachung durch den Arbeitgeber einen Schmerzensgeldanspruch rechtfertigt. Außerdem in der Presseschau: Meldepflicht für Prostituierte, autonome Autos und Recht, Bohlen versus Deutschland beim EGMR, Maut-Sammelklagen in Frankreich und die alte Frage: Vorhang auf – Türen zu?
Thema des Tages
BAG – Krankmeldung und Detektive: Das Bundesarbeitsgericht wird am Donnerstag dieser Woche entscheiden, ob die Kündigung einer Sekretärin rechtmäßig war, deren Arbeitgeber ihre Krankmeldung nicht geglaubt und zur Überprüfung einen Privatdetektiv beauftragt hatte. Besonderheit des Falles: Die Frau fordert auch knapp 11.000 Euro Schmerzensgeld wegen rechtswidriger Videoaufnahmen, die über vier Tage angefertigt wurden. Die FAS (Corinna Budras) schreibt über den "delikaten Fall". Das Landesarbeitsgericht Hamm habe der Frau hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Videofilme Recht gegeben und ihr 1.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Nun müsse das BAG entscheiden, das sich, so die FAS, bislang nicht mit Schmerzensgeld nach Videoüberwachungen habe auseinander setzen müssen. Die klagende Angestellte war nach einer Meinungsverschiedenheit über zwei Monate wegen verschiedener Leiden krank geschrieben. Aufnahmen des Detektivs hatten nach Ansicht des Arbeitgebers einen angegebenen Bandscheibenvorfall als Lüge enttarnt, woraufhin dieser eine fristlose Kündigung ausgesprochen habe.
Rechtspolitik
Prostitutionsgesetz – Meldepflicht: Mit der Kritik von Datenschützern an der von der Bundesregierung geplanten Meldepflicht für Prostituierte befasst sich die Montags-taz (T. Müller/H. Oestreich). Nach der geplanten Regelungen sollen die Prostituierten sich alle zwei Jahre neu melden und auf behördliches Verlangen hin ihren Meldenachweis vorlegen. Bei den erhobenen Daten, so die Kritik, handele es sich aber um "besonders sensible Daten" im Sinne des Artikel 8 der EU-Datenschutzrichtline. Ein ähnlicher Vorstoß in den Niederlanden habe sich politisch nicht durchsetzen können.
Prostitutionsgesetz – Kondompflicht: Nicht die Polizei, sondern Gesundheits- und Ordnungsämter sollen die Einhaltung der mit dem neuen Prostitutionsgesetz kommenden Kondompflicht überprüfen. Ein Verstoß solle als Ordnungswidrigkeit und nur gegenüber den Freiern geahndet werden. Dies ist laut Spiegel aus dem Bundesfamilienministerium zu hören.
"Bodycams" für Polizisten: Der Rechtswissenschaftler Dennis-Kenji Kipker befasst sich in einem Gastbeitrag für netzpolitik.org mit der Notwendigkeit klarer rechtlicher Vorgaben für den polizeilichen Einsatz sogenannter "Body-Cams", die von Polizisten beim Einsatz auf der Schulter getragen würden.
Erbschaftsteuer: Den Vorschlag des bayerischen Finanzminister Markus Söder (CSU) zur Reform der Erbschaftsteuer, das Erben von Familienunternehmen – auch Großkonzerne mit "klarer Familienprägung" – künftig steuerfrei zu belassen, kommentiert Nikolaus Piper (Samstags-SZ): Söder nutze die Ausnahmen, die das Bundesverfassungsgericht zugelassen hat, großzügig; eigentlich werde sich danach gar nichts ändern. Die Privilegierung der Firmenerben werde noch zunehmen.
Autonome Autos und Recht: Wenn eines Tages Autos autonom fahren, also ohne von Menschen gesteuert zu werden, wer haftet auf Schadensersatz und Schmerzensgeld? Welche Daten werden gesammelt? Welche Kollateralschäden darf ein Autopilot bei unvermeidbaren Unfällen in Kauf nehmen? Autoroboter könnten als juristische Personen behandeln werden – wie eine GmbH zum Beispiel, schlägt Heribert Prantl (Samstags-SZ) vor. Und: "Künftig müssen wohl Rechtsethiker neben den Ingenieuren sitzen."
Internationale Abkommen für Cyberwaffen: Luciano Floridi, Philosoph in Oxford, fordert im Spiegel-Interview (Hilmar Schmundt) internationale Regeln für den Einsatz digitaler Waffen. Wie auch schon Abkommen für die Ächtung chemischer und biologischer Waffen geschaffen wurden, bräuchte es nun "Regeln, Gesetze, um den Cyberkriegern Grenzen zu setzen". Digitalangriffe auf Computersysteme könnten "so tödlich sein wie eine herkömmliche Granate".
Durchsetzung des Asylrechts: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn konstatiert in der Samstags-Welt Zweifel der Bundesbürger am Asylrecht und fordert die konsequente Anwendung des bestehenden Rechts: Die Akzeptanz des Asylrechts werde untergraben, "wenn Deutsche feststellen müssen, dass ein Großteil der Asylbewerber trotz rechtskräftiger Ablehnung und damit rechtswidrig im Land bleiben und versorgt werden müssen."
Justiz
EGMR – Bohlen vs. Deutschland: Am kommenden Donnerstag entscheidet der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, ob der Pop-Produzent Dieter Bohlen durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs in seinen Menschenrechten verletzt wurde. Der BGH hatte eine "flegelhafte" Lucky Strike-Werbung, welche mit Bohlens Namen geworben hatte, abgesegnet, wogegen Bohlen vor den EGMR zog, wie die FAS (Corinna Budras) meldet.
BGH zu Schwarzer vs. Kachelmann: Durfte die Zeitschrift "Emma" in einer Glosse trotz Freispruchs den Eindruck erwecken, Jörg Kachelmann sei ein Vergewaltiger? Nein, entschieden bereits Land- und Oberlandesgericht Köln. Der BGH hat nun eine Nichtzulassungsbeschwerde Alice Schwarzers nicht zur Revision angenommen, meldet der Spiegel.
Landgericht Essen – Helge Achenbach: Die Welt am Sonntag (Swantje Karich) schreibt im Kultur-Ressort über den Prozess gegen den Kunstberater Helge Achenbach. Er soll Kunstsammler um Millionen betrogen haben und ist vor dem Landgericht Essen wegen Untreue, Betruges und Urkundenfälschung angeklagt.
LG Hamburg zu IZA-Kritik: Das Landgericht Hamburg entschied am 6. Februar im Streit zwischen dem Publizist Werner Rügemer sowie dem Onlineportal nhrz.de und dem Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA). Wie das Handelsblatt (Norbert Häring) nun berichtet, sei die Entscheidung der Pressekammer des LG für beide Parteiei halb Sieg und halb Niederlage. Rügemer dürfe zwar behaupten, das IZA bezeichne sich faktenwidrig als unabhängig und von freier Wissenschaft könne dort nicht die Rede sein – dies sei keine Schmähkritik, da die Aussagen durch sachlich richtige Indizien hätten unterfüttert werden können. Nicht dulden müsse das IZA indes die Behauptungen, es betreibe Lobbyarbeit und informiere nicht über private Finanzierungen. Separat erläutert das Handelsblatt (Norbert Häring) die Hintergründe des Prozesses und die Verflechtungen der IZA mit der sie maßgeblich finanzierenden Deutsche-Post Stiftung.
LG Dortmund zu Gerd Niebaum: Das Landgericht Dortmund hat den früheren Vereinspräsidenten von Borussia Dortmund Gerd Niebaum wegen Untreue, Kreditbetrugs und Urkundenfälschung zu einem Jahr und acht Monaten Bewährungsstrafe verurteilt. Niebaum hatte unter anderem eingeräumt, sich selbst als Testamentsvollstrecker ein 450.000 Euro-Darlehen aus einem Nachlass gewährt zu haben. spiegel.de berichtet.
AG Waldbröl zu iPods am Steuer: lawblog.de (Udo Vetter) weist auf ein Urteil des Amtsgerichts Waldbröl hin, wonach das Bedienen von MP3-Playern wie einem iPod keinen Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO) darstellt. Ein iPod ist danach auch dann kein Mobiltelefon nach § 23 Abs. 1a StVO, wenn man mit ihm über eine Internetverbindung telefonieren kann. Eine Auslegung über den Wortlaut hinaus verstoße gegen das verfassungsrechtliche Analogieverbot.
LG Darmstadt zu Sanel M.: Sanel M. bleibt auch nach einem Haftprüfungstermin vor dem Landgericht Darmstadt in Untersuchungshaft, meldet die Samstags-FAZ. M. soll Mitte November die 22-jährige Tugce Albayrak attackiert haben, die kurz darauf verstarb.
Familiengerichte - Versorgungsausgleich: Erhöht sich das Altersgeld durch die im vergangenen Juli eingeführte so genannte Mütterrente, hat im Falle einer Scheidung der andere Partner - in der Regel der Mann - die Möglichkeit, den Versorgungsausgleich neu berechnen zu lassen. Den Antrag auf Neuberechnung würden, so die Montags-SZ (Thomas Öchsner), immer mehr Männer an die zuständigen Familiengerichte stellen. Zwar gäbe es noch keine "Lawine", es könnten aber hunderttausende Verfahren auf die Gerichte zukommen.
StA Braunschweig – Terrorgefahr: Wie u.a. zeit.de informiert, wurde der für den gestrigen Sonntag geplante Karnevalsumzug in Braunschweig nach Hinweisen auf mögliche Anschläge von der Polizei abgesagt. Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft habe nun Ermittlungen wegen des Verdachts auf eine staatsgefährdende Straftat aufgenommen.
StA Köln – Korruption bei Ford: Einen "Riesenschwindel mit Ersatzteilen" bei Ford hat laut Focus (xl) die Staatsanwaltschaft Köln aufgedeckt. Noch 2015 will die StA Köln Ermittlungen gegen rund einhundert Beschuldigte abschließen. Anstoß ist die Bestellung vieler Ersatzteile auf Rechnung von Ford, die nie geliefert wurden – gegen Geschenke an Ford-Mitarbeiter.
Ermittlungen im Fall Maria Bögerl: Über den Stand der Ermittlungen im Fall der 2010 entführten und getöteten Bankiersgattin Maria Bögerl berichtet die Welt am Sonntag (Hannelore Crolly). Unter anderem wolle die Staatsanwaltschaft Ellwangen nun veranlassen, einhundert Männer zu DNA-Tests zu zwingen, die hierzu bislang nicht bereit waren.
Recht in der Welt
Umgang mit Swiss-Leaks weltweit: Kürzlich wurden Daten zur Steuerermittlung gegen Kunden der Schweizer Bank HSBC öffentlich. Wie Politik und Justiz in verschiedenen Ländern mit den Swiss-Leaks umgehen, stellt die Samstags-SZ (Bastian Brinkmann u.a., dazu auch ein Video von Brinkmann/Obermayer bei sueddeutsche.de) zusammen.
Frankreich – Maut-Sammelklage: In Frankreich bahnt sich eine Sammelklage von mehr als 10.000 Autofahrern gegen private Autobahnbetreibern wegen zu hoher Mautbeträge an, berichtet die Samstags-FAZ (Christian Schubert). Das Instrument der Sammelklage ist dort vor rund einem Jahr geschaffen worden.
USA – Hate Crimes: Der ausführliche Beitrag von Patrick Bahners aus der FAS der vergangenen Woche zum Umgang mit sogenannten "Hate Crimes" in den USA ist jetzt auch online abrufbar.
USA – Todesstrafenmoratorium in Pennsylvania: Der Gouverneur in Pennsylvania, Tom Wolf (Demokraten), hat die Todesstrafe ausgesetzt. Er gab als Grund an, das System sei "anfällig für Fehler, teuer und alles andere als unfehlbar". spiegel.de berichtet.
Sonstiges
Akademischer Betrug: Die Montags-SZ (Matthias Kohlmaier) war zu Besuch bei einem Ghost-Writer. Thomas Nemet ist Mitgründer des international tätigen Unternehmens "AcadWrite", das akademischen Ghostwriting anbietet, und nach eigenen Angaben eines Jahresumsatz von heute 2.000.000 Euro verzeichne. Die über 300 freien Autoren fertigten von der Hausarbeit bis zur Dissertation alles an. Nemet sieht die Arbeit als Dienstleistung, die Frage der Ethik stelle sich da auch seiner Sicht nicht. Die SZ erklärt, strafbar machten sich Nemet und die Autoren nicht, "es gibt keine Gesetze gegen Wissenschaftsbetrug", man weise aber, so Nemet laut SZ, auf diesbezügliche Vorschriften der Hochschulen hin.
In einem separaten Kurz-Beitrag erläutert die SZ (rpr) die Bemühungen, Plagiate zu verhindern. In Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg würden Betreuungsvereinbarungen zwischen Doktoranden und Betreuern verlangt, diese sähen aber zum Beispiel die beiden Freiburger Hochschulrechtler Manfred Löwisch und Thomas Württenberger kritisch: solche Vereinbarungen verletzten den grundgesetzlich geschützten Freiraum des Betreuers.
Irrtümer im Mietrecht: Müssen Vermieter einer Mitminderung zustimmen? Darf einmal im Monat Krach gemacht werden? Die Samstags-Welt (Falk Zielke) klärt im Ressort Immobilien über häufige Irrtümer im Mietrecht auf.
Das Letzte zum Schluss
Vorhang auf – Türen zu? Zur Frage, ob ein verspäteter Opernbesucher mit einer Einlassverweigerung rechnen muss und gegebenenfalls gar Anspruch auf Erstattung des Eintrittsgeldes hat, hat justillon.de (Stephan Weinberger) ein wahres Kleinod amtsgerichtlicher Rechtsprechung aus dem Jahr 1997 ausgegraben. Danach müsse ein Veranstalter nicht hinnehmen, "daß Nachzügler geräuschvoll hinter dem Lichtkegel der Taschenlampe eines Platzanweisers herstolpern". Auch den Eintrittspreis gäbe es bei Nichtgenuss der Vorstellung nicht zurück. Zwar sei, "was sich schon an der guten alten Tradition des 'Opernschläfchens' erweist", das Erscheinen keine Hauptleistungspflicht des Karteninhabers, sondern eine nicht klagbare reine Gläubigerobliegenheit. Vereitelt der Opernkarteninhaber aber "das Zustandekommen des Werkes, nämlich (…) [die] Interaktion zwischen Bühnenakteuren und lauschendem Publikum, darf der Veranstalter als billige Entschädigung für das Bereithalten eines geheizten und beleuchteten Saales sowie eines wohl präparierten Ensembles das vorausentrichtete Eintrittsgeld behalten."
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/fr/dc
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 14. bis 16. Februar 2015: Schmerzensgeld nach Videoüberwachung – Autonome Autos im Recht – Akademischer Betrug straffrei . In: Legal Tribune Online, 16.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14692/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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