Am LG Bochum hat sich Werner Mauss erstmals zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen eingelassen. Außerdem in der Presseschau: Hochschulgesetz Baden-Württemberg verfassungswidrig, Künstler siegen gegen Gema, US-Präsident und SCOTUS-Richter.
Thema des Tages
LG Bochum – Werner Mauss: Der sogenannte Geheimagent Werner Mauss muss sich vor dem Landgericht Bochum wegen des Vorwurfs verantworten, mehr als 15 Millionen Euro Steuern hinterzogen zu haben. Am dritten Verhandlungstag ergriff der Angeklagte nun zum ersten Mal selbst das Wort. Nach dem Bericht der SZ (Ralf Wiegand) räumte er dabei ein, Zugriff auf "im Ausland geparktes Geld" zu haben, für das keine Steuern abgeführt worden seien. Die Beträge seien ihm aber auch nur von ausländischen Geheimdiensten als "Treuhänder" für die Erfüllung von Operationen und Missionen zur Verfügung gestellt worden. Initiiert sei dieser Fonds ursprünglich von "einer hochrangigen deutschen Persönlichkeit eines Geheimdienstes", den der Angeklagte aktuell dazu bewegen wolle, vor Gericht auszusagen.
Rechtspolitik
Arzneimittelversandhandel: In einem Kommentar äußert Kim Björn Becker (SZ) Verständnis für die Notwendigkeit einer Neuregelung zum Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten. Das von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vorgeschlagene Verbot weise jedoch den falschen Weg. Denn es müsse die Antwort auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs "nicht weniger Wettbewerb lauten, sondern mehr".
Kartellgesetz: Die FAZ (Andreas Mihm) berichtet zu einem ihr vorliegenden Fünf-Punkte-Papier der Unionsfraktion im Bundestag, durch den die kartellrechtliche Ministererlaubnis "gestärkt" werden soll. Hierzu solle "als Konsequenz aus der Hängepartie um Kaiser's-Tengelmann" das Verfahren der Erteilung durch Einführung verbindlicher Fristen "gestrafft" werden. Weitergehende Vorschläge der Oppositionsfraktionen, beispielsweise zur Beteiligung des Parlaments, erteile das Papier eine Absage.
Whistleblowing: In einem Beschlussvorschlag für die am kommenden Donnerstag beginnende Justizministerkonferenz wird die Bundesregierung aufgefordert, "ein angemessenes Schutzniveau" für Whistleblower zu schaffen und sich auf EU-Ebene entsprechend zu engagieren. Der Vorschlag führt die Luxemburger Verurteilungen der Whistleblower in der Lux-Leaks-Affäre als zu vermeidendes Beispiel an, schreibt die SZ (Bastian Brinkmann).
Rentenansprüche Strafgefangener: Sozialpolitische Organisationen fordern von der Justizministerkonferenz, sich mit der Thematik möglicher Rentenansprüche von Strafgefangenen zu befassen. Entsprechende Absichten enthielt bereits das Strafvollzugsgesetz von 1977, so die taz (Peter Nowak). Die Umsetzung sei jedoch immer wieder am Streit über die Finanzierung gescheitert.
Geldwäsche-Richtlinie: Geplante Änderungen der Vierten EU-Geldwäsche-Richtlinie, durch die etwa eine umfassende Identifizierungspflicht für Online-Bezahlvorgänge eingeführt werden soll, sind als "unzulässige Vorratsdatenspeicherung" grundgesetzwidrig. Zu dieser Einschätzung gelangt ein Gutachten des ehemaligen Bundesdatenschutzbeauftragten und jetzigen Vorsitzenden der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz, Peter Schaar, über das netzpolitik.org (Constanze Kurz) schreibt.
Terrorismus-Richtlinie: netzpolitik.org (Sven Braun) berichtet zu einem nun geleakten Entwurf der EU-Terrorismus-Richtlinie. Auch dieser sehe weiter den Einsatz von Netzsperren oder sogenannten Staatstrojanern zur Verhinderung oder Aufklärung vage definierter terroristischer Aktivitäten vor.
Justiz
VerfGH BW zu Hochschulgesetz: Die 2014 gesetzlich veränderte Zusammensetzung von Hochschulsenaten verstößt nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Baden-Württemberg teilweise gegen die Landesverfassung und muss daher bis zum 31.März 2018 geändert werden. Die beanstandeten Neuregelungen hätten den Einfluss von Professoren verringert, erklärt die FAZ (Rüdiger Soldt). Dies verstoße zumindest bei unmittelbar die Lehre betreffenden Fragen gegen die verfassungsrechtlich garantierte Wissenschaftsfreiheit.
KG Berlin zu Gema: Die Gema darf nach einem Teilurteil des Kammergerichts Berlin die Musikern als Urheber zustehenden Vergütungsanteile nicht um sogenannte Verlegeranteile kürzen. Vielmehr müsse sie den klagenden Künstlern Auskunft über diese Anteile erteilen. Auf diese Grundlage werde dann entschieden, ob die Musiker Zahlungsansprüche ableiten können. Nach dem Bericht von lto.de (Pia Lorenz) bezieht sich die jetzige Entscheidung ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Sachen VG Wort.
OLG München – Hochsicherheitssaal: Vor dem Oberlandesgericht München müssen sich mehrere mutmaßliche Mitglieder der Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten wegen Bildung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verantworten. Der Umzug des Verfahrens in den neuen Hochsicherheitssaal der Justizvollzugsanstalt Stadelheim geriet nach Darstellung der SZ zum Eklat. Die Verteidigung sehe in dem Umzug die Unschuldsvermutung verletzt und habe auch zusätzliche Sicherheitskontrollen sowie die Installierung von Kameras moniert.
LG Traunstein – Bad Aibling: Das Strafverfahren zum Zugunglück von Bad Aibling wurde am Landgericht Traunstein mit mehreren Zeugenvernehmungen fortgesetzt. Ein Kollege des Angeklagten habe dabei ausgesagt, dass das fragliche Notruftelefon auch einfacher konstruiert sein könnte, schreibt die SZ (Annette Ramelsberger).
AG Pirna zu Heidenau-Krawall: Unter anderem wegen schwerem Landfriedensbruch hat das Amtsgericht Pirna zwei Beteiligte der gegen eine Asylunterkunft in Heidenau gerichteten Ausschreitungen im August 2015 zu Haftstrafen verurteilt. Ein weiterer Angeklagter wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, melden FAZ und taz.
LKW-Kartell: Nachdem die EU-Kommission im vergangenen Sommer gegen mehrere LKW-Hersteller wegen illegaler Preisabsprachen Bußgelder von fast drei Milliarden Euro verhängt hat, können sich die betroffenen Firmen nun wohl auch auf Zivilklagen mit Forderungen von bis zu 100 Milliarden Euro einrichten. In dieser Größenordnung plane das Prozessfinanzierungsunternehmen Bentham Europe die Unterstützung von Speditionen und anderen Käufern kartellbedingt überteuerter LKWs, berichtet die FAZ (Marcus Jung).
Recht in der Welt
IStGH: Vor der am morgigen Mittwoch beginnenden Konferenz der Vertragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag berichtet lto.de über dessen aktuelle Krise. Zwar fände von der Afrikanischen Union favorisierte geschlossene Austritt sämtlicher Länder des Kontinents dort gegenwärtig noch keine Mehrheit. Nachdem drei Länder, unter ihnen Südafrika, aber kürzlich das als Grundlage dienende Römische Statut kündigten, könnten weitere Staaten folgen.
Polen – Instrumentalisierte Justiz: In einem Gastbeitrag für das Hbl zieht der frühere belgische Premierminister und jetzige Europaabgeordnete Guy Verhofstadt Parallelen zwischen dem zum US-Präsidenten gewählten Donald Trump und der aktuellen polnischen Regierung. Beide zeichneten sich durch "politischen Zynismus" aus und missachteten "rechtliche Konventionen, um ihre eigenen Ziele voranzutreiben". In Polen zeige sich dies in der Forderung Jaroslaw Kaczynskis nach strafrechtlichen Ermittlungen gegen den jetzigen Präsidenten des Europäischen Rats, Donald Tusk, wegen angeblicher Verwicklungen in den Flugzeugabsturz von Smolensk.
Schweden/Ecuador – Julian Assange: In der ecuadorianischen Botschaft in London hat eine schwedische Staatsanwältin mit der auf mehrere Tage angelegten Befragung Julian Assanges begonnen. Der bereits im Voraus eingereichte Fragenkatalog wurde dabei nicht von der Staatsanwältin selbst, vielmehr einem ecuadorianischen Kollegen übernommen, berichtet die SZ (Silke Bigalke).
Türkei – Cumhuriyet: Die taz und andere Medien veröffentlichen einen Gastbeitrag der Redaktion der türkischen Zeitung Cumhuriyet, in dem die staatlichen Repressalien gegen die Zeitung beschrieben und erklärt wird, warum dennoch weitergearbeitet werde.
USA – SCOTUS-Richter: Die FAZ (Patrick Bahners) befasst sich in ihrem Feuilleton mit den Wahlkampfaussagen Donald Trumps zur anstehenden Besetzung des freien Richterstuhls am Supreme Court der USA. Trumps Ankündigungen bewiesen, dass er es verstanden habe, "sich als loyaler Offizier der unter Reagan in Gang gesetzten juristischen Konterrevolution" zu inszenieren. Unter dem damaligen Präsidenten sei begonnen worden, "Rechtspolitik zum Gegenstand weitsichtiger Personalplanung" zu machen. Der Plan, grundlegende Entscheidungen des Gerichts durch besonders konservative Richter aufheben oder neu ergehen zu lassen, könne mit der Amtseinführung Trumps nun verwirklicht werden.
USA – Deutscher Diplomat: Ein mutmaßlicher Fall häuslicher Gewalt fesselt nach Darstellung der Welt (Lukas Hermsmeier) bereits seit einigen Wochen die öffentliche Aufmerksamkeit in New York. Betroffen sind ein Attaché der ständigen Vertretung Deutschlands bei den Vereinten Nationen und dessen aus Pakistan stammende Ehefrau, die bereits mehrfach Anzeigen wegen Misshandlungen erstattet haben soll. Die Staatsanwaltschaft habe das Büro des Bürgermeisters bereits gebeten, beim Außenministerium des Landes die Aufhebung der Immunität des Diplomaten zu erwirken.
Sonstiges
Bundespräsident in spe Steinmeier: Die taz (Anja Maier/Martin Kaul) erinnert in einem Artikel über die in der Regierungskoalition offenbar erzielte Einigung auf Frank-Walter Steinmeier (SPD) als künftigen Bundespräsidenten an den Fall Murat Kurnaz, der ein bleibender "Schatten auf" der Karriere des aktuellen Bundesministers des Auswärtigen sei. Wenig begeistert über das zukünftige Amt ihres Mannes dürfe auch Steinmeiers Frau sein. Elke Büdenbender sei "nach allem, was man weiß" zufrieden mit ihrer aktuellen Stelle als Richterin am Verwaltungsgericht Berlin, müsse diese wegen zu erwartender Repräsentationspflichten aber wohl aufgeben.
Rechtsextremismus: Christian Bommarius (BerlZ) zeigt sich in einem Kommentar irritiert über die von der Bundesregierung angewendete statistische Methodik bei der Erfassung rechtsextrem motivierter Tötungsdelikte. Nach einer Auskunft des Innenministeriums würden diese nicht mitgezählt, wenn auch wegen eines schwerer wiegenden Vorwurfs ermittelt werde. So sei ein Anschlag der sogenannten Bürgerwehr Freital in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage nicht aufgeführt worden, obwohl der Generalbundesanwalt in diesem Fall wegen versuchten Mordes ermittle, weil sich die Ermittlungen auch auf die Bildung einer terroristischen Vereinigung erstreckten.
BKA-Datei Rauschgift: Die beim Bundeskriminalamt geführte "Falldatei Rauschgift" verstößt nach einer Untersuchung der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, über die lawblog.de (Udo Vetter) berichtet, in zahlreichen Fällen gegen den Datenschutz. So würden Bagatellfälle gespeichert oder oftmals auch auf die vor einer Speicherung erforderliche Negativprognosenprüfung verzichtet.
Weihnachtsgeld: Im Interview mit spiegel.de (Janko Tietz) erläutert Rechtsanwalt Lars Kohnen Wissenswertes zum Weihnachtsgeld.
Das Letzte zum Schluss
Dresscode: Rechtsanwältin Alexandra Braun (verteidigerin.hamburg) ist froh, an ihrem Arbeitsplatz in "figurfreundlichem Schwarz" auftreten zu können. Ihrem Rat, vor Gericht angemessene Kleidung zu tragen, seien dagegen nicht alle ihrer Mandanten gefolgt: So trugen nach dem Betäubungsmittelgesetz Angeklagte T-Shirts mit dem Aufdruck "Legalize it" und ist der mit dem Kürzel "ACAB" versehene Kapuzenpullover in Verfahren wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte "schon fast ein Klassiker".
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 15. November 2016: Geheimagent Mauss / Hochschulgesetz B-W / Verlegeranteil der Gema . In: Legal Tribune Online, 15.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21112/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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