Bayern will die Polizei in Gefahrenlagen vor sinnloser Arbeit schützen. Außerdem in der Presseschau: Die Hamburger Polizei räumt Fehler einer Verdeckten Ermittlerin ein und der Conseil d'Etat erlaubt Jesus-Krippen in Staatsgebäuden.
Thema des Tages
Absichtliche Falschmeldungen: Bei der Justizministerkonferenz am Donnerstag soll ein bayerischer Gesetzentwurf diskutiert werden, der absichtliche Falschmeldungen stärker bestrafen will. Konkret sollen § 145 Strafgesetzbuch (Missbrauch von Notrufen) und § 126 StGB (Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten) verschärft werden. Erfasst werden soll vor allem der Fall, dass der Täter während einer bereits bestehenden Gefahrenlage die Ressourcen der Polizei durch falsche Hinweise bindet, berichtet die Montags-SZ (Lena Kampf).
Im Zusammenhang mit dem Amoklauf am Münchener Olympia-Einkaufszentrum waren bei der Staatsanwaltschaft München I rund drei Dutzend Ermittlungsverfahren gegen Trittbrettfahrer anhängig. Abgesehen von den Strafen versuche die Polizei die Tatverdächtigen zu beeindrucken, indem sie mit großem Aufgebot ihre Wohnungen nach Waffen durchsuche, berichtet die Montags-SZ (Bernd Kastner).
Rechtspolitik
Demenzforschung: An Dementen kann künftig fremdnützig geforscht werden, wenn die Betroffenen zu gesunden Zeiten zugestimmt hatten. Eine entsprechende gesetzliche Regelung hat am Freitag der Bundestag mit großer Mehrheit beschlossen, berichtet suedeutsche.de. Die FAS (Florentine Fritzen) schildert ausführlich die Debatte, bei der der Fraktionszwang aufgehoben war. Im Interview mit der WamS (Norbert Lossau) spricht sich der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, der Theologe Peter Dabrock, für die Neuregelung aus. Auch Gudula Geuther (deutschlandfunk.de) befürwortet die Reform.
Arzneimittel: Die SPD lehnt das von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vorgeschlagene Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Medikamenten ab, so die Montags-FAZ (Andreas Mihm). Der Versandhandel verbessere die Versorgung auf dem Land und bringe chronisch Kranken Ersparnisse. Auch die Grünen sind gegen ein Verbot, während die CSU und die Linke den Vorschlag unterstützten. Gröhe reagiert auf ein EuGH-Urteil, das nach Ansicht der Apothekenverbände die Apotheken gefährdet.
Kinderehen: Die Samstags-SZ (Ulrike Heidenreich) schildert die Diskussion um das geplante Verbot von Kinderehen und zeigt dabei die Unterschiedlichkeit betroffener Fälle auf. Ein ähnlicher Artikel findet sich bei focus.de (Wera Engelhardt).
Bankerboni: Ab nächstem Jahr soll es eine Regelung geben, die es ermöglicht, Boni von Bank-Mitarbeitern zurückzufordern, wenn diese an Handlungen beteiligt waren, die zu Verlusten oder Strafen führten. Eine entsprechende "Clawback"-Regelung will die Finanzaufsicht Bafin in Abstimmung mit dem Justizministerium in der Institutsvergütungsverordnung schaffen, berichtet die Montags-FAZ (Markus Frühauf).
Autobahnen: Die SPD lehnt die von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geplante Teilprivatisierung der Autobahnen mit verbundener Grundgesetzänderung ab. Die Montags-SZ (Markus Balser) schildert die aktuelle Diskussion. Die Montags-taz (Kai Schlieter) zeichnet die bisherige Diskussion um Öffentlich-Private Partnerschaften nach – unter Betonung ihrer Nachteile.
Autorennen: Nach dem Bundesrat will nun auch Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) einen Gesetzentwurf vorlegen, um illegale Autorennen künftig als Straftat einzustufen, so die Montags-SZ (Robert Probst). Geplant sind Geldstrafen und Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren.
Waffengesetz: Der Anwalt und Präsident des Verbands Deutscher Sportschützen, Hans Scholzen, kritisiert auf lto.de Forderungen nach einer Verschärfung des Waffengesetzes. Die geforderten Regelungen, insbesondere zur Prüfung der Zuverlässigkeit von Waffenbesitzern, seien teilweise schon im deutschen Waffengesetz enthalten, außerdem plane die EU Verschärfungen. Im Übrigen gebe es keinen Zusammenhang zwischen der Zahl legaler Waffen und der mit (vor allem illegalen) Waffen begangenen Kriminalität.
Bundeswehr im Ausland: Sollte die EU eine Europäische Armee schaffen, müssten die EU-Verträge geändert werden, analysiert der Staatsrechtler und Ex-Verteidigungsminister Rupert Scholz (CDU) in einem Montags-FAZ-Gastbeitrag. Sinnvoll sei auch eine Änderung des Grundgesetzes, damit nicht vor jedem Auslandseinsatz von deutschen Soldaten der Bundestag befragt werden müsse.
Fluggastdaten: Am Freitag will der EU-Ministerrat über die Umsetzung der im April beschlossenen EU-Richtlinie zur Fluggastdatenspeicherung beraten. netzpolitik.org (Matthias Monroy) gibt einen Sachstandsbericht. So werden alle EU-Staaten von der Option Gebrauch machen, die Speicherung auch für innereuropäische Flüge vorzusehen.
Justiz
LG Hamburg zu Silvester-Übergriffen: Strafverteidiger Johann Schwenn verteidigt auf zeit.de
die Vorsitzende Richterin des Landgerichts Hamburg Anne Meier-Göring. Ihre Kammer hatte Anfang November drei Flüchtlinge vom Vorwurf der sexuellen Nötigung freigesprochen und der Polizei schlampige Ermittlungen vorgeworfen. Daraufhin hatten der Hamburger Generalstaatsanwalt und der Polizeipräsident die Ermittler in Schutz genommen und die Richterin kritisiert. Schwenn findet es jedoch richtig, dass das Gericht das "laienhafte Vorgehen" von Polizei und Staatsanwaltschaft thematisierte.
EuGH zum Zauberwürfel: Nach Ablauf des Patentschutzes können technische Lösungen nicht einfach als dreidimensionale Marke weitergeschützt werden. Das entschied der Europäische Gerichtshof laut Samstags-FAZ (Hendrik Wieduwilt) zur Frage, ob der Zauberwürfel nach Ablauf des Patents noch markenrechtlich geschützt ist. Erfolg hatte der deutsche Spielwarenproduzent Simba, der auch Zauberwürfel herstellen will.
BGH zum Rechtsamt Leipzig: Am Mittwoch vergangener Woche bestätigte der Bundesgerichtshof im Wesentlichen die Freisprüche für drei Mitarbeiter des Leipziger Rechtsamts. Ihnen war vorgeworfen worden, für vermeintlich unbekannte Grundstückseigentümer gesetzliche Vertreter bestellt und Grundstücksveräußerungen genehmigt zu haben. Außerdem wurde ihnen vorgeworfen, Erlöse aus Grundstücksveräußerungen trotz Bestehens eines Zinsanspruchs unverzinst an die Berechtigten ausgezahlt zu haben. Die Freisprüche waren mit mangelndem Vorsatz begründet worden. Der BGH forderte nur in wenigen Fällen eine neue Verhandlung, so rechtslupe.de.
VG Hamburg – Verdeckte Ermittlerin: Vor dem Verwaltungsgericht Hamburg räumte die Hamburger Polizei ein, dass sich eine in der linken Szene eingesetzte Verdeckte Ermittlerin rechtswidrig verhalten habe, als sie mit Personen, die sie auskundschaften sollte, sexuelle Beziehungen einging, berichtet die Montags-taz (Kai von Appen).
LG Berlin – Autorennen und Mord: Der Spiegel (Julia Jüttner) fasst die bisherigen Ergebnisse des Prozesses am Landgericht Berlin zusammen, bei dem zwei junge Autofahrer wegen Mordes angeklagt sind. Sie hatten nachts spontan an einer Ampel ein Autorennen verabredet, bei dem ein dritter Autofahrer nach einem Unfall an einer roten Ampel getötet wurde. Die Staatsanwaltschaft stuft die Autos als gemeingefährliche Tatmittel ein. Beschrieben werden Charaktere und Sozialbeziehungen der Angeklagten.
StA München – Anstiftung zu Falschaussage: Die Staatsanwaltschaft München I wird laut spiegel.de (Ansgar Siemens) ihre Ermittlungen gegen die Strafverteidiger Gerhard Strate, Steffen Ufer und Annette Voges bald einstellen. Sie waren wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage verdächtigt worden, nachdem ein gekaufter Zeuge vor dem Landgericht München zugunsten einer wegen Mordversuchs auf dem Oktoberfest angeklagten Frau ausgesagt hatte und entlarvt wurde.
GenStA Frankfurt – Amoklauf und Waffe: Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/Main hat ihre Vorwürfe gegen den Waffenhändler Philipp K. auf fahrlässige Tötung in neun Fällen erweitert. K. soll dem Münchener Amokläufer David Sonboly eine Waffe verkauft haben. Inzwischen gebe es Indizien, dass der Händler die Absichten Sonbolys ahnte, berichtet der Spiegel (Maik Baumgärtner/Sven Röbel). Außerdem sei der Händler ein offensichtlicher Rechtsextremist.
BGH – Kaiser's/Tengelmann: Der Bundesgerichtshof hat die für Dienstag geplante mündliche Verhandlung um die Ministererlaubnis für die Übernahme von Kaiser's/Tengelmann durch Edeka mit Blick auf die laufenden Verhandlungen der Beteiligten abgesagt, berichtet lto.de .
EuGH – Mitbestimmung: Die FAS (Corinna Budras) gibt einen Ausblick auf ein beim Europäischen Gerichtshof zu erwartendes Urteil zur Mitbestimmung in deutschen Unternehmen. In einem Vorabenscheidungsverfahren zum Reisekonzern TUI geht es um die Frage, ob die Mitbestimmung auf Arbeitnehmer an deutschen Standorten beschränkt werden durfte. Die EU-Kommission sehe in einer Stellungnahme für den EuGH in dieser Beschränkung eine Behinderung der Arbeitnehmer-Freizügigkeit.
Statistik – Ermittlungsverfahren: Die Zahl staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren ist im Jahr 2015 um etwa sechs Prozent auf rund fünf Millionen gestiegen, so das Statistische Bundesamt. Der Grund für den Anstieg sei vor allem die Zunahme von Ermittlungen wegen aufenthaltsrechtlicher Delikte und Schleuserkriminalität sowie ein Zuwachs an Eigentums- und Vermögensdelikten, berichtet die FAZ (Alexander Haneke).
Recht in der Welt
Frankreich – Weihnachtskrippen: Der Conseil d'Etat hat entschieden, dass die Trennung von Kirche und Staat dem Aufstellen von Weihnachtskrippen in staatlichen Gebäuden nicht entgegensteht, wenn die Präsentation der Krippen nur temporär erfolgt und kulturell-festlichen Charakter hat. Die englische Rechtsstudentin Ibtissem Guenfoud schildert das aktuelle Urteil auf verfassungsblog.de. Sie kritisiert, dass die Entscheidung keine Rechtssicherheit schaffe.
Frankreich – Vollverschleierung: Die FAS (Michaela Wiegel) porträtiert den französischen Unternehmer Rachid Nekkaz, der zwar Burkas ablehnt, aber Frauen das Bußgeld bezahlt, wenn sie wegen öffentlicher Vollverschleierung belangt werden.
Frankreich – Personenregister: Die Samstags-SZ (Christian Wernicke) berichtet über eine neue Datenbank, in der 60 Millionen Menschen erfasst sind. Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve hatte sie per Dekret, also ohne Gesetz, eingerichtet. In einem Personenregister sollen Name, Geburtsdatum, Adressen sowie biometrische Daten aus Pässen und Ausweisen für die Sicherheitsbehörden per Knopfdruck abrufbar sein.
Ungarn – Verfassungsidentität: Nach der gescheiterten Verfassungsänderung analysiert die ungarische Rechtsprofessorin Renàta Uitz auf verfassungsblog.de, dass die Berufung der ungarischen Regierung auf den Schutz der nationalen Verfassungsidentität auch für den europäischen Verfassungsdiskurs anschlussfähig sei und Nachahmer finden könne. Sinnvoll sei es deshalb, europäische Mindeststandards für Verfassungswerte zu definieren, wie dies der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte getan habe.
Türkei – Cumhuriyet: Die Samstags-Welt (Deniz Yücel) schildert Hintergründe zum Vorgehen der türkischen Justiz gegen die Zeitung Cumhuriyet. Die Justiz berufe sich nicht zuletzt auf die Anschuldigungen von links-kemalistischen Kräften, die den Schwenk der Zeitung zu eher linksliberalen und linksalternativen Positionen nicht akzeptiert hatten.
Sonstiges
Gefängnisarbeit: Die WamS (Steffen Fründt) befasst sich mit der Arbeit von Strafgefangenen, bei der Arbeitnehmerrechte vielfach missachtet würden. So könnten die Vollzugsanstalten Waren zu Dumpingpreisen anbieten und mittelständische Unternehmen vom Markt verdrängen.
Handbuch für Verstorbene: Martin Rath bespricht im lto-Feuilleton das Buch "Handbuch für Verstorbene", das der ehemalige rechtspolitische Korrespondent der Zeit, Hanno Kühnert, 1991 schrieb. Es geht um einen Mann, der nur zu sechs Siebteln stirbt und mit einem Siebtel als eine Art Gespenst weiterlebt.
Das Letzte zum Schluss
Anwalt oder Therapeut? lawblog.de (Udo Vetter) verweist kurz auf einen Polizeibericht über eine abgeschlossene Wohnungsdurchsuchung. Als der Betroffene gefragt wurde, ob er nun seinen Rechtsanwalt aufsuchen wolle, antwortete der Mann, er müsse erstmal zu seinem Therapeuten.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 12. bis 14. November 2016: Strafe für Falschmeldungen / Rechtswidriger Sex der Ermittlerin / Weihnachtskrippen und Laizität . In: Legal Tribune Online, 14.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21140/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
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