Der Referentenentwurf zur Haftung der Betreiber von WLAN-Netzwerken liegt vor. Außerdem in der Presseschau: Das BVerfG hat ein neues Kopftuch-Urteil erlassen, keine Befreiung für Private vom Rundfunkbeitrag, verlorene Wette auf Nichtnachweis der Masern, ein Richter wird für zu viele Hinrichtungen hingerichtet, der BGH geht zu sich selbst auf Distanz und was wirklich makaberes Koksen ist.
Thema des Tages
Störerhaftung von WLAN-Netzbetreibern: Der Referentenentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium zur Regelung der Haftung der Betreiber von privaten und öffentlichen WLAN-Netzwerken liegt vor. Für Internetprovider ändert sich nichts, sie sind weiterhin von der Haftung befreit. "Geschäftsmäßige Anbieter" von WLAN-Netzen – wie Gastwirte oder öffentliche Einrichtungen – sind von der Haftung befreit, wenn sie "zumutbare Maßnahmen" ergreifen, um Rechtsbrüche durch Nutzer zu verhindern, etwa durch Verschlüsselung und die Erklärungen der Nutzer – etwa durch Klick auf der Startseite – keine Rechtsbrüche zu begehen. Private Anbieter sind von der Haftung befreit, wenn sie die Namen der sonstigen Nutzer ihres WLAN-Netzes kennen. Es berichten die FAZ (Eckart Lohse), die taz (Svenja Bergt/Malte Kreuzfeld), netzpolitik.org (Markus Beckedahl) und internet-law.de (Thomas Stadler).
Thomas Stadler (internet-law.de) kritisiert, dass die Regelung zu "gewerbsmäßigen Anbietern" bedeute, dass Nutzer im Zweifel namentlich erfasst werden. Private offene Netzwerke stünden vor dem Problem, nicht zu wissen, ob Nutzer ihre wahren Namen angeben und, dass nicht geklärt sei, wer das entsprechende Risiko trage. Malte Kreuzfeld (taz) meint hingegen, dass schon nicht geklärt sei, in welche Kategorie die Anbieter offener Netzwerke fallen. Auch würden sich einerseits Straftäter sicher von den Regelungen nicht aufhalten lassen, der Ausbau kostenloser Hotspots werde andererseits durch die Regelung nicht gefördert. Auch Rechtsanwalt Niko Härting kritisiert auf lto.de, dass die Entwicklung öffentlicher Netzwerke eher gehemmt werde und sich für Privatpersonen die Situation gegenüber der derzeitigen Rechtslage verschlechtere.
Justiz
BVerfG zu Kopftuchverbot: Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass für ein Kopftuchverbot bei Lehrerinnen nur eine "hinreichend konkrete Gefahr" für den Schulfrieden ausreiche, die sich aus dem Kopftuchtragen allein nicht ergebe. Erst wenn etwa Elternproteste entstünden, könne dies den Schulfrieden stören. Gleiches gelte auch für christliche Symbole, deren Privilegierung nach Landesschulrecht das BVerfG eine Absage erteilte. Das Urteil wird offiziell erst am heutigen Freitag veröffentlicht. Es berichten die taz (Christian Rath) und der Tagesspiegel (Ursula Knapp).
Heide Oestreich (taz) kritisiert die Konsequenz, dass nun Anfeindungen gegen kopftuchtragende Lehrerinnen ein Verbot begründen könnten, "Pegida wird jubeln".
OLG Köln – Schadensersatz wegen Bombenangriff auf Tanklaster: Wegen des Bombenangriffs auf zwei Tanklaster in der Nähe von Kundus im Jahr 2009 klagen Hinterbliebene auf Schadensersatz gegen die Bundesrepublik. Das Verfahren ist nach Klageabweisung in erster Instanz nun in der Berufungsinstanz vor dem Oberlandesgericht Köln anhängig, das am 30. April seine Entscheidung verkünden will. Der Vorsitzende Richter habe verlauten lassen, dass das Gericht der Berufung eher geringe Chancen einräume, berichtet die taz (Anja Krüger).
OVG Münster zu Rundfunkbeitrag: Das Oberverwaltungsgericht Münster hat die Klage dreier Privatpersonen auch in der Berufungsinstanz abgewiesen, die sich gegen den Rundfunkbeitrag wehrten. Wie der Anwalt eines Klägers laut FAZ (Michael Hanfeld) angibt, ging es seinem Mandanten darum, dass er den neuen Beitrag zahlen müsse obwohl er nachweislich weder Fernseher noch Radio nutze. Das Gericht sieht hingegen die Empfangsmöglichkeit als ausreichende Gegenleistung, berichtet focus.de. Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde zugelassen.
LG Ravensburg zu "Preisausschreibung" von Impfgegner: Ein Impfgegner und Virenleugner hatte 100.000 Euro im Internet ausgeschrieben für den, der ihm Beweise für die Existenz des Masernvirus liefern könne. Ein junger Arzt schickte ihm sechs wissenschaftliche Arbeiten und seine Kontonummer, bekam aber kein Geld. Das Landgericht Ravensburg verurteilte den Impfgegner nun zur Zahlung, nachdem es sich mit Sachverständigengutachten davon überzeugt hatte, dass die Nachweise genügten. Es berichtet die SZ (Christina Berndt) und lto.de.
VG Aachen zu Polizisten im TV: Der Auftritt von Polizeibeamten als Experten in sogenannten "scripted-reality"-Sendungen gefährdet nicht per se das Ansehen der öffentlichen Verwaltung, entschied das Verwaltungsgericht Aachen am gestrigen Donnerstag laut lto.de. Der Dienstherr durfte daher die Genehmigung für die Nebentätigkeit den klagenden Beamten nicht verweigern. Der Beamte trete getrennt vom gescripteten Teil der Sendung auf und die Genehmigung könne widerrufen werden, wenn eine Veränderung der Sendung doch zu einer Gefahr für das Ansehen der öffentlichen Verwaltung führe.
OLG München – NSU-Prozess: Vor dem Oberlandesgericht München hat sein bester Freund aus Kinder- und Jugendtagen über Uwe Mundlos und dessen Radikalisierung gesprochen. Es berichtet zeit.de (Tom Sundermann).
AG Tiergarten zu Nasser-Entführung: Als Nasser 15 war, erfuhren seine Eltern von seiner Homosexualität. Im Alter von 17 Jahren entführten ihn sein Vater und sein Onkel, um ihn im Libanon zu verheiraten. Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte beide nun zu 90 Tagessätzen Geldstrafe. spiegel.de (Benjamin Schulz) und SZ (Verena Mayer) berichten von dem Fall und Nassers Geschichte.
VG Lüneburg – Gorleben: Mit einem Eilantrag beim Verwaltungsgericht Lüneburg wollen Greenpeace und der Forstbesitzer Fried Graf von Bernstorff verhindern, dass Gorleben für eine Nutzung als Atommüll-Endlager offengehalten wird, meldet die taz.
Recht in der Welt
Europaratsbeitritt der EU: Im Dezember letzten Jahres hat der Europäische Gerichtshof in einem Gutachten ("Opinion 2/13") die Vereinbarkeit des Vertragsentwurfs über den Beitritt der EU zum Europarat mit europäischem Recht abgelehnt. In einem Beitrag in englischer Sprache verteidigt US-Rechtsprofessor Daniel Halberstam auf verfassungsblog.de das Gutachten und bekommt Gegenwind von Rechtswissenschaftler Tobias Lock sowie Rechtsprofessor Jörg Polakiewicz und Rechtswissenschaftlerin Lucia Brieskova.
Griechenland – Bald Pfändung deutscher Liegenschaften? Das oberste Gericht Griechenlands hatte vor 15 Jahren der Schadensersatzklage von Hinterbliebenen eines von Deutschen 1944 begangenen Massakers im Grunde stattgegeben. Die Forderungen könnten durch Pfändung deutscher Liegenschaften in Griechenland – wie etwa des Goethe-Instituts in Athen – befriedigt werden, was allerdings der Unterschrift des griechischen Justizministers bedarf. Die FAZ (Michael Martens) bringt ein kleines Portrait des derzeitigen Justizministers und Rechtsprofessors Paraskevopoulos, weil dieser, im Gegensatz zu seinen Vorgängern, seinen Willen zu unterschreiben verkündet habe.
IS – Richter hingerichtet: Einer der hochrangigsten Juristen des Islamischen Staats legte das Konzept von "Takfir" – wonach islamische Gelehrte andere Muslime zu Ungläubigen erklären und so zum Tode verurteilen können – zu streng aus. Als er sogar den Quaida-Chef zum Ungläubigen erklärte, bekam die IS-Führung wohl Bedenken ebenfalls in sein Visier zu geraten. Der Richter wurde selbst hingerichtet, wie spiegel.de (Raniah Salloum) berichtet.
Sonstiges
Verzögerung von Bundesratsvorlagen: Nach Artikel 76 Absatz 3 Satz 6 Grundgesetz hat der Bundestag in "angemessener" Frist über Gesetzentwürfe des Bundesrates zu beraten und Beschluss zu fassen. Rechtswissenschaftler Michael Wrase macht auf juwiss.de auf die nach seiner Ansicht gegen diese Norm verstoßende Praxis aufmerksam, in welcher Verzögerungen von durchschnittlich 200 Tagen üblich seien.
Uber beschwert sich bei der EU-Kommission: Mit einer Beschwerde bei der EU-Kommission will das Unternehmen Uber – wegen der Einschränkungen denen es aufgrund von Gerichtsurteilen unterliegt – erreichen, dass die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik einleitet. Das meldet das Handelsblatt.
BGH distanziert sich von frühen Urteilen: 1956 hatte der Bundesgerichtshof in einem Urteil eine Entschädigung für die Zwangsumsiedlung eines Angehörigen der Sinti und Roma im Jahre 1940 abgelehnt mit der Begründung, diese sei nicht "rassisch" motiviert gewesen, sondern eine damals übliche Methode zur "Bekämpfung der Zigeunerplage". BGH-Präsidentin Bettina Limperg habe sich nun von dem Urteil distanziert und wissenschaftliche Aufarbeitung der Rechtsprechung und ihrer Folgen versprochen, melden spiegel.de und Welt.
"Sächsische Demokratie" im Theater: Am Dresdner Staatsschauspiel wird "Das Exempel" von Lutz Hübner und Sarah Nemitz mit viel Anklang aufgeführt. Ein Stück, das "Mutmaßungen über die sächsische Demokratie" am Beispiel des Verfahrens gegen den Protagonisten A. anstellt, der am Ende stirbt und in dessen Grabrede der Ministerpräsidenten ihm attestiert, sich für den Schutz des Staates aufgeopfert zu haben. Der Kassenknüller-Status des Stückes bewegt die SZ (Cornelius Pollmer) dazu, sich mit der Frage nach der "sächsischen Demokratie" in der Realität zu beschäftigen.
Das Letzte zum Schluss
Makaber Koksen: Drei ganz schlaue Kerls haben es im US-Bundesstaat Missouri geschafft, ausgerechnet dort einzubrechen, wo die Asche ihres eigenen Großvaters aufbewahrt wurde. Dann haben sie auch noch ein Gefäß mit unbekanntem weißem Pulver mitgehen lassen. Und weil ja bekanntlich jedes weiße Pulver wahrscheinlich Koks ist, haben sie es sich durch die Nase gezogen. Das meldet justillon.de (Stefan Maier).
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/krü
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 13. März 2015: Haftung bei WLAN-Netzen – Neues Kopftuch-Urteil – BGH distanziert sich von "Zigeunerplage"-Urteil . In: Legal Tribune Online, 13.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14939/ (abgerufen am: 09.05.2024 )
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