Das BVerfG hat die Gerichtsöffentlichkeit bei Deals gestärkt. Außerdem in der Presseschau: EU-Parlament knickt bei Fluggastdatenspeicherung ein, Entwurf für die Regelung des V-Mann-Einsatzes durch den Verfassungsschutz liegt vor, auch bei Azubis ist die Verdachtskündigung erlaubt, "so wichtig wie das tägliche Glas Milch" war nicht irreführend und ein verräterisches Kleidungsstück.
Thema des Tages
BVerfG zu Öffentlichkeit bei Deals: In der Verhandlungspause im Prozess gegen einen mutmaßlichen Drogendealer war die Möglichkeit einer Verständigung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung ausgelotet worden. Das teilte der Vorsitzende anschließend in der Verhandlung mit, nicht aber – wie vorgeschrieben – den wesentlichen Inhalt des Gesprächs. Der Angeklagte wollte keinen Deal und wurde ohne verurteilt. Seine Revision wurde vom Bundesgerichtshof mit dem Argument abgewiesen er habe sowieso nicht aussagen wollen, auch im Fall der Mitteilung hätte er geschwiegen und das Urteil beruhe nicht – wie erforderlich – auf dem Fehler. Mit seiner nun veröffentlichten Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht das Urteil aufgehoben. Die Mitteilung diene nicht nur dazu dem Angeklagten etwaige Aussagen zu ermöglichen, sie sei vielmehr gerade auch an die Öffentlichkeit gerichtet. Der rechtsstaatlich essentielle Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens dürfe gerade durch die Möglichkeit des Deals nicht in Frage gestellt werden, zum Schutz des Angeklagten "vor einem im Geheimen sich vollziehenden Schulterschluss zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung". Es berichten die SZ (Wolfgang Janisch) und der Tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof).
Rechtspolitik
Fluggastdatenspeicherung: Das EU-Parlament hat nun seinen bisherigen Widerstand aufgegeben und sich für die Hinarbeitung auf eine Richtlinie zur Fluggastdatenspeicherung bis Ende des Jahres ausgesprochen. Das meldet nun auch die taz (Christian Rath) und stellt die Eckpunkte und die Geschichte des derzeitigen Vorschlags der Kommission vor. Christian Rath (taz) weist darauf hin, dass das Vorhaben in entscheidenden Punkten sogar noch über die umstrittene Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten hinausgeht – fünf Jahre Speicherung unmittelbar durch den Staat und aktive vorbeugende Auswertung.
V-Mann-Regelung: Das Bundesinnenministerium hat einen Entwurf zur erstmaligen bundesgesetzlichen Regelung des Einsatzes von V-Leuten und Verdeckten Ermittlern durch den Verfassungsschutz vorgelegt, den die SZ (Heribert Prantl) und die FAZ (ahan) vorstellen. Zu Haft ohne Bewährung Verurteilte dürfen "grundsätzlich" als V-Leute nicht eingesetzt werden. Die Begehung von Straftaten ist in verhältnismäßigem Maß erlaubt ebenso wie der Anschluss an kriminelle Vereinigungen, nur nicht "zur steuernden Einflussnahme".
Heribert Prantl (SZ) kritisiert den Entwurf als teils zu vage und im Übrigen von zu großen Ausnahmen geprägt. "Das V-Leute-Unwesen" bleibe daher "ein Karzinom im Organismus des Rechtsstaats".
Opferrechte: Das Kabinett hat einen Gesetzentwurf beschlossen, nach dem Opfer von Straftaten künftig Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung haben, berichtet lto.de. Außerdem sollen Anzeigende besser über das anschließende Verfahren informiert werden und Opfer mit geringen Sprachkenntnissen einen Anspruch auf einen Dolmetscher haben.
Allheilmittel sicherer Herkunftsstaat? Am heutigen Freitag wollen die Innenminister der Länder über Forderungen einzelner CDU- und SPD-Landesministerien beraten, nach den Westbalkanstaaten auch den Kosovo zum sicheren Herkunftsstaat zu erklären. Die erhoffte Wirkung zurückgehender Asylbewerberzahlen aus den entsprechenden Ländern ist jedoch bei jener Regelung ausgeblieben, wie die Berliner Zeitung (Mira Gajevic) berichtet. Hintergrund ist der starke Anstieg an Asylbewerbern aus dem Kosovo, worüber auch die FAZ (elo/jib/reb/rso) schreibt.
EU-Erbrechtsverordnung: Am 17. August tritt die neue EU-Erbrechtsverordnung in Kraft, wonach grundsätzlich das Erbrecht des Mitgliedstaates Anwendung findet, in dem im Zeitpunkt des Todes der gewöhnliche Aufenthaltsort lag. Wo sich das Vermögen befindet oder der Verstorbene gemeldet war, ist unerheblich. Es kann aber eine Rechtswahlklausel zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts verwendet werden, berichtet die SZ (Catrin Gesellensetter).
Freihandelsabkommen: Mit den bekannteren Freihandelsabkommen (Ceta und TTIP) befinden sich insgesamt etwa 30 solcher Verträge der EU in unterschiedlichen Vorbereitungsstadien. Laut SZ (Silvia Liebrich) kritisieren Ökonomen und Rechtswissenschaftlern gerade dieses Nebeneinander einer Vielzahl von Abkommen, die durch unterschiedliche Regelungen gegeneinander wirkten.
Justiz
BAG zu Verdachtskündigung von Azubis: Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die für Arbeitnehmer in ständiger Rechtsprechung anerkannten Regeln zur Verdachtskündigung – Bestehen objektiver Tatsachen und Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung – auch auf Auszubildende Anwendung finden, berichten die FAZ (Joachim Jahn), zeit.de und Rechtsanwalt Thorsten Blaufelder (kanzlei-blaufelder.com).
BGH zu Monsterbacke-Werbespruch: Der Aufdruck "so wichtig wie das tägliche Glas Milch" auf dem Monsterbacke-Joghurt von Ehrmann war nicht irreführend, entschied der Bundesgerichtshof laut taz (Christian Rath). Auf Vorlage hatte der Europäische Gerichtshof jedoch entschieden, dass ein solcher Spruch ohne erklärenden Zusatz gegen die EU-Health-Claims-Verordnung verstoße. Dass – was bekannt ist – der Zusatz fehlte, hat nun nach Zurückverweisung das OLG Stuttgart als Vorinstanz zu entscheiden.
BSG zu Entschädigung bei überlanger Verfahrensdauer: Rechtsanwalt Thorsten Blaufelder (kanzlei-blaufelder.com) teilt ein Urteil des Bundessozialgerichts vom gestrigen Donnerstag mit, nach dem es auf den Streitwert bei der Frage nach Entschädigung für überlange Verfahrensdauer grundsätzlich nicht ankommt.
OVG Berlin/Bbrg – Tegeler Lärmentgelte: Nach einer Erhöhung der Lärmentgelte für Landungen am Flughafen Berlin-Tegel zu Jahresbeginn wird das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im Sommer über eine Klage der Lufthansa gegen Berlin verhandeln, meldet die SZ.
BGH zu Lebensversicherern: Auch der Tagesspiegel (Ursula Knapp) erklärt nun das Urteil des Bundesgerichtshof vom Mittwoch zur Auszahlung der Beteiligung an stillen Reserven und Überschussbeteiligung durch Lebensversicherer.
"Handschlag"-Entscheidung politisch? lawblog. de (Udo Vetter) legt dar, warum die Bewertung des Handschlags zum Amtsantritt – den der Bürgermeister einem NPD-Gemeinderatsmitglied verweigerte – als rein politische Geste, keinesfalls zwingend sei. Und er wagt die "starke Vermutung", dass es bei einem den Handschlag verweigernden NPD-Mitglied eine andere Entscheidung gegeben hätte.
LG Mainz – Nürburgring-Prozess: Das Landgericht Mainz hat den Nürburgring-Prozess ausgesetzt, da noch nicht ausreichend ermittelt sei und die erforderliche Befragung eines Zeugen aus den USA mehrere Monate dauern könne, meldet die taz.
Recht in der Welt
Schweiz – Folgen des Einwanderungsreferendums: Vor einem Jahr sprachen sich die Schweizer per Referendum für Kontingente für Zuwanderer – auch aus der EU – aus und ein entsprechender Gesetzentwurf liegt jetzt vor, meldet die taz (Andreas Zumach). Eine Eins-zu-Eins-Umsetzung der Regelung widerspräche dem Freizügigkeitsabkommen mit der EU und dessen Bruch würde – wegen einer entsprechenden Klausel – auch weitere bilaterale Verträge zu Nichte machen. In der Schweiz ringt man nun um eine Lösung, zu Verhandlungen zeigt sich die EU aber nicht bereit, wie die FAZ (rit) berichtet. Laut SZ (Thomas Kirchner) wird es wohl auf ein weiteres Referendum hinauslaufen.
USA – Diren Dede: Der wegen tödlicher Schüsse auf den deutschen Austauschschüler Diren Dede im Dezember schuldig gesprochene Markus Kaarma erhielt nun eine Haftstrafe von 70 Jahren, meldet spiegel.de.
Ägypten – "Marriott-Zelle" frei: Auch der ägyptische und der (nach Abgabe seiner ägyptischen Staatsbürgerschaft nur noch) kanadische Al-Dschasira-Journalist sind nun, wie zuvor ihr australischer Kollege, aus der Haft entlassen worden, berichtet die FAZ (Markus Bickel). Der Prozess – wegen Unterstützung der Muslimbruderschaft durch "Verbreitung falscher Nachrichten" – ist damit jedoch nicht beendet. Es berichtet auch die taz (Marwa Omara).
Italien – Costa Concordia: Mangels Fluchtgefahr bleibt Francesco Schettino nach seiner Verurteilung zunächst auf freiem Fuß, bis die Instanzen durchlaufen sind, was Jahre dauern könne, wie spiegel.de meldet.
Juristische Ausbildung
Zukunft des Jurastudiums: Der Wissenschaftsrat hat sich 2012 des Jurastudiums und seiner möglichen Veränderungen angenommen. Seit Dezember 2014 haben einige Rechtsprofessoren die Debatte über die FAZ auch in die nichtjuristische Welt getragen. Rechtswissenschaftler Michael Wrase (juwiss.de) fasst die Argumente der Professoren zusammen und sieht eine gemeinsame Linie auch mit dem Wissenschaftsrat: das Staatsexamen soll bleiben, aber mit weniger Prüfungsstoff, dafür mehr Grundlagen der Rechtswissenschaft im Studium.
Sonstiges
Untersuchungsausschuss Biblis: Im Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags zur Abschaltung des Atomkraftwerks Biblis soll am heutigen Freitag der frühere RWE-Chef Jürgen Großmann aussagen. Die SZ (M. Bauchmüller/S. Höll) erläutert, was seinerzeit vorgefallen ist und wie sich der Bund und das Land Hessen die Verantwortung für den vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof 2013 festgestellten Verfahrensfehler zuschieben. Beide werden derzeit vor dem Landgericht Essen vom Biblis-Betreiber RWE auf Schadensersatz verklagt.
"Mundtote" Polizisten im Interview: Sie ermittelten wegen eines mutmaßlichen Systems zum Abrechnungsbetrug im bayerischen Gesundheitssystem. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt und als sie sich beschwerten, wurde gegen sie ermittelt. Nun wird es einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss geben und die beiden bayerischen Polizisten sprachen mit der taz (Lisa Schnell) über ihre Erfahrungen.
Das Letzte zum Schluss
Nicht nur ein modischer Fauxpas: Radlerhosen haben modisch kaum eine Existenzberechtigung. Will man aber 50 Gramm Kokain in seiner Hose transportieren, sollte man unabhängig von modischer Kritikwürdigkeit ein geräumigeres Modell versuchen. Bei der Polizei dürfte der Radlerhosenträger, von dem justillon.de berichtet, gemischte Gefühle ausgelöst haben. Ein leichter Fund, aber ohne Durchsuchung lassen sich andere Gründe für große Beulen im Schritt nervöser Herren eben nicht ausschließen.
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/krü
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 13. Februar 2015: Dealen bitte öffentlich – Azubis bei Verdacht kündigen – Konsequenzen eines Schweizer Referendums . In: Legal Tribune Online, 13.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14678/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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