Dem Europaparlament liegt eine Richtlinie zur Fluggastdatenspeicherung vor, die für 5 Jahre pro Flug auch speichern will, was in der Luft gegessen wird. Außerdem in der Presseschau: Beschneidungsgesetz beschlossen, Bundesanwaltschaft gibt Fehler zu, Fußballgewalt, Dönerbuden im Examen und ein Bordell in der Nachbarschaft, das kein allgemeines Lebensrisiko darstellt.
EU-RiLi zu Fluggastdatenspeicherung: Mit dem Entwurf einer Richtlinie zur Fluggastdatenspeicherung, dem das EU-Parlament noch zustimmen müsse, setzt sich detailliert Heribert Prantl (SZ) auseinander. Für 5 Jahre sollen künftig, auch für innereuropäische Flüge, - zur Terror- und Kriminalitätsabwehr - so ziemlich alle Fluggastdaten bei so genannten PNR (Passenger Name Record)- Zentralstellen in den Mitgliedstaaten gespeichert werden. Für innereuropäische Flüge werde dies möglicherweise optional für die Staaten. "Zugriffsfrei" blieben aber, selbst wenn Deutschland sich gegen diese Option entscheide, letztlich wohl nur "innerdeutsche Flüge deutscher Fluggesellschaften". Prantl erläutert, wie die Speicherdauer dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung entgegen stünde und dass gegen die Schengen-Grundsätze verstoßen würde.
Weitere Themen- Rechtspolitik
Beschneidungs-Gesetz: U.a. die taz (Daniel Bax) berichtet über die Bundestagsabstimmung zum Beschneidungsgesetz. Der Regierungsentwurf, welcher eine straffreie Beschneidung bei Knaben von Geburt an erlaube, sei mit großer Mehrheit angenommen worden. Die FR (Bettina Vestring) informiert ebenfalls. Dezidiert setzt sich Rechtsprofessor Hans-Michael Heinig (verfassungsblog.de) mit dem Gesetzentwurf und den aufgeworfenen Rechtsfragen auseinander und befindet u.a.: "Der Gesetzentwurf ist verfassungsrechtlich über jeden Zweifel erhaben."
Heribert Prantl (SZ) meint, das Gesetz sei das Minimum und wer dies anders sehe, "möge sich vorstellen, dass er der Strafrichter sein muss, der einen gläubigen Juden "wg. Beschneidung" verurteilt und für sechs Monate ins Gefängnis schickt." Reinhard Müller (FAZ) hebt hervor: "Bemerkenswerterweise" knüpfe die Regelung "die Entfernung der Vorhaut an Bedingungen, sieht aber von jeder Begründungspflicht ab". Die Politik handele nicht im luftleeren Raum: "Die körperliche Unversehrtheit des einzelnen Kindes muss hinter der Unantastbarkeit der deutsch-jüdischen Symbiose zurückstehen."
BT-Rechtsausschuss zu Strafrechtsänderung: Auf dem Blog der Kanzlei Hoenig (Carsten R. Hoenig) ist zu erfahren, dass gestern eine Anhörung im Bundestags-Rechtsausschuss zur "Beschränkung der Möglichkeit zur Strafmilderung bei Aufklärungs- und Präventionshilfe", also zu § 46b StGB, unter Kanzlei-Beteiligung stattgefunden habe.
Vermittlungsausschuss droht: Wie die FAZ (G. Bannas/ P. Carstens) informiert, drohen einige Landesregierungen mit der Anrufung des Vermittlungsausschusses heute im Bundesrat: Streitpunkte seien das geplante Betreuungsgeld sowie das Gesetz zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrages.
Düsseldorfer Tabelle: Ironisch nennt die Familienrechtlerin Jutta Wagner auf lto.de die nun wieder angepasste "Düsseldorfer Tabelle" zum Kindesunterhalt eine "schöne Bescherung". Sie prangert das vom Oberlandesgericht Düsseldorf in Abstimmung mit anderen Oberlandesgerichten und der Unterhaltskommission des Deutschen Familiengerichtstages festgelegte "Pseudogesetz" an.
Punkte in Flensburg: Über den Kabinettsentwurf zur Reform der Flensburger Verkehrssünderkartei informiert knapp lto.de, wonach es künftig weniger Punkte geben solle.
Weitere Themen – Justiz
BAG zu Wünschen im Arbeitszeugnis: Keinen Dank und gute Wünsche müsse ein Arbeitgeber dem ehemaligen Mitarbeiter im Zeugnis mit auf den Weg geben. So entschied das BAG laut lto.de.
BVerwG zu NPD-Strafzahlung: Wie die FAZ (Peter Carstens) weiß, hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) gestern entschieden, dass die NPD wegen ihres fehlerhaften Rechenschaftsberichtes nur 1,27 Millionen statt 2,5 Millionen Euro Strafe zahlen muss. Die Partei habe damit einen "Teilerfolg" gegen den Bundestagspräsidenten erzielt; die "Unrichtigkeiten" im Bericht bestünden nicht in der ursprünglich beanstandeten Höhe.
BGH zu Verdachtsberichtserstattung: Die gestern bekannt gewordene Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH), das "pressefeindliche Urteil" des Oberlandesgericht (OLG) Hamburg aufzuheben, erläutert telepolis.de (Markus Kompa). In dem Fall ging es um die Verdachtsberichterstattung über die mutmaßliche IM-Tätigkeit eines linken Politikers.
AG Monschau zu Religionsunterricht und Erziehungsrecht: Auf seinem Kanzlei-Blog erläutert Klaus Wille eine Entscheidung des Amtsgericht (AG) Monschau zur Frage, welcher Elternteil über den Besuch des Religionsunterrichts bei konfessionslosen Kindern entscheiden könne: Im konkreten Fall sei die Entscheidungsbefugnis unter Berufung auf das Kindeswohl dem Vater zugesprochen worden, der einen Besuch dieses Unterrichts im christlich geprägten Wohnort gewollt habe.
NPD-Verbot: Die Staat und Recht-Seite der FAZ steht diese Woche im Zeichen eines möglichen NPD-Verbotsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Rechtsprofessor und Richter des Wiener Verfassungsgerichts, Christoph Grabenwarter befasst sich mit dem Verhältnis von Bundesverfassungsgericht und Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte und zieht das Fazit, der EGMR werde im Falle eines Karlsruher Verbotes keine Korrektur vornehmen: "Europäische Standards" beziehe das Gericht sicher genügend ein. Grabenwarter erläutert Zusammensetzung und Maßstäbe des EGMR und dessen Betonung des Funktionszusammenhangs zwischen Menschenrechtsgarantien und Sicherung der Demokratie.
Politikprofessor Claus Leggewie und Autor und Jurist Horst Meier befassen sich mit dem drohenden "abenteuerlichen Gang nach Karlsruhe". Die Parteienfreiheit sei eine Errungenschaft des Grundgesetzes gerade gegen die "obrigkeitsstaatliche und totalitäre Tradition des Deutschen Reiches" gewesen. Der "legale Spielraum der Opposition" dürfe mit einem Verbot nur eingeschränkt werden, wenn das zur Verteidigung von Demokratie und Pluralismus zwingend notwendig sei.
Ottfried Fischer gg. Springer-Verlag: Vor dem Verhandlungstermin am Landgericht München im Fall von Ottfried Fischer gegen den Springer-Verlag berichtet die Zeit (H. W. Kilz/ M. Kotynek) noch einmal ausführlich über die Hintergründe des Falles. Verhandelt wird wieder, nachdem das Oberlandesgericht (OLG) München in diesem April ein Urteil des LG München aufhob. Die Zeit erwartet, dass das nächste Urteil "den Boulevardjournalismus verändern" könnte.
Bundesanwaltschaft: Von der Jahrespressekonferenz der Bundesanwaltschaft (BAS) berichtet die SZ (Wolfgang Janisch): Generalbundesanwalt Harald Range fordere mehr "Zugriffsrechte" für die BAS zur besseren Informationserhebung. Die taz (Christian Rath) berichtet ebenfalls: Zurzeit liefen bundesanwaltschaftliche Ermittlungen gegen 3 "Nazi-Terrorvereinigungen", wie Rainer Griesbaum, stellvertretender Generalbundesanwalt, auf der Konferenz erklärte; diesen liege jeweils jedoch nur ein Anfangsverdacht zugrunde, so die taz. Griesbaum habe weiter Versäumnisse bei den NSU-Ermittlungen eingeräumt, man habe den rechten Terror unterschätzt.
Zugang zu Gerichten enger: Auch in der Justiz dürfe es Sicherheit nicht "um jeden Preis" geben, findet der Rechtswissenschaftler Florian Albrecht auf lto.de: Verschärfte Zugangskontrollen bei Gerichten - insbesondere für Zuschauer - , wie von den Justizministern mit Blick auf den Dachauer Todesschützen gewollt, förderten die "Geheimjustiz".
Ermittlungen bei der Deutschen Bank: Die Durchsuchungen und Festnahmen bei der Deutschen Bank im Zuge der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt wegen Umsatzsteuerhinterziehung erläutern u.a. zeit.de sowie die FAZ (Hanno Mußler). Ermittelt werde auch gegen den Co-Vorstandsvorsitzenden Jürgen Fitschen und Stefan Krause, den Finanzvorstand. Spiegel.de bringt eine Übersicht zu den "Sünden" der Deutschen Bank und ihren Ärger mit der Justiz vom Aktuellsten über den Libor-Skandal zum Zins-Swaps.
Mit dem Jura-Professor Kai Bussmann spricht das Handelsblatt (Peter Köhler) über Ermittlungsschwierigkeiten bei Finanzdelikten und die neue härtere Gangart der Justiz.
Gustl Mollath: Dem Fall Gustl Mollath widmet die Zeit (A. Blasberg/ K. Kohlberg/ S. Rückert) einen ausführlichen, kritischen Bericht.
Sonstiges
Fußballgewalt?: Claudio Catuogno (SZ) kommentiert zur aktuellen Debatte um die Bekämpfung von Gewalt in Fußballstadien: Es werde nicht "immer schlimmer" bei "im Schnitt" 1,5 Verletzten pro Spiel. Auch der Übernahme der Polizeieinsatz-Kosten durch die Klubs steht er ablehnend gegenüber.
In Fragen und Antworten erläutert bild.de das DFL- Sicherheitskonzept, dem gestern auch die Vereine gegen den Protest vieler Fans zustimmten.
Jura-Examen im Dönerparadies: Über eine Jura-Examensaufgabe des Landesjustizprüfungsamtes Nordrhein-Westfalen lässt sich im Gesellschaft und Kultur-Teil der taz Deniz Yücel unter dem Titel "Gülegüle im Dönerparadies" aus: In der Aufgabe seien alle "Klischees über Deutschtürken" bedient worden: Die Obst- und Gemüsehändlerin will einen Dönerladen übernehmen, hat aber einen mit Rauschgift handelnden Sohn. Yücel dazu: Polizisten, Staatsanwälte und Verfassungsschützer müssten ja lernen, bei Ausländern ganz genau hinzuschauen – wie sonst hätten sie "jemals die mysteriösen Morde an neun Kleinunternehmern, acht türkischen und einem griechischen, aufklären können"?
"Anschläge auf die Demokratie": Mittels einer Deutschlandkarte aufbereitet stellt die taz (Johannes Wendt) in ihrem Schwerpunkt Gewalt gegen Parteieinrichtungen in Deutschland dar; in den Jahren 2010 bis 2012 habe es über 600 Fälle gegeben.
Das Letzte zum Schluss
Bordell als Lebensrisiko: Im Adventskalender des wissMit-Blogs findet sich ein Urteil des Berliner Landgerichts aus dem Jahr 2000 zu Bordellen in der Nachbarschaft: Einen Mangel der Mietsache stelle zwar nicht das bloße Auffinden eines solchen Betriebs dar, dies gehöre zum allgemeinen Lebensrisiko; bei konkreten Beeinträchtigungen wie "Gestöhn bei Geschlechtsverkehr oder Folterungen, das in den Wohnungen zu hören ist" sei das anders.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in den heutigen Printausgaben oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dc
(Hinweis für Journalisten)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 13. Dezember 2012: EU will Fluggastdaten - Beschneidungsgesetz beschlossen - Rechter Terror unterschätzt . In: Legal Tribune Online, 13.12.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7777/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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