Düsseldorfer Tabelle: Ein Pseudogesetz

von Jutta Wagner

12.12.2012

An Weihnachten gibt es Bescherung. Die Kinder, dürfen sich über Geschenke freuen, die Eltern, müssen sie kaufen. Nur mit der neuen Düsseldorfer Tabelle, die der Nikolaus Eltern und Kindern brachte, ist es anders herum: Die barunterhaltspflichtigen Elternteile, vulgo: Väter, erhalten kleinere Geschenke und wer bezahlt sie wohl, fragt Jutta Wagner.

In der Düsseldorfer Tabelle legt das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf in Abstimmung mit den anderen Oberlandesgerichten und der Unterhaltskommission des Deutschen Familiengerichtstages Leitlinien für den Kindesunterhalt fest; also wie viel ein Elternteil dem anderen zahlen muss, bei dem das Kind nicht lebt. Die Tabelle wird seit 1962 geführt und alle zwei Jahre überarbeitet.

Zum 01. Januar 2013 steht die nächste Anpassung an, die das OLG bereits in der vergangenen Woche mitteilte. Verschiedene Selbstbehalte gegenüber Kindern, Ehegatten, Müttern und Vätern nichtehelicher Kinder und Eltern sollen um Beträge zwischen 30 und 100 Euro angehoben werden.

Nichtanpassung des Kinderunterhalts nicht zu rechtfertigen

Die Beträge für den Kinderunterhalt sind dagegen seit Januar 2010 unverändert und werden dies auch 2013 bleiben. Dies wird damit begründet, dass der steuerliche Kinderfreibetrag 2013 nicht angehoben werden soll.

Das ist eine Pseudobegründung, genauso wie die Düsseldorfer Tabelle kein Gesetz, sondern ein Pseudogesetz ist, inzwischen allerdings bekannter als die gesetzlichen Vorschriften zum Kindesunterhalt. § 1612a Bürgerliches Gesetzesbuch (BGB) regelt die Anknüpfung an den Kinderfreibetrag lediglich für den Mindestunterhalt minderjähriger Kinder, nicht für höhere Unterhaltsbeträge. Alles andere ist eine unverbindliche Vereinbarung unter den beteiligten Richtern der beteiligten Gerichte.

In § 1610 Abs. 2 BGB heißt es dagegen ausdrücklich: "Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf, bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung." Eine Bestimmung des gesamten Lebensbedarfs nach Steuerfreibeträgen ist dort nicht vorgesehen. Faktisch bedeutet die Nichtanpassung der Düsseldorfer Tabelle daher eine jährliche Unterhaltskürzung für unterhaltsberechtigte Kinder bei einer jährlichen Inflationsrate von um die zwei Prozent.

Im Zweifel muss der Staat einspringen

Reine Fiktion bleibt auch eine weitere Vorschrift: § 1606 Abs. 3 S. 3 BGB: "Der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes."

In Wirklichkeit verhält es sich so, dass bei Alleinerziehenden mit einem Kind im Schnitt 222 Euro ankommen, was zwölf Prozent der ausgabefähigen Einkommen und Einnahmen ausmacht. Mit durchschnittlich 397 Euro erhalten Alleinerziehende mit zwei Kindern 17 Prozent der ausgabefähigen Einkommen und Einnahmen und mit 492 Euro Alleinerziehende mit drei oder mehr Kindern 18 Prozent. Dies zeigt die im September 2010 veröffentlichte Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS 2008) des Statistischen Bundesamts.

Im Ergebnis ist es also tatsächlich so, dass der Barunterhalt des einen Elternteils bei weitem nicht den finanziellen Aufwand für ein Kind deckt und der  andere Elternteil, der seiner Unterhaltspflicht durch die Betreuung des Kindes nachkommt, kräftig zuschießen muss, soweit er dazu in der Lage ist und nicht der Staat ohnehin einspringen muss.

Zur vertiefenden Lektüre sei das jüngst erschienene Buch von Marianne Breithaupt "50 Jahre Düsseldorfer Tabelle, 50 Jahre verordneter Unterhaltsverzicht" empfohlen. Fazit: Eine schöne Bescherung.

Die Autorin Jutta Wagner ist Fachanwältin für Familienrecht und Notarin in Berlin.

Zitiervorschlag

Jutta Wagner, Düsseldorfer Tabelle: Ein Pseudogesetz . In: Legal Tribune Online, 12.12.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7761/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

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