Ausgerechnet ein Finanzbeamter soll der Täter gewesen sein. Das LG Lübeck verhandelt über schwere Brandstiftung an einem Haus für Flüchtlinge. Außerdem in der Presseschau: Justizminister will Kunden von Zwangsprostituierten bestrafen, LG Heilbronn verurteilt Bauern nach Schüssen auf eigenen Sohn milde, Klage auf Herausgabe der NSA-Selektoren könnte Erfolg haben und warum ein elfjähriger Fußballer vielleicht Schadensersatz für die Brille einer Spielermutter zahlen muss.
Thema des Tages
LG Lübeck - Brandanschlag auf Asylheim: Vor dem Landgericht Lübeck ist ein Finanzbeamter wegen schwerer Brandstiftung angeklagt. Er wohnt in der Gemeinde Escheburg neben einem Haus, in das sechs Asylbewerber aus dem Irak einquartiert werden sollten. Im Februar hat der Mann versucht, so sein Geständnis, mit Farbverdünner einen Brand zu legen, um das Haus unbewohnbar zu machen. Er wollte dabei Frau und Kinder und "das Schöne", das die Familie sich aufgebaut hat, vor den möglicherweise traumatisierten Flüchtlinge schützen. Über den Prozess, der vorige Woche begann, berichtet der Spiegel (Julia Jüttner/Wolf Wiedmann-Schmidt).
Rechtspolitik
Zwangsprostitution: Männer, die für Sex mit einer Prostituierten bezahlen, obwohl sie Kenntnis von deren Zwangslage haben, sollen mit Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren oder Geldstrafen rechnen müssen. Das sieht laut Spiegel (Melanie Amann u.a. - spiegel.de-Zusammenfassung) eine Regelungsskizze des Bundesjustizministeriums vor. Das Delikt soll "schwere Ausbeutung" genannt werden. Ob eine Zwangslage auch schon bei wirtschaftlicher Not angenommen wird, sei noch unklar.
Doping: Der Entwurf für ein Anti-Doping-Gesetz wird wohl vor seiner Verabschiedung noch verschärft. Das kündigte laut Samstags-FAZ (Michael Reinsch) Justizminister Heiko Maas im Bundesrat an. Diskutiert wurde dort insbespondere über Strafbarkeitslücken bei Athleten, die sich im Ausland für Veranstaltungen im Inland dopen.
Vorratsdatenspeicherung: Der Spiegel (Melanie Amann u.a. - spiegel.de-Teilzusammenfassung) beschreibt Probleme mit dem geplanten Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung. Wenn Telekommunikationsanbieter an mehrere Mobilfunk-Nutzer die gleiche IP-Adresse vergeben, helfe deren Speicherung nicht. Außerdem sollen WhatsApp- und Facebook-Nachrichten nicht erfasst sein. Der Zugriff auf die Daten solle bei praktisch relevanten Delikten wie Betrug nicht möglich sein. Die Einführung von Höchstspeicherfristen führe dazu, dass auch die heute übliche (manchmal längere) technisch oder kommerziell begründete Daten-Speicherung zeitlich begrenzt werde.
Mord: Die von Justizminister Maas berufene Expertenkommission konnte sich laut Spiegel (Melanie Amann) nicht auf eine konkrete Empfehlung zur Reform des Mord-Tatbestandes im Strafgesetzbuch einigen. Der Automatismus einer lebenslangen Strafe soll allerdings fallen.
WLAN-Haftung: Rechtsprofessor Thomas Hoeren kritisiert in der Montags-SZ den Referentenentwurf des Wirtschaftsministeriums zur WLAN-Haftung. Es sei nicht einzusehen, dass nichtkommerzielle Freifunker schärfer haften als kommerzielle Anbieter wie etwa Cafés. Dem Entwurf stellt er die bisherige Rechtsprechung gegenüber, die überwiegend die Haftungsfreistellung des § 8 Telemediengesetz anwendet.
NS-Verbrechen: Baden-Württemberg will bei der Justizministerkonferenz im Juni vorschlagen, die Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg zukünftig, wenn keine Täter mehr leben, als Forschungs- und Informationszentrum weiterzuführen. Das meldet der Spiegel (Jan Friedmann).
Sportwetten: Der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU), der federführend im Auftrag aller Bundesländer für die Vergabe von zwanzig Sportwetten-Konzessionen zuständig ist, will den Ministerpräsidenten vorschlagen, auf die zahlenmäßige Begrenzung der Konzessionen zu verzichten. Wegen zahlreicher Gerichtsverfahren ziehe sich das Verfahren schon rund drei Jahre. Die Montags-FAZ (Michael Ashelm) schildert die juristische Kritik an den Verfahren.
Bundespräsident: Jost Müller-Neuhof (Sonntags-Tagesspiegel) meldet, dass Bundespräsident Joachim Gauck bei der Ausfertigung der Gesetze zur PKW-Maut und zur Tarifeinheit verfassungsrechtliche Zweifel äußern, aber nicht begründen werde. Er kommentiert: "Es sind sinnlose Zweifel. Sie helfen niemandem, nur dem Amtsinhaber. Präsidentenzweifel nutzen nur, wenn sie transparent sind."
No Spy-Abkommen: Das vermeintliche Angebot der USA auf Abschluss eines No Spy-Abkommens mit Deutschland hat es nie gegeben. Das schildert die Samstags-SZ (John Goetz u.a. - sueddeutsche.de-Zusammenfassung) anhand deutsch-amerikanischer E-Mail-Wechsel. Als Drama in acht Akten schildert den Fall die Montags-taz (Christian Rath). In einem separaten Kommentar fordert Christian Rath (Montags-taz), dass die Bundestagsgremien künftig nicht mehr auf Erklärungen der Bundesregierung vertrauen, sondern die internen Unterlagen verlangen sollten.
Justiz
BVerfG - NPD-Verbot: Bis zum 15. Mai muss der Bundesrat dem Bundesverfassungsgericht zusätzliche Belege für die Gefährlichkeit der NPD und das Abschalten der V-Leute in der NPD-Führung vorlegen. Die Länder wollen nun die in camera-Einsicht in Verfassungsschutz-Akten anbieten, meldet zeit.de.
BGH zu WEG-Recht: Die Nutzung von Kellerräumen entgegen der Teilungserklärung als Wohnraum kann auch nach jahrzehntelanger Duldung von anderen Mitgliedern der Wohnungseigentümer-Gemeinschaft bei einer Neuvermietung angegriffen werden. Das entschied der Bundesgerichtshof laut lto.de und lehnte sowohl Verjährung als auch Verwirkung ab.
LG Heilbronn verurteilt Bauern wegen Totschlag: Das Landgericht Heilbronn hat einen 83-jährigen Bauern wegen minder schweren Totschlags zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Der Bauer hatte seinen möglicherweise psychisch kranken 54-jährigen Sohn erschossen, nachdem dieser den Hof heruntergewirtschaftet hatte und die Eltern immer wieder bedrohte. Fall und Urteil werden im Spiegel (Gisela Friedrichsen) geschildert.
LG München zu Hypo Alpe Adria: Die BayernLB kann Kredite von über zwei Milliarden Euro von ihrer notverstaatlichten ehemaligen Tochter Hypo Alpe Adria und deren Abwicklungsanstalt Heta zurückverlangen. Das entschied das Landgericht München laut Samstags-SZ (Stephan Radomsky). Die österreichische Seite wolle in Berufung gehen.
AG München zu Vermieter-Beleidigung: Wenn ein Mieter seinen im gleichen Haus wohnenden Vermieter als "promovierten Arsch" tituliert, kann das Mietverhältnis fristlos und ohne Abmahnung gekündigt werden. Das entschied laut spiegel.de das Amtsgericht München.
LG Göttingen zu manipulierten Organtransplantationen: Bruno Meiser, der Präsident der Zentralen Organvergabestelle Eurotransplant, spricht im Interview mit dem Spiegel (Antje Windmann) über den Freispruch des Landgerichts Göttingen für Transplantationsarzt Aiman O., der seine Patienten durch Manipulationen auf der Warteliste nach vorne bugsierte. Solche Manipulationen seien inzwischen strafbar, O. werde in Deutschland wohl keinen Arbeitsplatz mehr finden. Die ärztliche Selbstverwaltung solle weiter für die Regeln der Transplantationsmedizin und deren Kontrolle verantwortlich bleiben, müsse aber professionalisiert werden.
Middelhoffs Anwalt und Villa: Die Samstags-SZ (Leo Klimm/Uwe Ritzer) beschreibt ausführlich die wechselnden Eigentumsverhältnisse an der Saint Tropezer Villa von Ex-Manager Thomas Middelhoff. Sein Anwalt Hartmut Fromm versucht gerade, die Villa zu verkaufen. Der Anwalt ist auch intensiv in die Verwaltung eingebunden und hat hier auch seine Honoraransprüche abgesichert.
Recht in der Welt
Großbritannien - EU: Maximilian Steinbeis (Verfassungsblog.de) steht einem britischen Referendum über die EU-Mitgliedschaft positiv gegenüber. Zum einen rechnet er mit einer Mehrheit für den EU-Verbleib. Zum anderen sei der britische Wunsch nach Verhandlungen "eine einmalige Gelegenheit, eine Reihe von Vertragsänderungen durchzuführen, die wir für die Bewältigung der immer noch ungelösten Probleme der Währungsunion dringend brauchen."
Ägypten - Mubarak: Ein ägyptisches Gericht hat Ex-Staatspräsident Hosni Mubarak und seine zwei Söhne wegen Veruntreuung von staatlichen Mitteln zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, meldet zeit.de.
Sonstiges
NSA-Selektoren und Parlamentskontrolle: Der emeritierte Rechtsprofessor Ulrich Battis erklärt im Interview mit dem Spiegel (Melanie Amann - spiegel.de-Zusammenfassung), dass die Bundesregierung die Listen mit den NSA-BND-Selektoren den zuständigen Bundestagsgremien herausgeben muss. Eine Klage der Gremien beim Bundesverfassungsgericht habe "nicht schlechte" Chancen.
Kirchliches Arbeitsrecht: Rechtsanwalt Ulrich Hammer erläutert im Interview mit der Montags-Badischen Zeitung (Christian Rath) den Beschluss der katholischen Bischofskonferenz zur Liberalisierung des kirchlichen Arbeitsrechts: "Die Wiederheirat Geschiedener wird auch in der neuen Grundordnung als Loyalitätsverletzung gesehen. Nur die Rechtsfolgen sind jetzt milder." Die Wiederheirat gelte nicht mehr stets und für alle Beschäftigte als zwingender Kündigungsgrund.
Kita-Streik und Arbeitsrecht: Die Anwälte Babette Kusche und Carsten Lienau erläutern auf lto.de die arbeitsrechtlichen Folgen des Kita-Streiks für betroffene Eltern. Wer es nicht schafft, eine alternative Betreuung für sein Kind zu organisieren, muss den Arbeitgeber rechtzeitig informieren, dass er nicht kommen kann. Für einige Tage sei dann sogar mit Lohnfortzahlung zu rechnen.
Das Letzte zum Schluss
Schadensersatz und Jugendfußball: Der elfjährige Jonas C. hat sich vor seinem Einsatz bei einem Vereinsspiel in Bayern warmgeschossen. Der Ball traf dabei eine am Spielfeldrand stehende Spielermutter ins Gesicht und zerbrach deren Brille. Jetzt soll der Junge bzw. seine Versicherung Schadensersatz von über 900 Euro zahlen. Der Fall wird nun vor Gericht entschieden. Entscheidender Dissens. Hat Jonas der Spielermutter absichtlich ins Gesicht geschossen oder ist der Ball von der Torlatte unglücklich abgeprallt. Seit Erhalt der Schadensersatz-Forderung schläft der junge Sportler schlecht, schreibt in der Schule schlechte Noten und hat keine Lust mehr auf Fußball, schildert focus.de das Drama.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 9. - 11. Mai 2015: Brandanschlag auf Asylheim – Totschlag am Sohn des Bauern – Herausgabe der NSA-Selektoren . In: Legal Tribune Online, 11.05.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15503/ (abgerufen am: 11.05.2024 )
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