Der BGH hat die Anzahlungen und Stornogebühren bei Pauschalreisen begrenzt. Außerdem in der heutigen Presseschau: Frauenquote im öffentlichen Dienst, EU gegen Steuervermeidung, BGH zu RSS-Feeds, kein Prozess gegen NS-Verbrecher, Karl Dall in der Schweiz freigesprochen und ein radioaktiver Schmuggel aus Russland.
Thema des Tages
BGH zu Pauschalreisen: Am gestrigen Dienstag hat der Bundesgerichtshof ein Urteil zu Anzahlungen und Stornogebühren bei Pauschalreisen gefällt. Die SZ (Wolfgang Janisch), die taz (Christian Rath), die Welt (Ernst August Ginten) und der Tagesspiegel (Ursula Knapp) stellen das Urteil ausführlich vor. Mehrere Verbraucherzentralen hatten in drei Verfahren gegen Reiseveranstalter geklagt, die in ihren AGB eine Anzahlung von bis zu 40 Prozent auf den Reisepreis und hohe Rücktrittspauschalen verlangten. Der BGH habe entschieden, dass der bisher anerkannte Anzahlungsbetrag von 20 Prozent des Reisepreises nur überschritten werden darf, wenn ein sachlicher Grund besteht und die Reiseveranstalter die entstandenen Aufwendungen nachweisen. Für die Erhebung der Stornogebühren müssen ebenfalls konkrete Ausgaben nachgewiesen werden. Angemessen sei zudem eine Zahlungsverpflichtung auf den Gesamtpreis bis zu 30 Tagen vor der Abreise.
Rechtspolitik
Frauenquote: Wie die taz (Heide Oestreich) berichtet, haben mehrere Frauenverbände die geplante Regelung für eine Frauenquote im öffentlichen Dienst kritisiert. Problematisch sei neben dem Erfordernis der exakt gleichen Qualifikation die Ausnahme bei der Besetzung von "wesentlichen" Gremien und Sachverständigenräten, wo ein "Hinwirken" auf die Erreichung der Quote ausreichen soll.
Nach Ausführungen von Professor Gregor Thüsing in der FAZ würde die Frauenquote gegen das EU-Recht verstoßen. Der Europäische Gerichtshof habe feste Quoten mehrmals für unzulässig erklärt.
Steuervermeidung: Laut der FAZ (Werner Mussler) und dem Handelsblatt (Ruth Berschens) haben die EU-Finanzminister am gestrigen Dienstag mehrere Gesetzvorhaben im Kampf gegen die Steuervermeidung beschlossen. Unter anderem soll die Amtshilfe-Richtlinie einen Informationsaustausch über Zinsgewinne vorsehen und eine Reform der Mutter-Tochter-Richtlinie Steuerersparnisse durch grenzüberschreitende Gewinnverrechnungen erschweren. Zudem plane die EU-Kommission eine Regelung, die zum Informationsaustausch über Absprachen zwischen Behörden und Unternehmen verpflichten soll.
Bundesdatenschutzbeauftragte: Nikola Schmidt diskutiert auf verfassungsblog.de den Gesetzentwurf zur Stärkung der Unabhängigkeit des Amtes der Bundesdatenschutzbeauftragten. Sie soll unter anderem nicht mehr der Rechtsaufsicht der Bundesregierung unterworfen sein. Kritikwürdig sei dagegen die Beschränkung der Aussagefähigkeit der Bundesdatenschutzbeauftragten vor Gericht. Bei Sachverhalten, die den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung betreffen, soll sie lediglich im Einvernehmen mit der Bundesregierung aussagen dürfen.
Justiz
BGH zu RSS-Feeds: internet-law.de (Thomas Stadler) stellt ein Urteil des Bundesgerichtshofs zur Unterlassungserklärung und Persönlichkeitsrechtsverletzung bei Weiterverbreitung von Internetinhalten durch Dritte vor. Das Gericht habe entschieden, dass die Weiterverbreitung von Inhalten – die von einer Unterlassungsverpflichtung erfasst sind – durch Bezieher von RSS-Feeds keinen Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung des Unterzeichners darstellen. Dagegen sprach es dem Kläger Schadensersatz zu, weil die Persönlichkeitsrechtsverletzung der Erstveröffentlichung zuzurechnen sei.
BVerwG zu Pflegegeld für Großeltern: In einem Grundsatzurteil hat das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung zur finanziellen Unterstützung von Großeltern revidiert, die ihre Enkelkinder erziehen, erläutert welt.de (Sven Eichstädt). Die bisherigen Voraussetzungen zur Leistung von Pflegegeld an Großeltern habe das Gericht für überholt erklärt. Nach einem Urteil des BVerwG aus dem Jahr 1996 sei erforderlich gewesen, dass die Großeltern ihre Bereitschaft zur unentgeltlichen Pflege der Enkelkinder ausdrücklich zurückziehen und das Jugendamt vor die Wahl stellen müssen, Pflegegeld zu leisten oder das Kind in eine Pflegefamilie zu geben.
BVerwG zu BAföG: Wie lto.de meldet, hat das Bundesverwaltungsgericht am gestrigen Dienstag entschieden, dass der Bedarf zur Ausbildungsförderung in Form der BAföG-Vorausleistung um den Betrag des Kindergeldes gekürzt werden darf. Der Anspruch auf den gesamten Bedarf bestehe nur, wenn die Ausbildung durch die tatsächliche finanzielle Lage gefährdet sei.
BFH zu Grundsteuer: Der Bundesfinanzhof hält die Einheitsbewertung für Grundvermögen bei der Grundsteuer ab dem Stichtag 1. Januar 2009 für verfassungswidrig und hat den Fall deshalb dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt, meldet die FAZ (Joachim Jahn). Die Bewertungsregeln seien veraltet, weil sie sich an den Verhältnissen aus dem Jahr 1964 richten und verstoßen nach Ansicht des Gerichts gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Absatz 1 Grundgesetz.
LVerfG LSA zur zwangsweisen Untersuchung: Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Johanna Decher analysiert auf juwiss.de eine Entscheidung des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt, das eine Ermächtigungsgrundlage zur zwangsweisen Untersuchung auf "besonders gefährliche Krankheitserreger" im Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt für teilweise verfassungswidrig erklärt hat. Die zwangsweise Untersuchung einer Person sei wegen der Richtervorlage verhältnismäßig, jedoch nicht die ermöglichte Anordnung durch die Polizei bei Gefahr in Verzug. Die Autorin stimmt dem Ergebnis zu, vermisst jedoch eine ausführliche Begründung durch das Gericht.
LG Köln zu SS-Mann: spiegel.de und die taz (Klaus Hillebrand) berichten, dass das Landgericht Köln die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den ehemaligen SS-Mann Werner C. wegen eines Massenmordes im französischen Ort Oradour-sur-Glane abgelehnt hat. Der Angeschuldigte habe ausgesagt, dass er sich zwar vor Ort befunden, jedoch nicht am Massaker des SS-Regiments beteiligt habe. Das Gericht begründete die Ablehnung damit, dass seine Aussage mit den vorhandenen Beweismitteln nicht zu widerlegen sei. Joachim Käppner (SZ) kommentiert die Entscheidung: "Oradour ist bis heute ein Symbolname für Kriegsverbrechen, und es mutet beklemmend an, wenn es nicht möglich ist, einen mutmaßlichen Täter vor Gericht zu stellen."
OLG München – NSU: spiegel.de (Gisela Friedrichsen) stellt den aktuellen Stand des NSU-Prozesses vor dem Oberlandesgericht München dar. Derzeit werde der Beschaffungsweg der mutmaßlichen Tatwaffe Ceska 83 geklärt, von dem unter anderem die Vorwürfe gegen die Angeklagten Wohlleben und Carsten S. abhängen. Am gestrigen Verhandlungstag haben zwei Polizeibeamte zur Waffenbeschaffung ausgesagt.
Recht in der Welt
Schweiz – Karl Dall: Das Züricher Bezirksgericht hat den Entertainer Karl Dall am gestrigen Dienstag nach einem Prozesstag vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Das berichtet spiegel.de (Björn Hengst).
Die Beweislage sei für eine Verurteilung nicht ausreichend gewesen. Die FAZ (Johannes Ritter) und die SZ (Charlotte Theile) fassen die Vorgeschichte und die Vorwürfe zusammen.
Schweiz – Völkerrecht/Innerstaatliches Recht: Unter anderem aus Anlass eines Urteils des Schweizer Bundesgerichts zum Verhältnis der Europäischen Menschenrechtskonvention zum nationalen Recht und zur Bindungswirkung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wird in der Schweiz derzeit eine Debatte über das Verhältnis von Völkerrecht zum innerstaatlichen Recht geführt. Die Schweizer Professorin Astrid Epiney erläutert auf verfassungsblog.de die Rechtslage und die Problemlagen, die sich im Zusammenhang mit Volksinitiativen ergeben.
USA – Prozess gegen Deutsche Bank: Vom Prozess gegen die Deutsche Bank in den USA wegen mutmaßlicher Steuerhinterziehung berichten nun auch die SZ (Kathrin Werner) und die FAZ (Markus Frühauf). Die Regierung der USA werfe der Bank Steuerbetrug mithilfe eines Netzes von Scheinfirmen vor und fordere 190 Millionen Euro zurück.
USA – CIA-Folterbericht: Nach fünfjähriger Arbeit hat der Geheimdienstausschuss des US-Senats einen 6700-seitigen Bericht zur Anwendung von Folter durch den Geheimdienst CIA zwischen 2002 und 2009 vorgelegt. Unter anderem die Welt (Ansgar Graw), spiegel.de (Sebastian Fischer) und die taz (Dorothea Hahn) fassen die Ergebnisse zusammen. Maximilian Steinbeis geht auf verfassungsblog.de auf die Forderungen der Nichtregierungsorganisation American Civil Liberties Union ein, die eine Begnadigung der Verantwortlichen fordert. Nur bei einer Anklage und der Durchführung eines Prozesses könne der Rechtsfrieden wieder hergestellt werden. Die Forderung der Organisation, mit der sie auf den Verbrechenscharakter der Methoden aufmerksam machen wollte, sei dagegen eine Schnapsidee.
Juristische Ausbildung
Jurastudium: Professor Hinnerk Wißmann diskutiert in der FAZ eine mögliche Reform des Jurastudiums und verteidigt gegen einen Beitrag des Kollegen Peter Oestmann in der Ausgabe vom 26. November das Prüfungssystem. Wünschenswert sei zudem die Abschaffung des universitären Prüfungssystems und eine Rückkehr zum reinen Staatsexamen, "gerade um der Freiheit und Wissenschaftlichkeit des Studiums willen".
Sonstiges
Tuğçe - Fotos/Überwachungsvideo: Rechtsanwalt Markus Kompa erläutert auf lto.de, inwiefern die Veröffentlichungen privater Fotos von Tuğçe Albayrak und des Überwachungsvideos, das den Angriff auf sie zeigt, rechtlich zulässig waren. Im Hinblick auf die Reaktion der Öffentlichkeit auf den Vorfall lasse sich das Geschehnis als zeitgeschichtliches Ereignis einstufen, sodass die Einwilligung der Angehörigen von Tuğçe zur Veröffentlichung der Bilder nach § 22 Urhebergesetz nicht erforderlich sei. Der Urheber der Fotos könne jedoch Unterlassung oder Vergütung verlangen. Hinsichtlich des Überwachungsvideos sei dagegen kein öffentliches Interesse zu erkennen. Zudem sei das Video Bestandteil von Ermittlungsakten, sodass die Veröffentlichung strafbar sei.
Das Letzte zum Schluss
Uranschmuggel: Eine ungewöhnliche Entdeckung haben Polizeibeamte der Republik Moldau in einem Zug aus Russland gemacht. In einer verdeckten Operation haben die Beamten 200 Gramm Uran im Wert von 1,7 Millionen Euro festgestellt und sieben verdächtige Personen festgenommen, meldet spiegel.de. Die Moldauische Regierung äußerte die Vermutung, dass damit sogenannte "schmutzige Bomben" in Europa gebaut werden sollten, die als Waffe bei Terroranschlägen eingesetzt werden können.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 10. Dezember 2014: BGH zu Pauschalreisen – BVerwG zu Pflegegeld für Enkelerziehung – Karl Dall freigesprochen . In: Legal Tribune Online, 10.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14065/ (abgerufen am: 30.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag