Die Große Koalition will eine Deckelung der Bundestagsmandate überdenken. Außerdem in der Presseschau: Prozess gegen Scharia-"Polizei", Zugunglück von Bad Aibling und Trumps Einflussmöglichkeiten auf den Supreme Court.
Thema des Tages
Wahlrecht: Die Fraktions- und Parteivorsitzenden von CDU/CSU und SPD wollen eine Modellrechnung zum möglichen Anstieg der Anzahl von Bundestagsabgeordneten in der kommenden Legislaturperiode erstellen und danach mit Fraktionsspitzen der Grünen und der Linkspartei über eine mögliche Deckelung der Abgeordnetenzahl sprechen, berichtet die FAZ (Günter Bannas). Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte die Einführung einer Kappungsgrenze angeregt, da die Zahl der Abgeordneten im nächsten Bundestag bis auf 700 Mandate anwachsen könnte. Der Anstieg ist wegen Überhang- und Ausgleichsmandaten bei einem Einzug von FDP und AfD in den Bundestag möglich. Eine Änderung des Wahlrechts wird erst für die kommende Wahlperiode erwartet.
Rechtspolitik
Cyber-Sicherheit: Bundesinnenminister Thomas de Mazière (CDU) hat eine neue Cyber-Sicherheitsstrategie vorgestellt, berichten die FAZ (Eckart Lohse) und das Hbl (Dana Heide). Sie umfasst unter anderem den Ausbau des Cyber-Abwehrzentrums zu einer zentralen Koordinations- und Kooperationsplattform sowie die Einrichtung von schnellen Eingreiftruppen, die bei Cyber-Angriffen eingesetzt werden sollen.
Justiz
Gesellschaft für Freiheitsrechte: Die Zeit (Heinrich Wefing) führt ein Interview mit Grünen-Politiker Malte Spitz und Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin, die einen Verein für strategische Verfassungsklagen gegründet haben. Im ersten Schritt bereiten sie eine Verfassungsbeschwerde gegen das BND-Gesetz vor. Ziel der gegründeten Gesellschaft für Freiheitsrechte sei, grundrechtseinschränkende Gesetze im Rahmen einer Prozessführung mit gezielt ausgewählten Fällen anzugreifen.
LG Wuppertal – Scharia-"Polizei": Die FAZ (Reiner Burger) berichtet vom ersten Prozesstag im Strafverfahren gegen die mutmaßlichen Organisatoren der selbsternannten "Scharia-Polizei" von Wuppertal wegen Verstoß gegen das Uniformverbot. Das Hauptverfahren wurde eröffnet, nachdem das Oberlandesgericht Düsseldorf, auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin, eine mögliche einschüchternde und militante Wirkung der Patrouillen in Warnwesten bejaht hatte.
LG Traunstein – Bad Aibling: Am Donnerstag beginnt der Prozess gegen Michael P., der für das Zugunglück von Bad Aibling verantwortlich gemacht wird. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem fahrlässige Tötung in zwölf Fällen vor, weil er als verantwortlicher Fahrdienstleiter aufgrund von Unaufmerksamkeit die falsche Taste gedrückt und so den Frontalzusammenstoß der Züge verursacht haben soll – spiegel.de (Julia Jüttner) bringt einen Prozessvorbericht.
BGH zu fristloser Kündigung von dementer Frau: Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs müssen die gesundheitlichen Folgen eines Umzugs schon bei der Interessenabwägung im Rahmen einer außerordentlichen Kündigung eines Mietverhältnisses berücksichtigt werden (und nicht erst bei der Zwangsvollstreckung), erläutern die SZ (Wolfgang Janisch) und taz.de (Christian Rath). Die Räumungsklage richtete sich gegen eine 97-jährige demenzkranke Frau und ihren Betreuer, der die Vermieterin beschimpft und die Kündigung ausgelöst hatte. Das Landgericht München I muss nun Feststellungen zu den gesundheitlichen Folgen eines möglichen Umzugs treffen.
EuGH zu Verbraucherkreditverträgen: EU-Mitgliedsstaaten dürfen Kreditgeber sanktionieren, wenn sie in Kreditverträgen auf AGB verweisen, die dem Vertrag selbst nicht beiliegen. Der EuGH hat eine slowakische Regelung für EU-rechtskonform erklärt, die vorsieht, dass Banken in einem solchen Fall den Anspruch auf Zinsen und Kostenerstattung verlieren, wie lto.de meldet.
LG München I – HRE: Wie spiegel.de (Dinah Deckstein) berichtet, wird das Strafverfahren gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Hypo Real Estate Mitte März 2017 beginnen. Ihm wird unrichtige Darstellung der Bilanzen der Immobilienbank vorgeworfen, der im Zuge der Finanzkrise vor acht Jahren die Insolvenz drohte.
AG Starnberg – Jens Lehmann: Der frühere Nationaltorwart Jens Lehmann ist wegen Beihilfe zur Unfallflucht zu einer Geldstrafe von 42.500 Euro verurteilt worden. Die SZ (Moritz Geier) erläutert die Vorwürfe in einem Prozessbericht.
Recht in der Welt
USA – Supreme Court: Die SZ (Jan Bielicki) beschreibt die Auswirkungen der
Präsidentschaftswahl auf die Zusammensetzung des Supreme Courts. Nachdem die Republikaner die Ernennung eines Nachfolgers für den verstorbenen Richters Antonin Scalia durch Barack Obama blockiert haben, wird dieser nun von Trump bestimmt. Trump habe bereits eine Liste mit Richtern vorgelegt, die sich durch rechtskonservative Einstellungen auszeichneten.
UK – Brexitverhandlungen: Um der befürchteten Unternehmensflucht infolge des Brexit zu begegnen, sicherte die britische Regierung dem Automobilhersteller Nissan zu, dass sie sich im Zuge der Austrittsverhandlungen für einen ungehinderten Zugang zum EU-Binnenmarkt einsetzen wird. Rechtsanwalt Ulrich Soltész stuft auf lto.de solche Zusagen als EU-beihilferechtswidrige Garantien ein. Solche Zusagen müssten sich an der Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Abgabe richten und seien als EU-rechtswidrig zu bewerten.
USA – Referenden/Cannabis: In den USA fanden parallel zu den Präsidentschaftswahlen mehrere Referenden statt, deren Ergebnisse die SZ (Luisa Seeling) zusammenfasst. Der Cannabis-Konsum wurde in vier Staaten legalisiert, während die Todesstrafe in Kalifornien und weiteren Staaten bestehen blieb oder wieder eingeführt wurde.
Sonstiges
Hate Speech: Die Rechtsanwälte Christian Oberwetter und Fabian Meinecke erläutern auf lto.de, welche rechtlichen Konsequenzen Hate Speech im Internet nach sich ziehen kann. Möglich sind strafrechtliche Verfolgung wegen Volksverhetzung und Beleidigung sowie arbeitsrechtliche Maßnahmen wie eine außerordentliche Kündigung.
zeit.de (Patrick Beuth) stellt fest, dass Ermittlungen bei Bedrohungen in sozialen Medien nur schleppend vorankommen; Anwälte würden gar zu Privatdetektiven raten, um die Identität der Täter schneller festzustellen.
Popular Constitutionalism: Matej Avbelj kommentiert auf verfassungsblog.de die Wahl von Donald Trump (in englischer Sprache). Die Rechtswissenschaften sollten sich wieder den Menschen zuwenden, es sei Zeit für einen "popular constitutionalism".
Migrationsrecht: Der US-amerikanische Rechtsprofessor Russell A. Miller untersucht in der FAZ die Unterschiede zwischen US-amerikanischem und deutschem Migrationsrecht. Zwar wurzelten beide Systeme im internationalen Recht der Nachkriegszeit, doch bestünden Unterschiede, etwa im Hinblick auf das Selbstverständnis als Einwanderungsland, die Zusammensetzung der Migrationsgruppen sowie den administrativen Umgang mit Migranten.
Demokratie: Rechtsprofessor Oliver Lepsius beleuchtet in einem Gastbeitrag in der FAZ den Begriff der Volkssouveränität, auf die sich konservative Parteien beispielsweise im Fall des Brexit berufen. In der Demokratie entscheide das Wahlvolk als "pouvoir constitué", dessen Entscheidungen immer der Kontrolle, Überprüfung und Abänderung unterliegen. Rufe nach einem verbindlichen Volkswillen seien dagegen antidemokratisch, weil sie die Entscheidung in Stein meißelten und die demokratisch notwendige Einbindung der überstimmten Minderheit ausschlössen.
Digitalisierung und Recht: Die FAZ (Ina Majewski) stellt die Ergebnisse einer vom Bundesverband der Unternehmensjuristen und CMS Hasche Sigle durchgeführten Befragung von Unternehmen zu Digital Economy und Recht vor. Schwerpunkte der Befragung waren der Einsatz von Legal Tech in der Rechtsberatung sowie ungeklärte Rechtsfragen als Folge der digitalen Transformation.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 10. November 2016: Obergrenze für Bundestag / Scharia-"Polizei" / Trump und Supreme Court . In: Legal Tribune Online, 10.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21082/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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