Hat die Polizei das Geständnis des vermeintlichen Mörders von Peggy Knobloch mit Tricks und Druck erreicht? Jetzt beginnt der neue Prozess. Außerdem in der Presseschau: Die StA Augsburg gibt Gurlitts Bilder zurück, das BVerfG erlaubt Flashmobs im Arbeitskampf, Verlag geht gegen "Wanderhuren"-Urteil in Berufung, und wie ein Säugling in Pakistan wegen versuchten Totschlags angeklagt wurde.
Thema des Tages
LG Bayreuth - Fall Peggy: Am heutigen Donnerstag wird am Landgericht Bayreuth der vermeintliche Mord an Peggy Knobloch neu verhandelt. Das Mädchen verschwand 2001 im Alter von neun Jahren in Lichtenberg (Franken) und wurde nie gefunden. 2004 wurde der minderbegabte Ulvi Kulac als Mörder verurteilt, weil er die Tat (zeitweise) gestanden hatte. Eine Bürgerinitiative erreichte die Wiederaufnahme des Verfahrens, weil die Polizei verschwiegen hatte, dass sie vor Kulacs Geständnis ein Tathergangsszenario entwickelt hatte, dem das Geständnis dann weitgehend ähnelte. Nun wird der Prozess gegen Kulac neu aufgerollt. Es berichten spiegel.de (Gisela Friedrichsen) und SZ (Hans Holzhaider). sueddeutsche.de (Anna Fischhaber) gibt in Fragen und Antworten einen Überblick.
In einem weiteren Beitrag stellt die SZ (Hans Holzhaider) das "Unterstützer-Kartell" von Ulvi K. vor. Dabei würden immer wieder neue alternative Tatversionen und Tatverdächtige präsentiert, die aber auch nicht beweisbar seien. Dagegen sei es durchaus möglich, dass Kulac tatsächlich der Täter sein könnte, weil er Peggy wenige Tage vor der Tat - bisher unbestritten - sexuell missbraucht habe.
Rechtspolitik
Geheimdienstkontrolle: Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Bachmaier plädiert in einem Beitrag für die SZ für die Einrichtung eines Geheimdienstbeauftragten, der nach dem Vorbild des Wehrbeauftragten für fünf Jahre vom Bundestag zu wählen wäre. Er erinnert daran, dass dieser Vorschlag schon lange diskutiert und unterstützt wird, die Umsetzung aber immer wieder scheiterte.
Anlagebetrug: Alexander Hagelüken (SZ) fordert im Leitartikel des Wirtschaftsteils den Verbraucherschutz zur neuen zusätzlichen Aufgabe der Finanzaufsicht zu machen. "Die Kontrolleure sollten künftig Geschäftsberichte prüfen und unseriöse Angebote aus dem Verkehr ziehen."
EEG-Novelle: Unternehmen der Solarbranche und die Verbraucherzentrale Bundesverband haben ein Gutachten vorgestellt, wonach die Novelle des Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) gegen das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes verstoße, berichtet die taz. "Während für Solar-Eigenstrom für [größere] Privathaushalte und Gewerbe künftig die halbe EEG-Umlage, also gut drei Cent je Kilowattstunde, erhoben werden soll, ist bei neuen Kraftwerken, über die sich Industrieunternehmen mit Strom selbst versorgen, nur eine Abgabe von knapp einem Cent geplant."
Justiz
StA Augsburg - Gurlitts Bilder: Die Staatsanwaltschaft Augsburg hat am Dienstag die Beschlagnahme von 1.280 Kunstgegenständen des Kunsterben Cornelius Gurlitt aufgehoben. Nach der "fundierten Beschwerde" von Gurlitts Anwälten werde die Situation rechtlich neu bewertet. Die SZ (Hans Leyendecker/Georg Mascolo) beschreiben den Vorgang und seine Vorgeschichte. Michael Sontheimer (spiegel.de) kommentiert: "Die zweijährige Beschlagnahmung der Bilder war offenbar rechtswidrig, zumindest grotesk unverhältnismäßig. Die Bundesregierung allerdings nutzte sie, um der jüdischen Gemeinschaft zu demonstrieren, dass sie sich tatsächlich bemüht, den Erben von NS-Opfern, denen Kunstwerke geraubt wurden, späte Gerechtigkeit widerfahren zu lassen."
Die Zeit (Cathrin Gilbert/Stefan Willeke) schildert in ihrem Dossier ausführlich, was nach den zweijährigen Ermittlungen dafür spricht, dass Gurlitt doch kein harmloser, weltfremder Alter, sondern ein pfiffiger Geschäftsmann ist.
BVerfG zu Flashmobs im Arbeitskampf: Das Bundesverfassungsgericht hat ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts bestätigt, wonach Gewerkschafts-Aktivisten im Arbeitskampf Geschäftsräume der Arbeitgeber mit unkonventionellen Blitzversammlungen (Flashmobs) lahmlegen dürfen. Über die Entscheidung berichten unter anderem die SZ (Wolfgang Janisch), die FAZ (Joachim Jahn) und die Badische Zeitung (Christian Rath). Joachim Jahn (FAZ) kommentiert: "Arbeitskämpfe entwickeln sich immer mehr zu einem ungeregelten Krieg zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften – und das oft zu Lasten zahlloser Kunden." Anteil daran habe die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.
BAG zur Nachtschicht: Eine Krankenschwester, die trotz vertraglicher Verpflichtung aus gesundheitlichen Gründen nachts nicht arbeiten kann, darf deshalb nicht entlassen werden. Das entschied jetzt das Bundesarbeitsgericht laut SZ (Daniela Kuhr) und lto.de. Die Frau sei weder arbeitsunfähig noch sei ihr die Arbeitsleistung als Krankenschwester unmöglich geworden. Sie müsse dann eben tagsüber eingesetzt werden.
BVerwG zum Abschleppen: Wenn ein Fahrzeug unbefugt an einem Taxistand parkt, dürfen Mitarbeiter des Ordnungsamts sofort den Abschleppdienst rufen und müssen nicht dreißig Minuten warten. Dies beschloss nach einer Meldung von lto.de jetzt das Bundesverwaltungsgericht.
EuGH zu Vorratsdaten: Der Habilitand Matthias Wendel analysiert auf verfassungsblog.de ausführlich das am Dienstag ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Vorratsdatenspeicherung. Unter anderem sei nun unklar, aufgrund welcher Kompetenzgrundlage in den EU-Verträgen überhaupt noch eine neue Richtlinie beschlossen werden könne. Der wissenschaftliche Mitarbeiter Sebastian Leuschner prüft auf verfassungsblog.de, ob der EuGH in diesem Urteil nebenbei ein "Grundrecht auf Sicherheit" eingeführt hat. Hierfür gebe es bisher nur Indizien.
ArbG Cottbus zu Lohndumping: Ein Rechtsanwalt durfte zwei Bürokräfte mit Stundenlöhnen um 1,50 Euro abspeisen. Es liege zwar ein krasses Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Lohn vor. Der Anwalt habe aber ohne verwerfliche Gesinnung gehandelt. Schließlich hätten die Beschäftigten auf eigenen Wunsch unter diesen Konditionen angefangen, um wieder Fuß auf dem Arbeitsmarkt zu fassen, so focus.de.
LG Düsseldorf zu "Wanderhure": Das Landgericht Düsseldorf hatte vor zwei Wochen entschieden, dass das satirische Büchlein "Die schönsten Wanderwege der Wanderhure" unbefugt den Titel der im Droemer-Verlag erschienen "Wanderhuren"-Trilogie ausbeute. Der Verlag des Satirebuches will dagegen in Berufung gehen, berichtet die Zeit (Christian Fuchs). Es werde sonst gefährlich, im Titel eines Buches satirisch mit dem kritisierten Objekt zu spielen.
LG Osnabrück - Piratenüberfall: Mitte kommender Woche will das Landgericht Osnabrück entscheiden, ob ein Somali wegen der Entführung eines deutschen Chemietankers verurteilt wird. Die FAZ (Robert von Lucius) rechnet mit einer Verurteilung, auch wenn der Angeklagte nicht zu den Haupttätern des Piratenüberfalls gehörte.
Ehrenmorde: Im Interview mit lto.de (Constantin van Lijnden) erläutert die Kriminologin Julia Kasselt erneut ihre Forschungsergebnisse, wonach es bei Ehrenmorden keinen kulturellen Strafrabatt (mehr) gebe.
Recht in der Welt
Österreich - Tilo Berlin verurteilt: Das Landgericht Klagenfurt hat Tilo Berlin, den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Bank Hypo Alpe Adria, wegen Untreue zu 26 Monaten Haft verurteilt. Er soll die Bank durch unerlaubte Nebenabreden mit Investoren geschädigt haben, berichtet das Handelsblatt (Hans-Peter Siebenhaar). Für die Bayerische Landesbank sei das Urteil ein weiterer Beleg dafür, dass sie beim Kauf der Kärntner Skandalbank 2007 getäuscht wurde.
Juristische Ausbildung
Examens-Korruption: Die Zeit (Nadine Ahr und andere) beschreibt, wie ein Mailänder Gericht über die Auslieferung des dort festgenommenen Jörg L. verhandelt. L. soll als Referent im niedersächsischen Justizprüfungsamt Examensklausuren verkauft haben. L. will nun nach Deutschland ausgeliefert werden. "Er will sich verteidigen und seine Unschuld beweisen", sagt sein Anwalt. L. sei auch nicht nach Italien geflohen, sondern nur zufällig "auf Reisen" gewesen. Die Zeit schildert detailliert, wie Jörg L. einem Prüfling bei einem Hausbesuch Klausuren anbot, und weist darauf hin, dass nun in der deutschen Justiz wohl einige Richter und Staatsanwälte tätig sind, die durch Korruption ihren juristischen Abschluss erreicht haben.
Das Letzte zum Schluss
Pakistan - Gefährlicher Säugling: spiegel.de schildert den Fall des pakistanischen Kindes Musa Khan, das wegen versuchten Totschlags vor Gericht steht. Khan soll an einem Aufruhr im Elendsviertel von Lahore teilgenommen haben. Das Kind ist allerdings erst neun Monate alt. "Er kann noch nicht mal seinen Milchflasche richtig aufheben - wie soll er denn Steine auf Polizisten werfen?", argumentiert seine Familie.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 10. April 2014: Fall Peggy wird neu aufgerollt – Flashmobs im Arbeitskampf erlaubt – Berufung gegen Wanderhuren-Urteil . In: Legal Tribune Online, 10.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11651/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
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