Diskriminiert die FIFA Frauenfußballerinnen? Prominente Aktive sehen das so und klagen deshalb. Außerdem in der Presseschau: Männerförderung durch Frauenquote, Fettleibigkeit als Behinderungsmerkmal, Bußgeld wegen korrupter Kopplungsgeschäfte gegen VW, Helmut Kohl und seine Tonbänder, NSU-Sonderermittler und Sieg für die Liebe vor einem französischen Gericht.
Thema des Tages
Kunstrasen: Bei der im kommenden Jahr in Kanada stattfindenden Frauenfußball-Weltmeisterschaft werden die Sportlerinnen auf Kunstrasen-Plätzen antreten. Eine vor dem Human Rights Tribunal in Toronto/Kanada erhobene Klage von 40 Spielerinnen gegen den Landesverband und die FIFA als Veranstalter sucht dies zu verhindern.
Die Austragung von Spielen auf Kunstrasen sei nach Ansicht der Klägerinnen "zweitklassig, diskriminierend und illegal", schreibt Rechtswissenschaftler Alexander Hettel in einer Darstellung des Streits für lto.de. Denn der künstliche Untergrund erhöhe die Verletzungsgefahr. In seinem Bericht geht der Sportrechtler ausführlich auf das WM-Reglement des nach Schweizer Vereinsrecht konstituierten Weltverbandes ein und bezweifelt, ob sich angesichts der auch zugunsten der FIFA zu berücksichtigenden Vereinsautonomie das angerufene Gericht für entscheidungsbefugt hält. Zudem sei fraglich, ob "beim Fußball auf Kunstrasen gleich in Kategorien von Menschenrechtsverstößen gedacht werden muss."
Rechtspolitik
Frauenquote: Der von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) vorgestellte Gesetzentwurf zu einer Frauenquote bei Führungspositionen in Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst erntet nach Bericht der SZ (Constanze von Bullion) Kritik aus ungewohnter Richtung. Die angestrebte "gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen" sei nach Ansicht der Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes zumindest in solchen Bereichen überflüssig, in denen Frauen ohnehin überrepräsentiert sind, weil hier eine strukturelle Benachteiligung von Männern nicht erkennbar sei. Dass hierdurch praktisch "Männerförderung" betrieben würde, würde auch vom Interministeriellen Arbeitskreis der Gleichstellungsbeauftragten der obersten Bundesbehörden bemängelt. Problematisch sei auch, dass etwaige Klagen von Gleichstellungsbeauftragten nach dem Entwurf keine aufschiebende Wirkung mehr besäßen.
Finanzaufsicht: Das Handelsblatt (Frank M. Drost) stellt Einzelheiten des Entwurfs eines Kleinanlegerschutzgesetzes vor. Statt einer bloßen Prüfung der Vollständigkeit von Anlageprospekten dürfe die Bundesanstalt für Finanzaufsicht nach dem Entwurf nun auch die Geschäftsaussichten von Emittenten prüfen. Dagegen werde die zivilrechtliche Durchsetzung von Ansprüchen von Anlegern nach Einschätzung eines zitierten Anwalts nicht erleichtert.
Tarifeinheit: Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will noch in diesem Herbst einen Gesetzentwurf zur Tarifeinheit vorlegen, nach dem pro Betrieb nur der Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern gelten soll. Die taz (Christian Rath) prognostiziert ein Scheitern des Projekts.
Normenkontrollrat: An die Existenz des Normenkontrollrats erinnert Heike Göbel (FAZ) in einem Kommentar. Das vor acht Jahren eingerichtete Gremium soll tatsächliche Kosten und vor allem auch den bürokratischen Aufwand neuer Gesetze abschätzen, seine aktuelle Stellungnahme zum Mindestlohngesetz bewertet die Autorin als löblichen Versuch, Politiker vor "kostspieligen und bürokratischen Nebenwirkungen der Gesetze" zu warnen, auch wenn konkrete Änderungen nicht bewirkt werden konnten.
Johannes Fechner: Die SPD-Bundestagsfraktion wird heute Johannes Fechner zum neuen rechtspolitischer Sprecher wählen. Die Badische Zeitung (Christian Rath) portraitiert ihn. Fechner ersetzt Burkhard Lischka, der jüngst innenpolitischer Sprecher wurde.
Justiz
EuGH – Fettleibigkeit: Der Europäische Gerichtshof muss demnächst darüber befinden, ob ein stark übergewichtiger Arbeitnehmer durch seine Körperfülle Diskriminierungsschutz genießt. Das Handelsblatt (Catrin Gesellensetter) stellt den Fall vor. Deutsche Gerichte hätten bislang Fettleibigkeit nur dann als Behinderung eingestuft, wenn diese zu Folgekrankheiten führte. Der Generalanwalt habe demgegenüber in seinem Schlussantrag allein auf den Grad der Fettleibigkeit abgestellt.
BGH zu Bewertungsportal: Vor zwei Wochen entschied der Bundesgerichtshof, dass ein Arzt seine Darstellung in einem Online-Bewertungsportal hinnehmen müsse. Rechtsanwalt Marc Störing zeichnet für lto.de die rechtliche Argumentation des Urteils nach und begrüßt die vorgenommene stärkere Gewichtung des öffentlichen Informationsinteresse gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des Klägers. Auch im Hinblick auf die "Google-Entscheidung" des Europäischen Gerichtshofs sei die vom BGH angestellte "differenzierte Abwägung" zu loben.
BGH zur Pflichtverteidigung in Revisionsverhandlung: Rechtsanwalt Carsten R. Hoenig (kanzlei-hoenig.de) zitiert aus einer Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs, in der dargelegt wird, dass in Revisionshauptverhandlungen bei unterbliebenem Erscheinen des Wahlverteidigers oder einer entsprechenden Ankündigung dieser zum Pflichtverteidiger zu bestellen ist. Die bisherige, am Wortlaut der Bestimmung zur Pflichtverteidigerbestellung orientierte Praxis habe dazu geführt, dass bei Ausbleiben eines Rechtsbeistandes auch ohne jede Beteiligung des Angeklagten verhandelt wurde. Dies widerspreche Art. 6 Abs. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention.
LG Hamburg zu Josef Joffe: Das Landgericht Hamburg hat eine von Josef Joffe, Herausgeber der Zeit, gegen eine ZDF-Satiresendung erwirkte einstweilige Verfügung überwiegend aufgehoben. Wie Rechtsanwalt Markus Kompa (heise.de) schreibt, sei der satirische Gehalt der streitgegenständlichen Kritik an journalistischen Interessenkonflikten Joffes durchaus erkennbar gewesen.
LG München – BayernLB: Über eine "Rüge vom Richter" im Strafverfahren gegen den früheren BayernLB-Chef und seinen damaligen Stellvertreter vor dem Landgericht München I berichtet die SZ (Klaus Ott). Der Vorsitzende Richter Joachim Eckert habe in einer ungewöhnlich deutlichen Erklärung die Staatsanwaltschaft aufgefordert, zu erklären, warum wegen des umstrittenen Kaufs der österreichischen Hypo Alpe Adria-Bank weiterverhandelt werden müsse, obwohl der Vorwurf der Untreue gegen andere angeklagte Vorstände der bayerischen Bank gegen die Zahlung von Geldauflagen fallengelassen wurde.
VG Ansbach zu Dashcams: Das bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht hat erklärt, gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Ansbach zu sogenannten Dashcams vom August keine Berufung einlegen zu wollen. Im Fall wurde ein Bußgeld wegen der bloßen Installierung einer Kamera aufgehoben, gleichzeitig aber die Veröffentlichung derartig gefertigter Aufnahmen als unzulässig erachtet. Die Datenschutzbehörde wolle nun verstärkt gegen derartige Veröffentlichungen vorgehen, schreiben lawblog.de (Udo Vetter) und focus.de.
StA Berlin zu Hans-Peter Friedrich: Die gegen den früheren Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) im Zuge der Edathy-Affäre eingeleiteten Ermittlungen wegen des Verdachts des Verrats von Dienstgeheimnissen sind nach einer Meldung von spiegel.de eingestellt worden. Die Berliner Staatsanwaltschaft habe nur eine geringe mögliche Schuld ausmachen können, zudem habe der frühere Minister nicht eigennützig gehandelt.
StA Stuttgart zu VW: Wegen verbotener Kopplungsgeschäfte beim Sponsoring des Fußballvereins VfL Wolfsburg hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen den VW-Konzern ein Bußgeld von insgesamt zwei Millionen Euro verhängt. Einkaufvorstand Francisco Javier Garcia Sanz muss kein persönliches Bußgeld leisten, weil sein Arbeitgeber nach Bekanntwerden der Vorwürfe Konsequenzen gezogen und Abhilfe geschaffen hätte, zitiert die SZ (Klaus Ott) die Anklagebehörde in ihrem Bericht.
Helmut Kohl: Den Rechtsstreit über das Eigentum an Tonbändern mit Aufnahmen von Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl fasst die FAZ (Rainer Blasius) in einem längeren Artikel zusammen. Der als Gesprächspartner dienende Journalist Heribert Schwan hat derweil gemeinsam mit Tilman Jens "Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle" mit unautorisierten, vermeintlichen Abschriften der Bänder veröffentlicht. Die Anwälte Kohls prüften angeblich, ob die Auslieferung dieses Buches verhindert werden könne.
Hans-Jürgen Jakobs (Handelsblatt) gibt im Leitartikel der Zeitung zu bedenken, dass die fraglichen Aufnahmen Historikern zur Verfügung stehen müssten. Sie seien keine Privatsache, weil Kohl eine öffentliche Figur ist. Bei aller "gedruckten Geschwätzigkeit" zu den im Hobbykeller des Altkanzlers angefertigten Aufnahmen bliebe ein Geheimnis weiterhin ungelöst: Die Herkunft jener anonymen Spende, "die den tiefen Fall des Einheitskanzlers" um die Jahrtausendwende auslöste.
Recht in der Welt
IStGH – Kenia: Nach einem Bericht von spiegel.de will sich Uhuru Kenyatta, Präsident Kenias, nun doch einer Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag/Niederlande stellen. Um nicht als amtierender Staatschef verklagt zu werden, plane Kenyatta die Ernennung seines Stellvertreters zum amtierenden Präsidenten.
Großbritannien – EGMR: Die Ankündigung der konservativen Regierungspartei in Großbritannien, zugunsten einer künftigen Bill of Rights die für das Land geltende Verbindlichkeit von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte abzuschaffen, ist Thema einer Kolumne von Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de). Es sei zwar "allein Sache der Briten", ob und wie völkerrechtliche Verpflichtungen in nationales Recht übersetzt würden. Diese Verpflichtungen selbst seien aber "nicht einseitig und jedenfalls nicht ohne auszutreten" verhandelbar. Somit käme das Programm einer Ankündigung eines offenen Rechtsbruchs gleich.
USA – Religionsfreiheit: Die SZ (Nicolas Richter) schreibt über eine beim Obersten Gericht der USA anhängige Klage eines Häftlings, der sich einen Vollbart stehen lassen möchte. Die Gefängnisordnung seines Heimatstaates sehe dagegen allenfalls einen "sauber getrimmten Schnauzbart" vor, der muslimische Kläger sieht sich hierdurch in der Ausübung seiner Religionsfreiheit verletzt. Der Supreme Court der Vereinigten Staaten könne in der anstehenden Entscheidung beweisen, "ob er für die Anliegen der Muslime so empfänglich ist wie für die der christlichen Rechten."
USA – Homo-Ehe: Das Oberste Gericht der USA hat es abgelehnt, mehrere Entscheidungen unterinstanzlicher Gerichte, in denen gesetzliche Verbote der Homo-Ehe als unvereinbar mit der Landesverfassung bezeichnet wurden, zu prüfen. Die "unerwartete" Entscheidung wird von der FAZ (Andreas Ross) gemeldet.
Sonstiges
NSU-Sonderermittler: Das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags hat den früheren Abgeordneten Jerzy Montag (Grüne) als Sonderermittler benannt. Im Auftrag des Gremiums solle Montag Nachforschungen zu dem verstorbenen Verfassungsschutz-V-Mann "Corelli" und einer in dessen Zusammenhang aufgetauchten CD mit Bezugnahme zum NSU aufnehmen, schreibt die taz (Astrid Geisler).
Das Letzte zum Schluss
Patchwork-Familie: Einer ungewöhnlichen Beziehung einer - ehemaligen - Stiefmutter zu ihrem - gleichfalls ehemaligen - Stiefsohn hat nun französisches Gericht den juristischen Segen erteilt. Obwohl derartige Verbindungen im Nachbarland verboten sind, vermochte das Paar das angerufene Gericht davon zu überzeugen, dass die Beziehung von Familie und Bekannten toleriert würde. Unter anderem nahm auch der geschiedene Ehemann der Braut und damit Vater des Bräutigams an der Trauung teil, so welt.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 7. Oktober 2014: Fußball auf Kunstrasen – Frauenquote und Männer – Bußgeld gegen VW . In: Legal Tribune Online, 07.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13404/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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