Der neue Bundesjustizminister löst gleich mal einen Koalitionsstreit aus - indem er die Vorratsdatenspeicherung auf Eis legt. Außerdem in der Presseschau: Norbert Blüm wirft dem BVerfG eine Relativierung der Ehe vor, die Hamburger Staatsanwaltschaft wird gegen Abmahn-Anwalt Thomas Urmann in Stellung gebracht - und warum das Renoir-Bild vom Flohmarkt vielleicht doch kein Glücksgriff war.
Thema des Tages
Heiko Maas: In seinem ersten großen Interview als Bundesjustizminister gibt sich Heiko Maas zupackend. Im Spiegel (Melanie Amann/Veit Medick, Zusammenfassung) sagt er unter anderem: "Um meine rechtspolitische Kompetenz müssen Sie sich keine Sorgen machen" und "Für mich werden die Bürgerrechte ein Schwerpunkt meiner Tätigkeit sein". Er spricht über Verbraucherschutz, Datenschutz und die Vorratsdatenspeicherung, sein erstes Projekt werde die gesetzliche Frauenquote von dreißig Prozent für Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen.
Vorratsdatenspeicherung: Maas' Ankündigung, bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die EU-Richtlinie keinen Gesetzentwurf zur Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland vorzulegen, führte sofort zu Kritik der CDU/CSU, die spiegel.de dokumentiert. Daniel Haufler (FR) lobt Maas Ankündigung als "schöne Überraschung". Allerdings werde der Europäische Gerichtshof "die Vorratsdatenspeicherung nicht völlig ausschließen, sondern nur die Bedingungen präziser formulieren".
Rechtspolitik
Wahlperiode Bundestag: Rechtsprofessor Christoph Degenhart kritisiert auf lto.de den Vorschlag von Bundestagspräsident Norbert Lammert, den Bundestag nur noch alle fünf Jahre wählen zu lassen. Eine entsprechende Grundgesetzänderung hält Degenhart zwar für "verfassungsrechtlich möglich, aber verfassungspolitisch wenig sinnvoll". Zu lange Wahlperioden minderten die Verantwortlichkeit der Abgeordneten gegenüber dem Volk als ein Kernelement des Demokratieprinzips.
Selbstanzeige im Steuerstrafrecht: Rechtsanwalt Karsten Randt kritisiert im Interview mit dem Spiegel, den Plan einiger Bundesländer, die Voraussetzungen der Selbstanzeige zu verschärfen. Randt hält es für "großen Unsinn", wenn Steuerhinterzieher künftig in ihrer Selbstanzeige Versäumnisse der letzten zehn Jahre offenlegen müssten, um straffrei davonzukommen. "Bei den besonders schweren Fällen von Steuerhinterziehung gilt bereits seit 2008 eine strafrechtliche Verjährungsfrist von zehn Jahren. Und bei den kleineren Fällen von Steuerhinterziehung, also Größenordnungen von unter 50.000 Euro, spielt das Strafrecht ohnehin keine Rolle."
Überlange Wirtschaftsstrafprozesse: Joachim Jahn (Montags-FAZ) kritisiert im Vorfeld des Prozesses gegen Manager der Bayerischen Landesbank überlange Wirtschaftsstrafprozesse wegen ihrer Belastung für die Angeklagten: "Gesetzgeber und Justizbehörden müssen endlich Konsequenzen ziehen. Wenn Strafverfolger in den Bergen elektronischer Unterlagen, die sie regelmäßig beschlagnahmen, nicht in angemessener Zeit fündig werden, müssen sie ein Verfahren eben einstellen". Außerdem sollte der Bundestag regeln, dass in solchen Prozessen nur Wirtschaftsfachleute als Schöffen berufen werden.
Mord: Thomas Fuchs (blog.delegibus.com) kritisiert das Plädoyer von BGH-Richter Thomas Fischer zur Reform des Mord-Paragraphen. Fischer habe an mehreren Stellen im Detail ungenau zitiert und argumentiert. "Von einem Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof verlange ich Präzision", schreibt Fuchs.
Justiz
Blüm kritisiert BVerfG: Norbert Blüm greift in einem Gastbeitrag für die FAS (Zusammenfassung) die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichstellung eingetragener Partnerschaften im Steuerrecht an. Die Richter sollten Hüter des Grundgesetzes sein, nicht Agenten seiner Veränderung. Der Ex-Sozialminister sieht "die Besonderheit von Ehe und Familie als die Normalität eines auf Lebenszeit und Kinder ausgerichteten Bündnisses von Frau und Mann" bedroht.
OLG Hamm zu Kletterunfällen: Wer in einem Klettergarten absprachewidrig die Sicherung löst und dabei eine Körperverletzung verursacht, haftet wegen Fahrlässigkeit. Das entschied laut lto.de jetzt das Oberlandesgericht Hamm. Ein Haftungsausschluss oder eine Beschränkung der Haftung, wie bei sportlichen Wettkämpfen üblich, sei in diesem Fall nicht möglich.
LG München zu Beschlagnahmen bei Deutscher Bank: Das Landgericht München hat die Beschwerde von Ex-Bankchef Josef Ackermann gegen die Beschlagnahme von elektronischen Unterlagen bei der Deutschen Bank zurückgewiesen, berichtet das Handelsblatt (Laura de la Motte/Kerstin Leitel). Die Beschlagnahme auch "vertraulicher Dokumente" sei verhältnismäßig gewesen. Die Unterlagen können nun als Beweismittel im Verfahren wegen Prozessbetrugs gegen Manager der Bank dienen.
LG Freiburg zu Facebook-Werbung: Im November hatte das Landgericht Freiburg entschieden, dass es wettbewerbswidrig ist, wenn der Mitarbeiter eines Autohauses auf seiner privaten Facebook-Seite Werbung des Unternehmens verbreitet, ohne sich an entsprechende Regeln für Unternehmenswerbung zu halten. Jetzt liegt die Begründung des Urteils vor und zeit.de (Marin Majica) berichtet darüber.
BVerfG - Industriekraftwerke: Ein norddeutsches Unternehmen, das seinen eigenen Strom erzeugt, hat jetzt Verfassungsbeschwerde gegen Paragraf 13 Energiewirtschaftsgesetz eingelegt. Das berichtet das Handelsblatt (Klaus Stratmann) auf seiner Titelseite. Die Regelung ermöglicht es Stromnetzbetreibern, in den Betrieb von Kraftwerken einzugreifen, um das Gesamtsystem in der Balance zu halten. So können Industriekraftwerke zum Abschalten oder zur Einspeisung von Strom gezwungen werden, je nachdem ob gerade zuviel oder zuwenig Windstrom vorhanden sei. Beides könne zu Produktionsausfällen führen, die aber nicht entschädigt werden. Das sei ein Eingriff ins Eigentum, so die Klage.
BGH - Störerhaftung: Am kommenden Mittwoch wird sich der Bundesgerichtshof mit der Störerhaftung bei Filesharing-Fällen beschäftigen, kündigt petringlegal.blogspot.de (Ralf Petring) an. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Revisionsmöglichkeit erzwungen, nachdem das Oberlandesgericht Köln zunächst keine Revision zugelassen hatte.
OLG München - NSU: Im Januar wird sich das Oberlandesgericht München im NSU-Prozess an drei Tagen dem Mord an der Polizistin Michelle Kiesewetter widmen. Am 16. Januar wird ihr einst schwer verletzter Kollege Martin A. aussagen. Die WamS (Hannelore Crolly) gibt einen Überblick über die offenen Fragen.
Nach einem halben Jahr NSU-Prozess fasst die Montags-FAZ (Karin Truscheit) eine Bilanz: "Die Charakterisierungen durch Zeugen entsprechen immer mehr dem Bild, das die Bundesanwaltschaft in ihrer Anklage zeichnet: Zschäpe als eine willens- und kommunikationsstarke Frau, auch gewaltbereit, die das soziale Leben der drei mit einer Findigkeit organisierte, wie es die Männer wahrscheinlich nie hinbekommen hätten".
Auch die Montags-Welt (Hannelore Crolly) beschäftigt sich mit der Angeklagten Beate Zschäpe, die wohl verurteilt werde. Aber irgendwann werde sie "wieder frei sein, ohne ein Wort der Reue von sich gegeben zu haben". Sie sei zur Märtyrerin der rechten Szene geworden und genieße im Gefängnis wohl Star-Status.
LG Hannover - Wulff: Nach dem Willen des Landgerichts Hannover sollte die Staatsanwaltschaft im Korruptions-Prozess gegen Christian Wulff schon am kommenden Donnerstag plädieren, doch hat sie neue Beweisanträge angekündigt. Laut BamS sind die Plädoyers nun für den 16. Januar geplant und das Urteil für den 22. Januar.
BAG - Cockpitmütze: Am 20. Februar wird sich das Bundesarbeitsgericht mit der Frage beschäftigen, ob ein männlicher Pilot verpflichtet werden kann, im Cockpit eine Mütze zu tragen - wenn dies Pilotinnen freigestellt ist, kündigt blog.beck.de (Christian Rolfs) an.
StA Hamburg - Redtube: Nachdem bei der Staatsanwaltschaft Hamburg eine Strafanzeige wegen besonders schwerer Erpressung und besonders schwerem Betrug einging, ermittele diese nun wohl gegen den Regensburger Anwalt Thomas Urmann, berichtet focus.de (Marion Lenke). Urmann hatte Abmahnungen gegen Tausende Nutzer wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen auf dem Porno-Portal Redtube versandt.
StA Augsburg - Gurlitt: Der Focus (Markus Krischer/Axel Spilcker, Zusammenfassung) gibt einen Überblick über die Ermittlungen der Augsburger Staatsanwaltschaft gegen Cornelius Gurlitt, den Besitzer von Hunderten sogenannter Raubkunst-Werke. Wegen des unversteuerten Verkaufs einzelner Bilder werde gegen Gurlitt immer noch wegen Steuerhinterziehung ermittelt.
Hartz IV für EU-Bürger: Die FAS (Timo Frasch/Thomas Gutschker) skizziert Rechtslage und Rechtsprechung zu Sozialleistungen für EU-Bürger.
Videovernehmung: Die Samstags-taz (Kersten Augustin) schildert den Einsatz von Video-Vernehmungstechnik am Amtsgericht München, insbesondere im Fall sexuell missbrauchter Kinder. Der Richter Robert Grain berate bundesweit andere Richter, wie sie die Technik sinnvoll einsetzen können.
Recht in der Welt
USA - NSA: Vermutlich muss der US-Supreme Court über die Zulässigkeit von NSA-Überwachungsprogrammen entscheiden. Wie die Montags-taz meldet, haben sowohl die US-Bundesregierung wie auch die Bürgerrechtsorganisation ACLU Rechtsmittel gegen divergierende Gerichtsurteile eingelegt.
USA - Facebook: Zwei US-Bürger haben Facebook verklagt, weil sie nicht darauf hingewiesen wurden, dass das Unternehmen ihre "privaten" Nachrichten zu Werbezwecken auswertet. Darüber berichtet unter anderem zeit.de (Patrick Beuth).
USA - Urheberrecht: Die Samstags-SZ (Joachim Hentschel) schildert in einer Seite-3-Reportage den Rechtstreit um die Urheberrechte des 70er-Jahre-Hits "YMCA" der Gruppe Village People. Die Samstags-FAZ (Patrick Bahners) erklärt im Feuilleton den Streit um neue Bücher mit Abenteuern von Sherlock Holmes. Erben des Original-Autors Conan Doyle sehen in der Weiterdichtung ihre Rechte verletzt.
Griechenland - Korruption: Die Samstags-SZ (Hans Leyendecker/Klaus Ott/Tasos Telloglo) schildert, wie junge Staatsanwälte in Griechenland den Kampf gegen die Korruption, insbesondere in Rüstungsgeschäften, aufnehmen.
Kroatien - Perkovic: Zwei Tage nach seiner Verhaftung ist der ehemalige kroatische Geheimdienstchef Josip Perkovic unter Auflagen wieder entlassen worden, berichtet die Montags-taz (Erich Rathfelder). Ein kroatisches Gericht werde jetzt über seine Auslieferung nach Deutschland entscheiden, wo ihm der Mord an Disssidenten vorgeworfen wird.
Belgien - Sterbehilfe: Die Samstags-FAZ (Michael Stabenow) schildert die belgische Diskussion um einen Gesetzentwurf, der unheilbar kranken Minderjährigen den Zugang zu aktiver Sterbehilfe ermöglicht. Der Entwurf, der bereits in der zweiten Parlamentskammer, dem Senat, gebilligt wurde, sei Ausdruck der fortschreitenden Säkularisierung des Landes.
Schweiz - Plebiszite und Völkerrecht: Die Montags-FAZ (Julie Bodenmann) schildert die Konflikte, die in der Schweiz entstehen, wenn Volksinitiativen mutmaßlich gegen Völkerrecht verstoßen. Anlass ist die "Ausschaffungs-Inititiative" der rechten Partei SVP, nach der straffällig gewordene Ausländer prinzipiell ausgewiesen werden müssen, außer es droht ihnen Tod oder Folter. Der Schweizer Bundesrat sieht in dieser engen Ausnahme-Regelung einen Verstoß gegen zwingendes Völkerrecht.
Sonstiges
Polizeirecht Hamburg: Die Montags-taz (Christian Rath) erläutert die Rechtslage zu verdachtsunabhängigen Kontrollen in Hamburger "Gefahrgebieten".
Online-Handel: Die Montags-Welt (Andre Tauber) macht darauf aufmerksam, dass ab Juni neue Regeln im Fernabsatzrecht gelten. Derzeit können Käufer noch binnen 14 Tagen online gekaufte Ware, die mehr als 40 Euro kostete, auf Rechnung des Verkäufers zurücksenden. Ab Juni soll jedoch grundsätzlich der Käufer die Rücksendekosten übernehmen.
Das Letzte zum Schluss
USA - Renoir vom Flohmarkt: Eine Amerikanerin will auf einem Flohmarkt für sieben Dollar eine Krimskrams-Kiste gekauft haben, in der sich auch ein Gemälde befunden habe, das sich als echter Renoir im Wert von 100.000 Dollar herausstellte. Dummerweise macht ein Museum aus Baltimore geltend, dass das Bild dort vor Jahrzehnten gestohlen wurde. Und Ermittlungen ergaben, dass die Mutter der angeblichen Finderin einst in Baltimore studiert hatte. Am 10. Januar will sich ein US-Gericht mit dem Fall befassen, berichtet spiegel.de.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 4. - 6. Januar 2014: Heiko Maas' schneidiger Einstand – Norbert Blüm kritisiert BVerfG – Strafanzeige gegen Abmahn-Anwalt . In: Legal Tribune Online, 06.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10553/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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