Hamburg regelt die Beschlagnahme leerer Immobilien. Außerdem in der Presseschau: Haft für "IIlegale" verstößt nicht gegen die EU-Rückführungsrichtlinie und StA Braunschweig dementiert Winterkorn-Pressemitteilung.
Thema des Tages
Beschlagnahme von Immobilien: zeit.de, die SZ (Thomas Hahn) und die FAZ (Frank Pergande) berichten über das Gesetz zur Beschlagnahme von Gewerbeimmobilien in Hamburg, welches jetzt verabschiedet wurde. Hamburg ist das erste Bundesland, das in seinem Polizeigesetz eine ausdrückliche derartige Regelung schafft. So soll der drohenden Massenobdachlosigkeit von Flüchtlingen schnell und effektiv begegnet werden. Das Gesetz ist bis Ende März 2017 befristet. Bremen wolle nachziehen. Wie spiegel.de weiß, hält der Ex-Bundesverfassungsgerichtspräsident Papier eine Zwangsbelegung von leer stehenden Gewerbeimmobilien für unverhältnismäßig.
Wolfgang Janisch (SZ) findet es "unfassbar dumm", dass einige Kommunen Mietern die Wohnung kündigen, um dort Flüchtlinge unterzubringen. Auch sei dies wahrscheinlich rechtswidrig, weil es kein "berechtigtes Interesse" gebe, Mieter gegen Mieter auszutauschen. Besser sei die Beschlagnahme leerstehender Immobilien. Dort gelte das Prinzip "Eigentum verpflichtet".
Asylrecht: Der Bundestag beriet in erster Lesung die Gesetzentwürfe zur Änderung des Asylrechts. Das Gesetz soll im Eilverfahren bis zum 16. Oktober von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden und bereits am 1. November in Kraft treten. Vorgesehen sind unter anderem schnellere Asylverfahren, aber auch schnellere Abschiebungen, eine Öffnung des Arbeitsmarktes und besserer Zugang zu Integrationskursen. Während Innenminister de Maizière die Gesetzentwürfe zur Bewältigung der Flüchtlingskrise verteidigte und betonte, dass jeder Flüchtling, der in Deutschland ankomme, das Recht habe, "friedlich, respektvoll und menschenwürdig" behandelt zu werden, übte die Opposition Kritik. Insbesondere der längere Verbleib in Erstaufnahmeeinrichtungen, die Sozialkürzungen für abgelehnte Asylbewerber sowie die Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten, stießen bei den Grünen auf Kritik. Linken-Fraktionschef Gysi forderte eine Bekämpfung der Fluchtursachen. Dies berichten zeit.de, die taz (Daniel Bax) und tagesschau.de.
Rechtspolitik
Bundeswehr und Schleuser: Der Bundestag hat nun gegen die Stimmen der Linkspartei und der Grünen beschlossen, dass bis zu 950 Marinesoldaten im Mittelmeer auch zur Bekämpfung von Schleusern aktiv werden dürfen. Bislang durfte die Bundeswehr nur Flüchtlinge in Seenot retten und Informationen über Menschenschlepper sammeln, meldet spiegel.de.
EU-Datenschutz-Grundverordnung: In einem Gastbeitrag erklärt der Anwalt Tim Wybitul in der FAZ unter anderem die Auswirkungen der geplanten neuen EU-Grundverordnung - welche unmittelbar und direkt in den Mitgliedstaaten gelten soll - auf die Datensicherheit im Job. Durch die neue Verordnung steige der Bußgeldrahmen für Verfehlungen des Arbeitgebers im Bezug auf die Datensicherheit seiner Arbeitnehmer auf bis zu 100 Millionen Euro.
Urhebervertragsrecht: Im Interview auf buchreport.de (David Wengenroth) spricht der Rechtsprofessor Karl-Nikolaus Peifer über die - bei Verlagen auf Kritik stoßende - geplante Reform des Urhebervertragsrechts. "Der Entwurf des Ministeriums gehe in die richtige Richtung, teilweise aber nicht weit genug."
Justiz
EuGH zu EU-Rückführungsrichtlinie: Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Mitgliedstaaten der Europäischen Union Drittstaatenangehörige inhaftieren dürfen, welche trotz Einreiseverbots in das jeweilige Hoheitsgebiet eines Staates eingereist seien. Nationale Regelungen, welche hierfür Haft vorschreiben, verstoßen nicht gegen die EU-Rückführungsrichtlinie, welche das in allen Mitgliedstaaten geltende Verfahren für Abschiebungen von illegal eingereisten Drittstaatenangehörigen festlegt. Ein albanischer Staatsangehöriger, mit Einreiseverbot nach Italien eingereist, hatte geklagt, schreiben lto.de und zeit.de.
EuGH zu Datenübermittlung: Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die EU-Datenschutzrichtlinie einer nationalen Praxis entgegenstehe, wonach personenbezogene Daten zwecks Verarbeitung zwischen Verwaltungsbehörden verschiedener Mitgliedstaaten übermittelt werden, ohne die betroffenen Personen zuvor davon zu unterrichten. Dies meldet lto.de.
EuGH – Steuerberater: Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof plädiert dafür, auch ausländischen Steuerberatungsgesellschaften eine Tätigkeit in Deutschland zu erlauben, meldet die FAZ. Die Steuerberater in Deutschland würden dadurch ihr "Quasi-Monopol" verlieren. Der Bundesfinanzhof hatte die Frage, ob das entsprechende Verbot mit dem Europarecht vereinbar sei, dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt, nachdem eine niederländische Firma geklagt hatte.
BGH zu Metro: Metro hat im Streit mit Media-Saturn-Minderheitseigner Erich Kellerhals einen wichtigen Teilerfolg erzielt. Der Bundesgerichtshof wies eine Beschwerde der Kellerhals-Investmentgesellschaft Convergenta gegen die Einrichtung eines Beirats bei Media-Saturn ab, mit dem Metro die umfassenden Vetorechte des Minderheitseigners Kellerhals aushebeln wollte, meldet das Handelsblatt.
BSG zu Sozialversicherung und Familien: Landessozialrichter Jens Blüggel bespricht auf lto.de das Urteil des Bundessozialgerichts zur nicht verfassungswidrigen Benachteiligung von Familien im Sozialversicherungsrecht. Er geht der Frage nach, ob der Gesetzgeber seine "Hausaufgaben" gemacht habe, die ihm vom Bundesverfassungsgericht 2001 im Bereich der sozialen Pflegeversicherung aufgegeben wurden.
BGH - Terrorvorbereitung: Der Bundesgerichtshof muss im Fall der "Allgäuer Islamistin" entscheiden, ob bereits darin die "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat" liegt, dass sie in syrischen Rebellengebieten Waffen zur Selbstverteidigung gegen die syrische Armee besaß. Das Urteil ist für den 17. Oktober angekündigt. taz.de (Christian Rath) schildert die mündliche Verhandlung.
VG München zu Tabakwerbung: Eine Marlboro-Werbung wurde zu Unrecht wegen Jugendgefährdung vom Landratsamt München 2013 verboten, dies entschied das Verwaltungsgericht München und hob den Verbotsbescheid des Amtes auf. "Die Kammer könne allein in der Wortkombination aus 'Be' und 'Maybe' keine 'besondere Ansprache der Jugend erkennen' - und nur dann hätte die Kampagne dauerhaft verboten werden können", melden die SZ (Vivien Timmler) und lto.de.
LG Frankfurt – S&K-Prozess: Am dritten Prozesstag um die mutmaßlichen Millionenbetrügereien der Kapitalanlagefirma S&K vor dem Landgericht Frankfurt "...liefern sich Verteidigung und Staatsanwaltschaft scharfe Scharmützel", berichtet die SZ (Markus Zydra), so dass noch nicht einmal mit dem Verlesen der 1.700-seitigen Anklage begonnen werden konnte. Das Verfahren wird mindestens noch ein Jahr dauern; die Öffentlichkeit hingegen habe ihr Urteil bereits weitgehend gefällt, nachdem Filme aufgetaucht waren, welche die beiden Hauptangeklagten mit 500 Euro-Scheinen posierend zeigten.
StA Braunschweig – Martin Winterkorn: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig dementiert Meldungen, wonach gegen Martin Winterkorn ein formelles Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sein soll: "Gegen Prof. Dr. Winterkorn besteht kein Anfangsverdacht", melden zeit.de und spiegel.de. Es seien lediglich Anzeigen gegen den ehemaligen VW-Vorstandsvorsitzenden eingegangen und demnach entsprechende Vorgänge bei der Ermittlungsbehörde angelegt worden. Die SZ (Hans Leyendecker/Klaus Ott) geht der Frage nach, wie es zu der ursprünglich falschen Pressemitteilung der Braunschweiger Staatsanwaltschaft kommen konnte.
Google – Microsoft: Wie spiegel.de meldet, haben Google und Microsoft ihren Patentstreit beendet und wollen rund 18 Patentklagen in den USA und Deutschland beilegen. Streit habe vor allem um das Android-Betriebssystem, aber auch um Patente für die Spielkonsolen Xbox oder Windows-Produkten von Microsoft geherrscht.
LG Köln zu Jörg Kachelmann/Bild: Die FAZ (Oliver Tolmein) weist auf das Grundsatzurteil des Bundesgerichtshof vor fast 60 Jahren zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrecht hin. Dem lag der sogenannte "Herrenreiter-Fall" zu Grunde, wonach das Konterfei eines Dressurreiters ohne seine Einwilligung zur Werbung für ein potenzsteigerndes Mittel genutzt und vom Landgericht Köln in Folge 1.000 Mark Entschädigung zugesprochen wurde. Daneben zeigt er die Diskrepanz zwischen Schmerzensgeldzahlungen und Entschädigungszahlungen bei Persönlichkeitsverletzungen von Prominenten auf.
Stuttgart 21: Die Kontext-Wochenzeitung/Beilage der taz (Jürgen Bartle) zeichnet nach, wie der Vorsitzende Richter a.D. Dieter Reichert und der Oberstaatsanwalt a.D. Bernhard Häußler von einer "stets tadellos[en]" Zusammenarbeit zu Feinden wurden. Nun habe der Richter a.D. gegen den Oberstaatsanwalt a.D beim Generalstaatsanwalt Anzeige wegen falscher uneidlicher Aussage und Strafvereitelung im Amt erstattet. Dem Ganzen liegen die Ereignisse zu "Stuttgart 21" zu Grunde, bei welchen Häußler zur Hassfigur des Widerstands wurde, unter anderem deshalb, weil er es unterlassen habe, auch gegen Polizeibeamte zu ermitteln.
Mietrecht: Die Rechtsanwältinnen Simone Engel und Antonia Koch gehen in der FAZ wichtigen Mietrechtsfragen nach und stellen vier Urteile und Beschlüsse vor. Vermietet der Mieter von Gewerbeimmobilien zum Beispiel ohne Erlaubnis des Vermieters unter, verletze er zwar seine vertraglichen Pflichten, dies reiche aber nach Ansicht des Oberlandesgerichts Dresden regelmäßig nicht aus, um eine fristlose Kündigung auszusprechen. Auch in der Mietmarkt Beilage der SZ werden zwei Urteile zum Mietrecht vorgestellt: zum einen ebenfalls eine unberechtigte Untervermietung, hier zur Wohnungsmiete, sowie zur Schonfrist des Mieters bei Kündigung wegen verspäteter Mietzahlung. Dabei sei darauf zu achten, dass die nachträgliche Überweisung dem Mieter ausdrücklich zuzuordnen sei, andernfalls seien die Ansprüche nicht ausgeglichen und die Kündigung wirksam.
Recht in der Welt
Russland – Syrien: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Ralph Janik geht der völkerrechtlichen Legitimität des russischen Vorgehens in Syrien auf Einladung der Regierung Assads auf verfassungsblog.de nach: insbesondere dem Gewaltverbot und dem Selbstbestimmungsrecht. "Russland kann somit zwar im Rahmen des Völkerrechts gegen terroristische Gruppen wie den Islamischen Staat und auch die al-Nusra Front vorgehen. Die rechtliche Grundlage für eine pauschale militärische Unterstützung Assads gegen sämtliche seiner Kontrahenten ist allerdings wesentlich fragiler."
Sonstiges
Peter M. Huber und Solange III: verfassungsblog.de (Maximilian Steinbeis) kritisiert die "konservativ-etatistische Old-School-Staatsrechtslehrerperspektive" des Bundesverfassungsrichter Peter M. Huber, die er in der FAZ zur Entwicklung der Rechtsstaatlichkeit nach der Wiedervereinigung geäußert hatte. Insbesondere wundert er sich über die Annahme Hubers zum jetzigen Zeitpunkt, dass "der verfassungsrechtliche Auftrag deutscher Politik in Europa nicht etwa [ist], zu tun, was für Europa gut ist. Sondern zu tun, was für Deutschland gut ist" und fragt sich, ob der Bundesverfassungsrichter in einer aktuell anhängigen Verfassungsbeschwerde zu Schulgeld an der Europäischen Schule Frankfurt ein Solange-III-Urteil anstrebe.
VW-Abgas-Skandal: Der Rechtsprofessor Thomas Riehm geht auf lto.de den zivilrechtlichen Ansprüchen der Käufer durch "Dieselgate" nach. Joachim Jahn (FAZ) wundert sich über das behutsame Vorgehen der Braunschweiger Justiz im Fall VW, obgleich Staatsanwälte im Umgang mit Großkonzernen an sich nicht zimperlich seien. Im Interview mit dem Handelsblatt (Torsten Riecke) spricht der Wirtschaftsanwalt Friedrich Merz über die verschiedenen Rechtssysteme in den USA und in Deutschland, über drakonische Strafen in den USA, welche VW ruinieren könnte und über das Freihandelsabkommen TTIP.
Netzpolitik-Affäre: Hans-Georg Maaßen, Präsident des Verfassungsschutzes, ist der Ansicht, dass "die Weitergabe geheimer Dokumente 'bagatellisiert' und 'verzwergt' werde." zeit.de (Kai Biermann) geht der Frage nach, wer eigentlich überprüfe, was geheim bleiben müsse, denn Geheimnisse seien kein "absoluter Wert" und auch Herr Maaßen und Herr Schäuble hätten schon Geheimnisse verraten.
Das Letzte zum Schluss
Pinkeln im Stehen erlaubt: Leiden Mietwohnungen unter der Praxis des Stehpinkelns, müssen die Mieter dafür nicht aufkommen. Dies hat das Landgericht Düsseldorf, in einer vorläufigen Bewertung mitgeteilt. Selbst dann, wenn der Marmorboden im vermieteten Bad durch den Urin stumpf geworden sei, sei dies "keine schuldhafte Beschädigung der Mietsache." Die durch die Vermieterin eingelegte Berufung habe keine Aussicht auf Erfolg, meldet die SZ.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ps
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 2. Oktober 2015: Beschlagnahme von Immobilien – Haft bei Einreiseverbot – Staatsanwaltschaft korrigiert sich . In: Legal Tribune Online, 02.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17083/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
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