Die Piloten der Lufthansa streiken ab morgen. Unionspolitiker wollen das Streikrecht gesetzlich regeln, um die befürchtete Übermacht von Spartengewerkschaften zu beschränken. Außerdem in der Presseschau: Kein Mindestlohn für neu eingestellte Langzeitarbeitslose, Bilanz im NSU-Prozess, unterlassene Hilfeleistung für Flüchtlingskind, italienische Manager wegen Umweltverschmutzung verurteilt und wie Fußball in der Nacht ermöglicht wird.
Thema des Tages
Streik und Tarifeinheit: Ab dem morgigen Donnerstag streiken die Lufthansa-Piloten und lösen damit neue Forderungen nach einer Rückkehr zum Prinzip der Tarifeinheit ("ein Betrieb - eine Gewerkschaft") aus. Zum dreitägigen Streik aufgerufen hat die Spartengewerkschaft Vereinigung Cockpit. Sie will verhindern, dass die Lufthansa das Renteneintrittsalter für die betriebliche Rente von 55 auf 60 Jahre anhebt. Das Handelsblatt (Peter Thielen und andere) und Die WELT (Flora Wiesdorf) schildern die Diskussion über das Prinzip der Tarifeinheit, das im Koalitionsvertrag vorgesehen ist. Unionspolitiker befürchten eine Übermacht der Spartengewerkschaften und sehen Handlungsbedarf. Zukünftig solle nur die Gewerkschaft Tarifverträge aushandeln können, der die meisten Arbeitnehmer des Betriebs angehören. Der Deutsche Gewerkschaftsbund trete zwar auch für den Grundsatz der Tarifeinheit ein, würde eine gesetzliche Regelung aber ablehnen. Reiner Nahrendorf (Handelsblatt) geht der Frage nach, wie eine verfassungskonforme gesetzliche Lösung aussehen könnte.
Detlef Esslinger (SZ) warnt, die Beschränkung der Vereinigungsfreiheit laufe Gefahr "vor dem Bundesverfassungsgericht krachend zu scheitern". Die Arbeitsbedingungen der Piloten müssten wie die jeder Berufsgruppe von durchsetzungsfähigen Gewerkschaften ausgehandelt werden.
Die SZ (Ulrike Nimz) fasst die Rechte der betroffenen Passagiere im Streikfall zusammen.
Rechtspolitik
Mindestlohn: Am heutigen Mittwoch soll der überarbeitete Referentenentwurf zu einem gesetzlichen Mindestlohngesetz vom Bundeskabinett beschlossen werden, den Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) vor zwei Wochen vorgelegt hatte. Im Zuge der Ressortabstimmungen habe es einige Änderungen des Entwurfs gegeben, berichten FAZ (Dietrich Creutzburg), FR (Karl Doemens) und Die Welt (Stefan von Borstel). Ursprünglich wollte die Ministerin beim Mindestlohn nur Langzeitarbeitslose ausklammern, deren Arbeitgeber Zuschüsse von der Arbeitsagentur erhielten, was nur rund 16.000 Personen betroffen hätte. Nun dürfen Arbeitgeber alle neu eingestellten Langzeitarbeitslose sechs Monate lang unterhalb der Mindestlohngrenze beschäftigen.
Heike Göbel (FAZ) sieht in dem geplanten Mindestlohngesetz trotzdem ein Risiko für die Beschäftigten und befürchtet eine Streichung von Arbeitsplätzen und Unternehmensabwanderungen.
Oppositionsrechte: Wie Die Welt (Manuel Bewarder/Miriam Hollstein) berichtet, haben sich die Regierungskoalition und die Grünen auf eine Änderung der Geschäftsordnung des Bundestags geeinigt, um die Oppositionsrechte im Bundestag zu stärken. Künftig sollen für die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen, Enquete-Kommissionen und für Ausschussanhörungen 120 Stimmen ausreichend sein. Grüne und Linke haben zusammen 127 Sitze im Parlament. Die Linke will für die Opposition zusätzlich ein Recht auf Normenkontrolle durchsetzen und droht mit einer Verfassungsklage.
Null-Promille-Grenze: Vor dem Hintergrund der Grünen-Initiative für die Einführung einer Null-Promille-Regelung im Verkehr, stellt Adolf Rebler auf lto.de gesetzliche Regelungen zusammen, die sich an Promillewerten orientieren und von der Neuregelung betroffen wären. Er hält die Forderung der Grünen für "schlicht nicht durchführbar", da sich mit den modernen Messgeräten bereits kleinste Mengen Alkohol nach Genuss nicht alkoholischer Getränke wie Apfelsaft nachweisen ließen.
Justiz
BVerfG - Energiewirtschaftsgesetz: Nach dem Energiewirtschaftsgesetz können Netzbetreiber zur Stabilisierung des Stromnetzes gegen angemessene Vergütung auf die Energie von Betreibern privater Kraftwerke zurückgreifen. Eine Kartonfabrik, die ihren Strombedarf im eigenen Kraftwerk herstellt, machte eine Verletzung von Artikel 14 des Grundgesetzes durch die Verpflichtung geltend. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde wegen unzureichender Begründung und mangelnder Ausnutzung des Rechtswegs als unzulässig abgewiesen, meldet lto.de.
OLG München - NSU-Prozess: Am 100. Prozesstag im NSU-Verfahren hat der Vorsitzende Mafred Götzl erstmals einem Zeugen eine Ordnungsstrafe angedroht und danach die Befragung unterbrochen, wie spiegel.de meldet. Der Zeuge habe bezüglich seines Kontakts zum Terrortrio die Aussage verweigert. Das Gericht müsse nun klären, ob er ein Aussageverweigerungsrecht habe. Die SZ (Annette Ramelsberger) berichtet von der Vernehmung eines Verfassungsschutz-Beamten, der den rechten V-Mann Tino Brandt betreut hatte. zeit.de (Tom Sundermann) zieht eine Bilanz des Prozesses. Die Verhandlungstage seien geprägt vom Streit zwischen Nebenklagevertretern und der Bundesanwaltschaft.
OLG Hamm zu Massenkarambolage: lawblog.de (Udo Vetter) stellt ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vor, das eine Ausnahme zum Grundsatz "Wer auffährt, ist schuld" statuiert. Eine Massenkollision sei keine typische Auffahrsituation, so dass das Verschulden nicht durch den "Beweis des ersten Anscheins" angenommen werden könne.
LSG Essen zu Hartz IV: Wie die SZ meldet, muss das Jobcenter in Essen einem Hartz IV- Empfänger eine dreiwöchige Reise nach Indonesien zahlen, damit dieser seinen Sohn an dessen Geburtstag besuchen kann. Für eine erfolgreiche Ausübung des Umgangsrechts und zur Förderung der Kindesentwicklung seien die Reisedauer und die Kosten von 2.100 Euro angemessen.
AG Fürth - Krankenbehandlung von Flüchtlingen: Drei Mitarbeiter einer Flüchtlingsunterkunft in Zirndorf und ein Arzt sind wegen fahrlässiger Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung angeklagt, weil sie einem schwerkranken Kind die nötige Behandlung verweigerten. Sueddeutsche.de (Hans Holzhaider) schildert die Vorgeschichte des Verfahrens.
ArbG München - ADAC: Der ehemalige Medienchef des ADAC, Michael Ramstetter klagt vor dem Arbeitsgericht in München gegen seine fristlose Kündigung, berichtet die SZ (Bastian Obermayer und Uwe Ritzer). Ramstetter gilt als Hauptverantwortlicher in der ADAC-Manipulationsaffäre. Dem ehemaligen Geschäftsführer Carl Obermair sei ebenfalls fristlos gekündigt worden.
StA Dortmund - SS-Massaker in Oradour: Im Dezember 2013 hat die Staatsanwaltschaft Dortmund Anklage wegen Mordes gegen den 88-jährigen Werner Christukat erhoben. Er war Sturmmann im SS-Panzergrenadierregiment "Der Führer", dessen Soldaten für ein Massaker in Oradour (Frankreich) verantwortlich waren, dem circa 650 Menschen zum Opfer fielen. Die SZ (Hans Holzhaider) geht auf ihrer Seite 3 ausführlich auf die Geschichte der Taten ein und beschreibt, wie die Strafverfolgung jahrzehntelang verschleppt wurde.
Selbstanzeigen: Die FAZ (Joachim Jahn) berichtet von einer Tagung der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung in Leipzig. Staatsanwälte und Finanzämter hätten zunehmend mit ungültigen Selbstanzeigen zu tun. Das Problem sei die geforderte Vollständigkeit der Angaben. Bereits Verwechslungen der Einkommensarten würden zur Ungültigkeit führen.
Recht in der Welt
USA - Neues Verfahren für Todeskandidatin: Wie spiegel.de meldet, soll es ein neues Verfahren gegen die zum Tode verurteilte Michele Byrom geben. Ihr wird vorgeworfen, den Mord an ihrem Ehemann in Auftrag gegeben zu haben. Die Anwälte können im Verfahren neue Beweise vorbringen, unter anderem das Geständnis des gemeinsamen Sohnes.
Italien – Umweltverschmutzung: Die taz (Michael Braun) berichtet von der Verurteilung zweier ehemaliger Manager des größten italienischen Energiekonzerns Enel zu drei Jahren Haft wegen vorsätzlicher Umweltversuchung. Das größte Kraftwerk Europas in Porto Tolle wurde mit hochschwefelhaltigem Öl befeuert und verursachte neben Bronchialerkrankungen Umweltschäden in Milliardenhöhe.
Das Letzte zum Schluss
Public-Viewing in der Nacht: Für die Fußball-WM in Brasilien will die Bundesregierung Public Viewing wegen der Zeitverschiebung auch in der Nacht möglich machen. Die SZ (Kim Björn Becker) verrät den Trick der geplanten "Verordnung über den Lärmschutz bei öffentlichen Fernsehdarbietungen im Freien über die Fußball-WM 2014": Wie bereits seit 2006 praktiziert, werde die öffentliche Übertragung der Spiele mit Sportanlagen gleichgesetzt, was Ausnahmen beim Lärmschutz zuließe.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/se
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 2. April 2014: Pilotenstreik löst Diskussion um Tarifeinheit aus – Massenkarambolage vor Gericht – Fernreise für Hartz IV-Bezieher . In: Legal Tribune Online, 02.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11522/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag