Nach Zschäpe hat auch Wohlleben eine Aussage im NSU-Prozess angekündigt. Außerdem in der Presseschau: neue Asylrechtsregeln wie Urteil zu Deutsche Bank-Managern erst im nächsten Jahr und ein Rechtsargument gegen das Spielen mit Kindern.
Thema des Tages
OLG München – NSU: Der NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München steht vor einer Premiere: In der kommenden Woche wird sich die Hauptangeklagte erstmals in einer schriftlichen Einlassung zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen äußern. Daneben will aber auch der mitangeklagte Ralf Wohlleben aussagen. Nach Mitteilung seiner Anwältin wolle Wohlleben "dreiste Lügen" einiger Zeugen "klarstellen", schreibt die taz (Konrad Litschko). Der wegen Beihilfe zum Mord Angeklagte wolle im Gegensatz zu Beate Zschäpe persönlich aussagen und Fragen aller Verfahrensbeteiligter beantworten.
Annette Ramelsberger (SZ) macht in ihrem Kommentar auf die Überschrift der entsprechenden Mitteilung von Wohllebens Verteidigung aufmerksam. "Der Wahrheit eine Gasse" war auch der Titel der verklärenden Lebenserinnerungen des früheren Reichskanzlers Franz von Papen. Wie bei diesem sei auch bei Wohlleben "nicht unbedingt mit der reinen Wahrheit zu rechnen". Vielmehr stehe zu vermuten, dass ihm ebenso wie der Hauptangeklagten die schlechten Aussichten auf ein günstiges Urteil bewusst geworden seien. Die angekündigten Aussagen seien unter diesen Umständen "nichts anderes als der Griff zum letzten Strohhalm".
Rechtspolitik
Asylrecht: Nach Bericht der SZ (Nico Fried/Robert Roßmann) droht die zum 1. Januar 2016 geplante Einführung neuer Asylrechtsregeln zu scheitern. Obwohl sich die Vorsitzenden der Regierungsparteien bereits auf die Eckpunkte der Reform verständigt hatten, bestehe nach wie Streit über Details wie etwa der Definition von sogenannten subsidiär Schutzberechtigten. Die notwendige Vorlage an sowohl Bundestag als auch Bundesrat noch in diesem Jahr sei somit kaum mehr zu bewerkstelligen.
Integration: Heribert Prantl (SZ) setzt in seinem Kommentar die Forderung der CDU zur Schaffung eines Integrationspflichtgesetzes mit der schwarzen Pädagogik, bei der mit Druck und Einschüchterung gearbeitet werde, in Verbindung. Zwar seien die Werte und Haltungen, zu denen ein Bekenntnis gefordert werde, "richtig und wichtig". Ihre Durchsetzung in Gestalt einer "Rohrstock-Integration" fördere aber "allenfalls die Heuchelei". Integration sei vielmehr "eine Frage der Fantasie".
Flüchtlingsunterbringung: Die FAZ (Joachim Jahn) schreibt zu Bemühungen des Berliner Senats, noch mehr als bisher Turnhallen für die Unterbringung von Flüchtlingen zu nutzen. Hierzu seien die Bezirke der Hauptstadt aufgefordert worden, geeignete Objekte zu benennen. Gleichzeitig bereite die Landesregierung eine Änderung des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes vor, um die erforderliche Umwidmung selbst vornehmen zu können.
Krieg: Nach Einschätzung von Jost Müller-Neuhof (Tsp) eignet sich die von Frankreich reklamierte Ausrufung eines Bündnisfalls nach Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrages jedenfalls nicht dazu, "EU-Staaten auf den Kriegspfad" zu führen. Die erbetene Intervention in Syrien sei ein Militäreinsatz, über den in Deutschland das Parlament zu entscheiden habe. Bei Terroranschlägen innerhalb der EU – und dementsprechender Hilfe anderer Mitgliedsstaaten - sei vielmehr die Solidaritätsklausel nach Artikel 222 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU einschlägig.
Strafrecht und Terror: Im Kampf gegen den Terror dürfe Strafrecht "nicht selbst zum Terrorinstrument werden", schreibt Strafverteidiger Klaus Volk in einem Gastbeitrag für das HBl. Im Gegensatz zum angloamerikanischen Rechtskreis, in dem Strafrecht um so effizienter gelte, je unbestimmter es sei, müsse das hiesige Strafrecht ein Tatstrafrecht bleiben.
Justiz
BGH zu Gema und WEG: Nun berichtet auch internet.law (Thomas Stadler) zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom September, nach der die Musikverwertungsgesellschaft Gema von Wohnungseigentümergesellschaften keine Lizenzgebühren für den Empfang von Sendungen über eine Gemeinschaftsantenne und die Weiterleitung in Wohnungen verlangen darf.
VerfGH NRW – Parlamentsrechte: Die taz (Claudia Hennen) berichtet zu einer beim nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshof in Münster anhängig gemachten Klage von Abgeordneten der Oppositionsparteien des Landes. Als Mitglieder des Haushalts- und Finanzausschusses des Landtags kritisierten die Kläger, dass das von der rot-grünen Regierung eingesetzte "Effizienzteam" zur Ausfindigmachung von Sparpotenzialen besser über den Landeshaushalt informiert werde als sie selbst. Hierdurch würde die Kontrollfunktion des Parlaments geschwächt.
OVG B-B zu Lobbyismus: In Umsetzung eines kürzlichen Eilbeschlusses des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg hat die Bundestagsverwaltung nun eine Liste jener Lobbyisten veröffentlicht, die von Fraktionen mit Hausausweisen für Dauerzugang ausgestattet worden sind. Bis auf die Unionsfraktion hatten alle anderen Parteien die von ihnen autorisierten Lobbyisten bereits freiwillig namhaft gemacht, so spiegel.de. Von 1.111 erteilten Zugangskarten entfielen nach der nun veröffentlichten Übersicht auf die Union 765.
OLG Celle – IS-Rückkehrer: Im Verfahren gegen zwei mutmaßliche IS-Kämpfer aus Wolfsburg vor dem Oberlandesgericht Celle soll am kommenden Montag das Urteil verkündet werden. Die FAZ (Reinhard Bingener) schreibt ausführlich zum jetzt erfolgten Plädoyer der Bundesanwaltschaft. Die Anklagebehörde sehe die Vorwürfe "vollumfänglich bestätigt" und fordere daher mehrjährige Haftstrafen für beide Angeklagte.
OLG Koblenz zu Fußballfoul: Das Oberlandesgericht Koblenz hat in einem nun veröffentlichten Beschluss aus dem September den begehrten Schadensersatz für eine beim Fußballspielen erlittene Verletzung verweigert. Der Kläger habe nicht darlegen können, dass der Beklagte die entstandenen, erheblichen Verletzungen zumindest billigend in Kauf genommen habe, so lto.de.
LG München I – Deutsche Bank-Prozess: Über die Fortsetzung im Strafverfahren gegen Manager der Deutschen Bank vor dem Landgericht München I schreibt die SZ (Stephan Radomsky). Der Vorsitzende Richter Peter Noll bemühe sich, Anfeindungen zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft zu unterbinden. Wegen zahlreichen, von der Anklagebehörde neu eingeführten Dokumenten sei nun aber mit einem Prozessende noch in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen. Der Bericht der FAZ (Joachim Jahn) geht zudem kurz auf die Zeugenaussage von Albrecht Schmidt ein. Der frühere Hypovereinsbank-Chef habe sich bei der zugrundeliegenden Auseinandersetzung zwischen Leo Kirch und der Deutschen Bank als Vermittler einschalten wollen, weil er deren öffentliche Austragung als branchenschädlich empfunden habe. Einblicke in Einzelheiten habe er aber nicht erlangt.
VG Aachen zu Einbürgerung: Die FAZ (Reiner Burger) befasst sich mit einem am gestrigen Montag veröffentlichten Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen. In diesem wurde einer in Marokko geborenen Frau die begehrte Einbürgerung verweigert. Die Klägerin habe es unterlassen, sich "vom salafistischen Extremismus zu distanzieren", das von ihr abgegebene Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung sei demgegenüber "nicht von einer entsprechenden inneren Überzeugung getragen". lto.de berichtet ebenfalls.
Recht in der Welt
Österreich – Glockengeläut: Die FAZ (Stephan Löwenstein) berichtet zu den bislang erfolglosen Versuchen eines Anwohners des Linzer Mariendoms, dessen viertelstündliche Schlagen zu unterbinden. Der Kläger behaupte lärmbedingte gesundheitliche Einschränkungen und erstrebe nach Niederlagen vor unteren Instanzen nun eine Klärung durch den Obersten Gerichtshof des Landes, da eine Judikatur zu derartigen Lärmimmissionen noch nicht existieren.
Sonstiges
Deutsch: "Was ist deutsch?" fragt eine Feuilleton-Reihe der SZ. Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz, Nebenklagevertreterin im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München, gibt in einem Gastbeitrag eine Antwort und legt dar, dass Deutschland ihr Land "ist und bleibt".
Terrorliste und Arbeitsrecht: beck.blog.de (Markus Stoffels) weist auf die aktuelle Ausgabe der Neuen Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA) hin. In zwei Beiträgen der Zeitschrift werde der Frage nachgegangen, unter welchen Voraussetzungen Unternehmen dazu verpflichtet sein können, Mitarbeiter oder Bewerber einem Abgleich mit der sogenannten Terrorliste zu unterziehen.
Saal 600: Nach Bericht der SZ (Olaf Przybilla) hat sich der Freistaat Bayern entschlossen, Saal 600 des Nürnberger Justizgebäudes zu einem Museum umzuwandeln. Der gegenwärtig noch als Verhandlungsstätte für Kapitalprozesse genutzte "größte Gerichtssaal Nordbayerns" war 1945/1946 Ort des Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesses. Ein ursprünglich angedachter Rückbau des Saales werde nicht durchgeführt.
Wohnungsvermittlung an Flüchtlinge: Zahlreiche Flüchtlinge nehmen bei der Wohnungssuche zweifelhafte Angebote von Maklern an, schreibt Clara zu Löwenstein in einem Gastbeitrag für die FAZ. Die Doktorandin am Institut für internationales und ausländisches Privat- und Wirtschaftsrecht der Uni Heidelberg legt dar, dass derartige Verträge mit bis zu 3.000 Euro Maklergebühr vor allem wegen einem Verstoß gegen das Wucherverbot des Bürgerlichen Gesetzbuchs nichtig sein dürften.
Verfassungsschutz Thüringen: Nach dreieinhalb Jahren ohne Stellenbesetzung hat der Thüringer Verfassungsschutz einen neuen Präsidenten. Die taz (Konrad Litschko) stellt den neuen Amtsinhaber Stephan Kramer vor. Der "studierte Jurist ohne Abschluss" habe sich als besonders wortkräftiger Kritiker des Amtes hervorgetan, er beabsichtigte nun einen "Paradigmenwechsel" in der Arbeitsweise des Geheimdienstes.
Laboraffäre-U-Ausschuss: Vor dem Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtages zur Aufarbeitung der Labor- oder auch Schottdorf-Affäre hat der Münchner Generalstaatsanwalt Manfred Nötzel ausgesagt. In seiner Rolle als damaliger Leiter der ursprünglich zuständigen Abteilung für Wirtschaftskriminalität habe er keine Anweisung zur Abgabe der Ermittlungen an eine andere Staatsanwaltschaft erteilt, vielmehr einen entsprechenden Hinweis, so sz.de (Stefan Mayr).
Das Letzte zum Schluss
Spielverletzung: Das Spielen mit Kindern mag Freude bereiten, kann aber auch schmerzhaft enden. Für einen Mann, der sich bei einer Konfirmationsfeier in Ostfriesland an den Vergnügungen mehrerer Kinder beteiligte, wurde der Spaß zudem auch teuer. Nach Bericht der Welt bleiben seine Verletzungen durch einen auf der Brille gelandeten Tennisball – von einem 13-Jährigen geworfen – entschädigungslos. Denn hätte der Mann nach Einschätzung des Oberlandesgerichts Oldenburg "generell" mit fehlgeleiteten Bällen rechnen und sich darauf einstellen müssen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 1. Dezember 2015: Letzter Strohhalm Aussage / Asylrechtsverschärfung verschoben? / Deutsche Bank-Urteil verzögert . In: Legal Tribune Online, 01.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17713/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
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