Verfassungsrichter Ferdinand Kirchhof hält den Länderfinanzausgleich für überflüssig. Außerdem in der Presseschau: Justizminister Maas will Banken nicht helfen, der Bundeswehreinsatz im Irak könnte eine Parlamentszustimmung benötigen, das BVerfG lehnte Edathy-Klage gegen Durchsuchung ab - und warum an belgischen Frittenbuden immer öfter Altfett gestohlen wird.
Thema des Tages
Ferdinand Kirchhof im Interview: Der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts plädiert im Interview mit der WamS (Thorsten Jungholt) für eine Reform des Länderfinanzausgleichs. Die Umverteilung zwischen den Ländern soll dabei ersatzlos gestrichen werden. Stattdessem solle lediglich der Bund jedem Land ein finanzielles Existenzminimum garantieren. Zudem will Kirchhof bei multilateralen Auslandseinsätzen der Bundeswehr auf den Parlamentsvorbehalt verzichten. Der Bundestag solle einmal dem Beitritt zu einem entsprechenden "Verband" zustimmen, damit in der Zukunft nur noch dessen Einsatzregeln gelten. Außerdem spricht Kirchhof über den Wert des Rechtsstaats, die NSA-Überwachung (es gebe wohl kein individuelles Recht auf Spionageabwehr), BND-Überwachung im Ausland und die Schuldenbremse. Am Ende des Interviews betont Kirchhof, er mache seine Vorschläge "als Wissenschaftler, nicht als Richter".
Rechtspolitik
Heiko Maas im Interview: Der Bundesjustizminister fordert im Interview mit dem Focus (Stephanie E. Steilmann/Frank Thewes - focus.de-Zusammenfassung 1 und focus.de-Zusammenfassung 2) mehr Datenschutz bei Smartphone-Apps. Wenn diese auf Daten zugreifen, die für den Dienst nicht notwendig sind, müsse eine ausdrückliche Einwilligung des Nutzers eingeholt werden. Das soll künftig in der EU-Datenschutz-Grundverordnung geregelt werden, so Maas. Außerdem geht es in dem Gespräch um die Mietpreisbremse, die NSA-Überwachung und private Themen (seine Wohnungssuche in Berlin und sein Familienleben).
Immobilienkredite: Verbände der Kreditwirtschaft fordern laut Spiegel eine zeitliche Begrenzung von Widerrufsrechten bei unwirksamer Widerrufsbelehrung, zum Beispiel auf ein Jahr. Justizminister Maas lehne derartige Eingriffe in Verbraucherrechte jedoch ab.
Tarifeinheit: Ex-Verfassungsrichter Udo di Fabio kritisiert in einem Gutachten für den Marburger Bund die Koalitions-Pläne zur Einführung der Tarifeinheit. "Die im Grundgesetz garantierte Koalitionsfreiheit würde in ihrem Wesensgehalt verletzt, wenn künftig nur noch diejenige Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern in einem Betrieb Arbeitskämpfe führen dürfte", referiert der Spiegel.
Untreue: Bernd Ziesemer (Handelsblatt) fordert eine klarere Definition der Untreue im Strafgesetzbuch. Der Tatbestand sei "derart schwammig definiert, dass die Richter regelmäßig kapitulieren und auf einen Kompromiss zwischen Staatsanwälten und Verteidigern drängen." Anlass ist die Verfahrenseinstellung gegen vier Ex-Manager der BayernLB vorige Woche am Landgericht München.
Bundeswehr im Irak: Die Bundesregierung will einige Bundeswehr-Soldaten in den Irak entsenden, um Kurden in den Gebrauch der von Deutschland gelieferten Waffen einzuweisen. Die Habilitandin Jana Hertwig erklärt auf juwiss.de, dass dieser Einsatz ein Mandat des Bundestags benötige. Die Maßnahme habe nicht nur vorbereitenden Charakter, sei nicht von geringer Intensität und es bestehe auch nicht Gefahr im Verzug.
Nudging: Der Spiegel (Alexander Neubacher) erläutert den Auftrag einer von der Bundesregierung eingesetzten Projektgruppe "Wirksam Regieren". Sie soll herausfinden, mit welchen psychologischen Kniffen Bürger zu erwünschten Verhaltensänderungen gebracht werden können, ohne zu Verboten und anderen Regulierungen greifen zu müssen. Den Ansatz haben zwei US-Professoren unter dem Begriff "nudging" (anstupsen) entwickelt.
Justiz
BVerfG zu Edathy-Durchsuchung: Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde des Ex-Abgeordneten Sebastian Edathy gegen die Durchsuchung seiner Wohn- und Arbeitsräume abgelehnt. Es habe ein Anfangsverdacht auf Besitz von Kinderpornographie bestanden, weil die Strafbarkeit der von Edathy in Kanada bestellten Bilder nach Ansicht der Hannoveraner Staatsanwaltschaft von schwierigen Wertungen abhängig war. Am Tag der ersten Durchsuchungen bestand zwar noch die Edathys Immunität, dies habe er jedoch im fachgerichtlichen Verfahren zu spät gerügt. Es berichten u.a. die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch), taz.de (Christian Rath), die Samstags-FR (Ursula Knapp) und verfassungsblog.de (Max Steinbeis).
Wolfgang Janisch (Samstags-SZ) zeigt sich von der Entscheidung enttäuscht: "Beim Thema Kinderpornografie genügt schon der Schatten eines Verdachts, um Existenzen zu vernichten. Wo, wenn nicht hier, muss der Rechtsstaat äußerst skrupulös vorgehen? Und wo sonst müsste der oberste Hüter des Rechtsstaats klare Worte sprechen?" Ähnlich argumentiert Christian Rath (Samstags-HAZ): Es sei "durchaus bedenklich, wenn die Schwelle für Hausdurchsuchungen so niedrig angesetzt wird." Udo Vetter (lawblog.de) kritisiert, die Entscheidung stärke Ermittlern den Rücken, "fehlende Tatsachen durch Spekulation aufzuwiegen." Dagegen kritisiert Christian Bommarius (FR) lediglich Edathys Anwalt, der die Subsidiaritäts-Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht kenne.
OLG Koblenz zu "Rock am Ring": Konzertveranstalter Marek Lieberberg kann weiter den Titel "Rock am Ring" für Rockkonzerte nutzen. Das Oberlandesgericht Koblenz lehnte eine von der Nürburgring GmbH beantragte einstweilige Verfügung ab, berichten die FAZ (Timo Frasch) und lto.de. Es blieb zwar offen, ob der Titel schutzfähig sei, jedenfalls stünden die Rechte am Titel aber nicht der Nürburgring GmbH zu, wie Lieberberg jetzt belegen konnte.
LG Berlin zu Reiseversicherungen: Das Landgericht Berlin hat auf Klage von Verbraucherschützern den Online-Flugvermittler Opodo gerügt, berichtet die Montags-taz (Richard Rother). Opodo hatte Kunden durch eine verwirrende Gestaltung des Buchungsablaufs dazu gebracht, gegen ihren Willen Reiseschutzversicherungen abzuschließen. Zudem wurden am Ende noch Servicegebühren erhoben, die nicht im angegebenen Preis enthalten waren.
AG Augsburg verurteilt RA Urmann: Der Abmahnanwalt Thomas Urmann wurde vom Amtsgericht Augsburg wegen seiner früheren Tätigkeit als Geschäftsführer einer Wurstfabrik verurteilt. Für die festgestellte Konkursverschleppung erhielt Urmann eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung, er muss zudem eine Geldauflage von 80.000 Euro zahlen und 80 Sozialstunden leisten. Außerdem verliere er seine Zulassung als Anwalt, berichtet focus.de.
StA München - Geldauflagen und Vermögensabschöpfung: Die Samstags-SZ (Heribert Prantl) führt ein ausführliches Interview mit Manfred Nötzel, dem Leiter der Staatsanwaltschaft München I. Nötzel erklärt, warum die Einstellung des Korruptionsverfahrens gegen Bernie Ecclestone bei einer Geldauflage von 100 Millionen Euro richtig war. Außerdem geht es in dem Gespräch um Vermögensabschöpfung, Finanzkapitaldelikte und Untersuchungshaft bei Managern.
Recht in der Welt
USA - Danny Marti: Der Anwalt Danny Martin wurde von US-Präsident Barack Obama zum "U.S. Intellectual Property Enforcement Coordinator" ernannt, er ist nun der amerikanische Chefbewahrer geistigen Eigentums. Die Samstags-SZ (Bernd Graff) portraitiert den Spezialisten für Urheber- und Markenrecht
Sonstiges
Umtauschrechte: Aus Anlass des von IKEA eingeführten lebenslangen Umtauschrechts, schildert die Samstags-FAZ (Julia Löhr u.a.) weitere Beispiele ausgeweiteter Umtauschrechte und ihre Fallstricke.
Todesstrafe: Der Strafrechtsprofessor Bernd-Dieter Meier befasst sich auf zeit.de mit der eindeutigen Rechtslage zum Verbot der Todesstrafe, den weniger eindeutigen Umfragen in Deutschland und der deshalb immer wieder neu erforderlichen politischen Begründung zur Ablehnung der Todesstrafe.
Das Letzte zum Schluss
Diebstahl an der Frittenbude: An belgischen Pommes-Frites-Buden nehmen Diebstähle von Altfett zu, berichtet der Focus (mo). Im Vorjahr waren bereits sechs Prozent der einschlägigen Unternehmen betroffen. Grund: Eine Tonne gereinigtes Altfett sei rund 500 Euro wert. Es finde Verwendung als Ausgangsstoff für Biodiesel.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 30. August - 1. September 2014: Verfassungsrichter gegen Finanzausgleich – Bundestag und Irak-Einsatz der Bundeswehr – BVerfG zu Edathy-Durchsuchung . In: Legal Tribune Online, 01.09.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13043/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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