EuGH verneint Flüchtlingsstatus von "Terrorhelfer". Außerdem in der Presseschau: Bundeskartellamt könnte auch Verbraucher schützen, Trump nominiert neuen SCOTUS-Richter und Neuigkeiten zu US-Einreiseverboten.
Tagesthema
EuGH zu Asylrecht für Terrorunterstützer: Am gestrigen Dienstag hat der Europäische Gerichtshof in einem Vorabentscheidungsverfahren geurteilt, dass für Terrorhelfer ein Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling möglich ist, wenn diesen Handlungen vorzuwerfen sind, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen widersprechen. Dies könne auch der Fall sein, wenn der Person nicht selbst terroristische Handlungen oder eine Anstiftung oder Beihilfe vorzuwerfen ist, sie aber Mitglied in einer terroristischen Vereinigung sei. Im konkreten Fall hatte ein marokkanischer Staatsangehöriger, Mostafa Lounani, Freiwilligen geholfen, zur Vorbereitung von Terrorhandlungen in den Irak zu reisen, auch habe er Pässe gefälscht. 2006 war Lounani in Belgien u.a. wegen Beteiligung als führendes Mitglied an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung, Bildung einer kriminellen Vereinigung und Urkundenfälschung verurteilt worden; sein 2010 gestellter Asylantrag wurde abgelehnt, dagegen hatte er geklagt. Dazu berichten lto.de (Tanja Podolski), SZ (Wolfgang Janisch), FAZ und taz.
Rechtspolitik
Bundeswehr im Innern: Bayern plant, einen Entschließungsantrag in den Bundesrat einzubringen, wonach das Grundgesetz dahingehend geändert werden soll, den Einsatz der Bundeswehr im Innern zur Abwehr von Terrorgefahren explizit zu ermöglichen. Auch solle die Bundeswehr in Ausnahmefällen zur Grenzsicherung eingesetzt werden können. Zum Vorhaben informiert lto.de.
Datenschutzreform: Die SZ (Kristiana Ludwig) befasst sich mit der für den heutigen Mittwoch geplanten Vorlage eines Gesetzentwurfs durch Bundesinnenminister de Maizière (CDU) an das Kabinett. Dabei geht es um neue Datenschutzregelungen, die nach Analyse der SZ an mehreren Punkten hinter den Forderungen der EU-Datenschutzgrundverordnung, die im Mai 2018 in Kraft treten soll, zurückblieben. So könnten etwa Versicherungen vollständig automatisiert Ablehnungen von Kostenerstattungsanfragen der Mitglieder erlassen und Unternehmen soll es überlassen sein, "ob sie Bürger informieren, wenn sie deren persönliche Daten für einen anderen Zweck nutzen als ursprünglich vereinbart" – sofern dabei ein "unverhältnismäßiger Aufwand" entstünde.
Auch das Hbl (Dietmar Neuerer) hat sich den Kabinettsentwurf angeschaut. Datenschutzexperten hielten viele Formulierungen für zu schwammig, die Wahrscheinlichkeit sei hoch, dass der Europäische Gerichtshof die geplanten Regelungen später beanstande – das Risiko trügen die Unternehmen.
Bundeskartellamt – neue Aufgabe? Für den "Recht und Steuern"-Teil der FAZ befasst sich Rechtsanwalt Ingo Brinker mit einem Vorhaben der Berliner Koalition, wonach dem Bundeskartellamt künftig die Aufgabe der Durchsetzung von Verbraucherschutzinteressen obliegen soll – so wie etwa bei der US-amerikanischen Federal Trade Commission (FTC). Eine entsprechende Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) hält Brinker für naheliegend, bei den Prüfungen des Kartellamtes stünde ohnehin Schutz von Verbrauchern und Kunden im Vordergrund. Bisher stehe dem Verbraucherschutz nur die teilweise langwierige zivilprozessuale Unterlassungsklage zur Verfügung.
Verschärfung § 113 StGB: Nach einer Absage an die Kritiker vermeintlich zu komplexer Rechtssprache fragt sich Bundesrichter Thomas Fischer in seiner zeit.de-Kolumne, ob die geplante Verschärfung der Strafbarkeit des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) und Gleichgestellten (§ 114 StGB) Probleme der Polizei – schlechte Bezahlung, schlechte Ausstattung, schlechte Arbeitsbedingungen – lösen kann.
Abschiebehaft/Fall Amri: Dass der mutmaßliche Berlin-Attentäter Anis Amri im vergangenen Juli nicht in Abschiebehaft genommen wurde, lag, so die taz (Christian Rath), gerade nicht an einer diesbezüglichen Gesetzeslücke, sondern an einer Fehleinschätzung der Gefährlichkeit Amris. Eine mehr als sechsmonatige Abschiebehaft wäre auch in Einklang mit BGH-Rechtsprechung möglich gewesen, da Amri falsche Identitätsangaben gemacht hatte.
Justiz
LG Bremen zu tödlichem Motorradraser: Das Landgericht Bremen hat Alperen T. wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. T., der mit Videos von seinen Rennfahrten auf öffentlichen Straßen zehntausende Youtube-Fans begeisterte, hatte im Juni 2016 bei einer Raser-Tour mit einem Motorrad einen Fußgänger überfahren. Dazu berichten spiegel.de (Benjamin Schulz) und FAZ (Reinhard Bingener). Die Staatsanwaltschaft hatte wegen Mordes angeklagt, T. später im Prozess aber nur noch einen Totschlag vorgeworfen.
LG Dresden ändert Geschäftsverteilung: Am Landgericht Dresden obliegt die Bearbeitung von Verfahren aus dem Presse- und Medienrecht sowie dem Schutz der persönlichen Ehre künftig einer neu eingerichteten 1. Zivilkammer – statt wie bislang der 3. Zivilkammer. Das LG-Präsidium habe sich darauf mit dem Richter Jens Maier aus der 3. Kammer geeinigt, der als AfD-Mitglied u.a. wegen Äußerungen über einen angeblichen deutschen "Schuldkult" in die Kritik geraten war. Wie lto.de (Pia Lorenz) erläutert, wolle das Gericht so Zweifel an der Unbefangenheit von Maier ausräumen. Maier hatte sich in einem Verfahren gegen das Kulturbüro Sachsen e.V. bereits selbst für befangen erklärt und 2016 wegen der einstweiligen Untersagung kritischer Äußerungen eines Politologen über die NPD für Aufsehen gesorgt.
AG Berlin-Charlottenburg zu Hausordnung für WEG: Fordert jedenfalls ein Eigentümer in einer Wohnungseigentümergemeinschaft, dass eine Hausordnung aufgestellt wird, so muss die Gemeinschaft dem nachkommen. Dies entschied laut lawblog.de (Udo Vetter) das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg. Im konkreten Fall bestand die bisherige Hausordnung nur aus einem Satz, der den Verweis auf die gesetzlichen Regelungen enthielt, dies genüge aber nicht.
EuGH – Arbeitnehmermitbestimmung: Vergangene Woche verhandelte der Europäische Gerichtshof auf Vorlage des Kammergerichts Berlin über die Mitbestimmung von Arbeitnehmern in den Aufsichtsräten deutscher Unternehmen, in denen nur Vertreter der in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer sitzen. Für den "Recht und Steuern"-Teil der FAZ befasst sich damit der Professor für Arbeitsrecht Florian Rödl.
OLG München – NSU-Prozess: Am gestrigen Dienstag wurde im NSU-Prozess vor dem Münchener Oberlandesgericht eine vom NSU zusammengestellte Liste von 223 jüdischen Einrichtungen in Deutschland verlesen. Die Liste sei, so die SZ (Wiebke Ramm), im letzten Versteck von Zschäpe, Mundlos und Bönhardt gefunden worden.
LG Berlin – "Hells Angels": Von dem bereits 150 Prozesstage andauernden Strafprozess gegen Mitglieder des Rocker-Clubs "Hells Angels" vor dem Berliner Landgericht berichtet die SZ (Verena Mayer) ausführlich. Elf Mitglieder müssen sich dort wegen Mordes an einem Mitglied der verfeindeten Gruppe "Bandidos" verantworten.
LG Berlin – (ex)linker Brandstifter: Die taz (Erik Peter) berichtet vom Prozess gegen den geständigen Marcel G., der im Juli vergangenen Jahres mehrere PKW in Berlin angezündet habe und sich deshalb derzeit vor dem Landgericht Berlin verantworten muss. Er habe die Tat den Linken in die Schuhe schieben wollen, so die taz, nachdem er von diesen "verstoßen" worden sei.
Chan-jo Jun gegen Facebook: Die FAZ (Uwe Ebbinghaus) porträtiert ausführlich den Würzburger Rechtsanwalt Chan-jo Jun, der sich im Kampf gegen "Hassäußerungen und Verleumdungen" auf Facebook einen Namen gemacht hat. Im Beitrag geht es auch um ein Verfahren vor dem Würzburger Landgericht, in welchem Facebook sich zum ersten Mal wegen entsprechender Kommentare vor einem deutschen Gericht verantworten müsse; für den 6. Februar sei eine Anhörung angesetzt.
Recht im Ausland
USA – Supreme Court-Nominierung: Wie spiegel.de meldet, hat der US-Präsident Donald Trump den Bundesrichter Neil Gorsuch für den Obersten Gerichtshof der USA nominiert. Der konservative Gorsuch stammt aus Colorado und muss nun vom US-Senat bestätigt werden. Nach dem Tod Antonin Scalias im vergangenen Jahr war der Posten frei geworden.
Clemens Werging (welt.de) porträtiert Gorsuch kurz und kommentiert: Die Nominierung könne für Trump zum "Bumerang" werden:"Mehr Establishment geht eigentlich gar nicht".
USA – Einreiseverbot I: Der Justizminister des US-Bundesstaates Washington geht mit einer Klage vor einem Bundesgericht in Seattle gegen das von US-Präsident Trump verfügte Einreiseverbot für Staatsangehörige aus sieben muslimisch geprägten Ländern vor. Dazu erläutert die SZ (Clemens Markus): Im Fall des Erfolgs wäre das Dekret landesweit ungültig. Die Konzerne Amazon und Expedia unterstützen den Minister dabei. Die Welt (Torsten Krauel) widmet dem Thema und den Hintergründen einen sehr ausführlichen Beitrag und informiert, dass Justizminister aus 15 weiteren US-Bundesstaaten folgen könnten.
Wie zeit.de meldet, solle das Einreiseverbot nun doch nicht für Inhaber eines zweiten Passes gelten; konkret ging es um die Einreise von zwei Personen, die auch über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen.
US-Konzerne wie Google, Airbnb und Netflix erwägen laut zeit.de, Klagen gegen das Einreiseverbot per Stellungnahmen – sogenannter "amcius briefs" – zu unterstützen.
Sabrina Fritz (Deutschlandfunk.de) kommentiert – auch mit Blick auf die entlassene Justizministerin Sally Yates: "Demonstranten kann man ignorieren, Journalisten beschimpfen, aber Richter stehen über dem Präsidenten. Die kann er nicht einfach feuern." Der US-Verfassungsrechtler James C. Hathaway spricht auf verfassungsblog.de (englischsprachig) von einer "Catch-22"-Situation, in welche Trump die internationale Gemeinschaft gebracht habe: Zwar könnten Staaten wie Deutschland die USA vor dem Internationalen Gerichtshof wegen der Verletzung der Genfer Flüchtlingskonvention verklagen, aber vielleicht stellen die Republikaner das "Resettlement-Programm" für Flüchtlinge dann komplett ein.
USA/Irland – Einreiseverbot II: Die irische Regierung hat nach einen Bericht von netzpolitik.org (Matthias Monroy) beschlossen, die Vorkontrollen US-amerikanischer Einreise-Behörden, die auf Grund eines Abkommens mit Irland an irischen Flughäfen durchgeführt werden, auf die Vereinbarkeit mit der irischen Verfassung zu prüfen.
USA – Klage gegen Germanwings: Angehörige von zwei US-amerikanischen Opfern des vom deutschen Piloten Andreas Lubitz verursachten Absturzes eines Germanwings-Flugzeugs in den Alpen im März 2015 haben Germanwings und den Mutterkonzern Lufthansa sowie United Airlines, die die Flugtickets verkauft hatten, vor einem Gericht im US-Bundesstaat Virginia verklagt. Laut zeit.de werfen die Kläger den Fluggesellschaften "widerrechtliche Tötung" vor, sie hätten fahrlässig gehandelt, weil sich zum Absturzzeitpunkt nur ein Crewmitglied im Cockpit aufhielt.
Brexit im Parlament: Über die Debatte zum sogenannten Brexit im britischen Unterhaus berichten ausführlich die FAZ (Jochen Buchsteiner) sowie die taz. Diese war notwendig geworden nach der Entscheidung des britischen Supreme Courts, wonach das Parlament zum Brexit beschließen müsse.
Türkei – Verfassungsreform: In einem englischsprachigen Beitrag unter dem Titel "New Constitutional Amendment Proposal in Turkey: A Threat to Pluralistic Democracy!" befasst sich der Assistenzprofessor Tolga Şirin auf verfassungsblog.de mit der Verfassungsreform in der Türkei.
Italien – Taricco-Entscheidung des EuGH: Der Rechtswissenschaftler Pietro Faraguna erläutert (in englischer Sprache) für verfassungsblog.de eine Vorlage des italienischen Verfassungsgerichts an den Europäischen Gerichtshof, die die Taricco-Entscheidung des Gerichtshofs betrifft: "The Italian Constitutional Court in re Taricco: 'Gauweiler in the Roman Campagna'".
Kanada – Anklage nach Québec-Attentat: Wie die FAZ berichtet, wird der mutmaßliche Attentäter von Québec wegen sechsfachen Mordes und fünffachen versuchten Mordes angeklagt. Es komme vielleicht aber auch eine Anklage wegen terroristischer Taten und Gefährdung der nationalen Sicherheit in Betracht.
Sonstiges
"Plagiatsfall Müßig": Im Jahr 2015 hatte die Professorin für Rechtsgeschichte an der Universität Passau, Ulrike Müßig, eingestanden, in einem Beitrag für die "Juristenzeitung" plagiiert zu haben. Die FAZ (Jochen Zenthöfer) fragt, wann die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), in welche Müßig kurz vor Bekanntwerden des Falles gewählt worden war, sich über etwaige Konsequenzen aus der Verfehlung einigen werde.
Mietrecht – Auszug: Was Wohnungsmieter bei einem Auszug in rechtlicher Hinsicht bedenken sollten, erläutert anhand einschlägiger Rechtsprechung focus.de (Thomas Müncher).
Juristische Ausbildung
Zukunft der Juristenausbildung: Die Rechtswissenschaftlerin Anika Klafki (juwiss.de) setzt sich kritisch mit den Reformplänen für die Gestaltung der Juristenausbildung zum Ersten Staatsexamen auseinander. Dabei begrüßt sie die vom Koordinierungsausschuss, eingesetzt von der Justizministerkonferenz, vorgeschlagene Entschlackung des Pflichtstoffkatalogs, kritisiert dabei jedoch die ebenfalls vorgesehenen Beschränkungen in den Schwerpunktbereichen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dc
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 01. Februar 2017: Kein Asyl für Terrorhelfer / Neue Aufgabe für Bundeskartellamt / Trump nominiert für Supreme Court . In: Legal Tribune Online, 01.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21950/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
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