Nach Paris ist wieder die Rede von einem "Krieg" gegen den Terrorismus. Außerdem in der Presseschau: Spionage gegen EU-Bürger soll es nicht geben, Waffenscheine gibt es nicht als Generalerlaubnis und zu viel Frechheit stachelt Ermittlungseifer an.
Thema des Tages
"Krieg" gegen den Terror?: Völkerrechtlich handelt es sich bei den Anschlägen in Paris nicht um Kriegsakte, so die Montags-taz (Andreas Zumach/Christian Rath). Militärische Gegenschläge auf syrischem Boden (ohne UN-Mandat oder Zustimmung der syrischen Regierung) seien damit nicht rechtmäßig. Terrororganisationen seien mit den Mitteln des Strafrechts zu bekämpfen. Auch die Montags-FAZ (Reinhard Müller) befasst sich mit der Frage, was im Kampf gegen den Terror (dem "asymmetrischen 'Krieg'") gerechtfertigt ist, und den Grenzen, die dem Rechtsstaat gesetzt sind.
Anschlag und Flüchtlingspolitik: Zu Wortmeldungen, die aus den Anschlägen in Paris Konsequenzen für die Flüchtlingspolitik ziehen wollen, weil Terroristen als Flüchtlinge getarnt einreisen könnten, schreibt Heribert Prantl (Montags-SZ), dass ein "starkes Europa eines ist, das die Schwachen, das Recht und die Freiheit schützt". "Jedes Recht kann hintergangen werden. Das darf aber nicht dazu führen, das Recht zu streichen; und auch nicht dazu, den IS-Opfern Schutz zu verweigern."
Ausnahmezustand: Laut spiegel.de plant Präsident Hollande den Ausnahmezustand für drei Monate aufrecht zu erhalten. Er "ermöglicht unter anderem Ausgangssperren, Wohnungsdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss auch in der Nacht und Hausarrest für Menschen, deren Aktivität als 'gefährlich für die Sicherheit und die öffentliche Ordnung' angesehen wird. Außerdem können Versammlungsverbote verhängt und Konzertsäle und Kinos geschlossen werden." Dazu bedürfe es jedoch eines Gesetzes.
Rechtspolitik
BND-Reform: Die große Koalition hat sich auf die Eckpunkte der Reform des Bundesnachrichtendienstes geeinigt, berichten Samstags-taz (Ralf Pauli), Samstags-SZ (Thorsten Denkler) und spiegel.de. Danach soll etwa die Spionage gegen EU-Bürger untersagt sein und sämtliche Spionageeinsätze vom BND-Präsidenten angeordnet und vom Kanzleramt genehmigt werden, auch einigte man sich auf die Einführung des Ständigen Bevollmächtigten für Geheimdienstüberwachung.
Anti-Doping-Gesetz: Der Bundestag hat am Freitag das Anti-Doping-Gesetz beschlossen, nach dem sich nun auch Sportler strafbar machen können. Nicht ihre Gesundheit sondern wirtschaftliche Interessen der Gegner und die Vorbildfunktion des Spitzensports werden geschützt. Für effektive Dopingbekämpfung bedürfe es Ermittlungsmethoden, die nur dem Staat zur Verfügung stünden, deshalb sei Strafrecht erforderlich, meint Christian Rath (BadZ) und weist darauf hin, dass es letztlich aber internationaler Anstrengungen bedürfe und Deutschland wohl zunächst mit weniger Medaillen rechnen müsse.
Pflegereform: Die Regeln der am Freitag verabschiedeten Pflegereform fasst lto.de zusammen. Insbesondere werden Demenzkranke in die Pflege einbezogen und pflegende Angehörige in Renten- und Arbeitslosenversicherung besser abgesichert.
Justiz
BVerwG zu "Firmenwaffenschein": Waffenscheine dürfen an Firmen nur hinsichtlich konkret dargelegter Umstände erteilt werden – welche Personen oder Objekte geschützt werden sollen und worin die besondere Gefährdungslage besteht. Einen "Firmenwaffenschein", nach dem das Security-Unternehmen im konkreten Fall selbst entscheiden könnte, gebe das Waffenrecht nicht her, entschied das Bundesverwaltungsgericht, wie lawblog.de (Udo Vetter) meldet.
EuG zu Geheimhaltung: Im laufenden Prozess der politischen Entscheidungsfindung darf die EU-Kommission Dokumente die im Zusammenhang mit Gesetzgebungsverfahren stehen geheim halten. Das entschied das Europäische Gericht am Freitag, berichtet lto.de.
BVerfG zu Beratungshilfe: Die Ablehnung eines Antrags auf Beratungshilfe bedarf einer Begründung im Einzelfall und hat als Maßstab den kostenbewussten, finanziell bemittelten Antragsteller zugrunde zu legen. Das betonte das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss aus Oktober, berichtet lto.de.
LAG Kiel zu Sonntagspost: Ein Arbeitnehmer hat nicht die Verpflichtung am Sonntag in seinen Briefkasten zu sehen. Eine Sonntags dort eingeworfene Kündigung geht ihm daher erst am folgenden Montag zu, weil erst dann typischerweise mit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann, entschied das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, laut blog.beck.de (Markus Stoffels).
VG Münster zu Ex-Richtern als Anwälte: Die nordrhein-westfälische Justizverwaltung wollte einem ehemaligen Richter, der nach Pensionierung als Rechtsanwalt tätig ist, für fünf Jahre untersagen, an seinem ehemaligen Dienstort tätig zu sein. Das theoretische Risiko unangemessener Nutzung von Kontakten genüge nicht für den Eingriff in die Berufsfreiheit, entschied das Verwaltungsgericht Münster im Eilverfahren, erst recht nicht für die überzogene Länge von fünf Jahren. Es müssten zumindest konkrete Anhaltspunkte für Mauscheleien bestehen. Das meldet lawblog.de (Udo Vetter).
VG Potsdam zu Piratenkopftuch: Das Piratenkopftuch ist eine typische Kopfbedeckung für Anhänger der "Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters". Aber dem Vorsitzende des deutschen Ablegers sei ein Passfoto mit dieser Kopfbedeckung zu Recht verweigert worden, entschied das Verwaltungsgericht Potsdam. Um als Weltanschauungs- oder Religionsgemeinschaft zu gelten, fehle ein "eigener weltanschaulicher Erklärungsansatz", meldet die Samstags-taz.
OLG München – NSU-Prozess: An Beate Zschäpes angekündigte Einlassung seien keine großen Erwartungen zu knüpfen, meint Holger Schmidt (SWR-Terrorismus-Blog) und fragt, in welcher Funktion der neue Wahlverteidiger Hermann Borchert die Angeklagte eigentlich in der Vergangenheit in der Untersuchungshaft besuchte. Konrad Litschko (Samstags-taz) sieht die anstehende Aussage als Erfolg der peniblen Arbeit des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl an. Laut Samstags-SZ (rabe) fallen zwei Verhandlungstage in dieser Woche aus.
OLG München – Spionage-Prozess: Vor dem Oberlandesgericht München beginnt am heutigen Montag der Prozess gegen einen ehemaligen BND-Mitarbeiter, der Informationen an die CIA verkauft haben soll. Ihm werden Landesverrats, Verletzung von Dienstgeheimnissen und Bestechlichkeit vorgeworfen. Das meldet die Montags-taz.
LG Essen – Middelhoff: Die Staatsanwaltschaft Bochum hat beim Landgericht Essen Anklage gegen 15 frühere Verantwortliche des insolventen Arcandor-Konzerns erhoben haben. Thomas Middelhoff soll unter den Angeschuldigten sein. Ihm werde (je nach Bericht) Anstiftung oder Beihilfe zur Untreue in besonders schwerem Fall vorgeworfen. Es berichten unter anderen zeit.de und HBl (Volker Votsmeier).
LG Hamburg – "Mopo"-Anschlag: Zehn Monate nach dem Anschlag auf die Hamburger Morgenpost ist gegen vier Männer Anklage vor dem Landgericht Hamburg erhoben wurden, wegen schwerer Brandstiftung, meldet die Montags-SZ.
LG Dresden – Infinus-Prozess: Am heutigen Montag beginnt vor dem Landgericht Dresden der Prozess gegen sechs Manager von Infinus/Fubus weil sie in einem der größten Anlegerskandale in Deutschland mir einem Schneeballsystem 40.000 Anleger um eine Milliarde geprellt haben sollen, wobei die Anklage sich nur auf 22.000 Anleger und 312 Millionen Euro davon bezieht. Der Vorwurf lautet auf gewerbsmäßigen Betrug und Kapitalanlagebetrug, berichtet das HBl (Gertrud Hussla).
VG Halle – UBA-Broschüre: Das Verwaltungsgericht Halle wird am Mittwoch darüber verhandeln, ob das Umweltbundesamt in einer Broschüre über den Klimawandel drei Journalisten namentlich nennen durfte, mit der Angabe, deren Beiträge stimmten "nicht mit dem Kenntnisstand der Wissenschaft" überein. Die Betroffenen sehen sich diskreditiert, sie hätten nur Zweifel an den Standpunkten des Weltklimarates geäußert, und begehren Rücknahme der Broschüre, meldet der Focus.
EuGH zu Verwertungsgesellschaften: Über das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, nach dem Verleger nicht unbedingt Anteil an den Erlösen der Verwertungsgesellschaften beanspruchen können und die Auswirkungen für das beim Bundesgerichtshof anhängige Verfahren, informiert Rechtsanwalt Günter Poll auf lto.de. Thomas Stadler (internet-law.de) meint, nach dem Urteil werde der Ruf nach einem europäischen Leistungsschutzrecht wohl lauter werden.
OLG Celle zu BlitzerApps: Auch der Tsp (Jost Müller Neuhof) berichtet nun über das Urteil des Oberlandesgerichts Celle, nach dem ein Smartphone mit BlitzerApp ein technisches Gerät ist, das nach der Straßenverkehrsordnung verboten ist, weil es dazu bestimmt ist, Überwachungsmaßnahmen im Verkehr "anzuzeigen oder zu stören".
BGH zu Persönlichkeitsrecht Minderjähriger: Die Samstags-Welt (Kathrin Spoerr) beschreibt den Hintergrund für das Buch "Hexenjagd" von Ursula Sarrazin und das dazu gefällte Urteil des Bundesgerichtshofs zum Persönlichkeitsrecht Minderjähriger vom 15. September. Der Begriff, mit dem die Autorin ihre an einer Stelle namentlich genannte Schülerin herabgewürdigt haben soll – "Pseudohochbegabte" – entstamme einem Schriftsatz der Kindesmutter und komme in Sarrazins Buch, entgegen der Tatsachenfeststellung des BGH, nicht vor.
Recht in der Welt
GB – Euribor-Manipulation: Nachdem zunächst wegen der Libor-Manipulationen vorgegangen wurde hat die britische Behörde für schwere Wirtschaftsverbrechen (SFO) nun mehrere (ehemalige) Mitarbeiter der Deutschen Bank und Barclays wegen der Manipulation des Euribor angeklagt. Das berichtet das HBl (K. Slodczyk/L. de la Motte).
Sonstiges
Diskurs als Legitimation? Aus Anlass des Vortrags eines Beamten der Europäischen Zentralbank, setzt sich Rechtsprofessor Christoph Möllers auf verfassungsblog.de mit der Tendenz unabhängiger Institutionen auseinander, ihre Entscheidungsfindungsprozesse für die Öffentlichkeit als Vorgänge besonders vernünftigen Diskurses darzustellen. Die Qualität geheimer Beratungen ließe sich nicht unmittelbar kontrollieren und öffentliche Beratung eliminiere die Beratungsqualität. Durch die Betonung der Qualität der geheimen Beratung würden eher Zweifel geschürt als Vertrauen zu stärken.
Bauer/Harlan: Die Samstags-taz (Rudolf Walther) rezensiert die von Werner Renz annotierte "mustergültige Edition" der Briefe Fritz Brauers an Thomas Harlan. "Der Briefwechsel ist ein anrührendes Dokument von Freundschaft und Trostlosigkeit".
Abwerbefreiheit: Rechtsanwältin Anja Mengel beschreibt in Samstags-FAZ und FAS im Beruf und Chancen-Teil die grundsätzliche Freiheit Mitarbeiter abzuwerben und die bestehenden Grenzen. Mit konzentrierter Abwerbung die Wettbewerbsfähigkeit des Konkurrenten zu schwächen ist verboten, der Mitarbeiter muss Kündigungsfristen einhalten und darf nicht selbst Kollegen abwerben. Letzteres kann vertraglich über die Zeit der Anstellung hinaus erweitert werden.
Enterben: Die Montags-SZ (Berrit Gräber) schreibt darüber, dass es – außer in Ausnahmefällen von nicht unerheblicher Straffälligkeit oder Unterhaltspflichtverletzung – grundsätzlich nicht möglich ist, jemanden in Deutschland gänzlich zu enterben. Der Pflichtteil (die Hälfte des gesetzlichen Erbteils) bleibt und muss von den übrigen Erben in Geld ausbezahlt werden. Mit Schenkungen, Verschiebungen des Geldes ins Ausland oder dem "Versickern" von Barabhebungen vor dem Tod werde versucht dem deutschen Recht zu entkommen.
Das Letzte zum Schluss
Ermittlungseifer: Mit abgeklebtem Nummernschild und heruntergeklappter Sonnenblende fuhr ein junger Mann mit 55 km/h in der 30-Zone an einem Blitzer vorbei und zeigte zwei ausgestreckte Mittelfinger. Das war den Beamten einen Griff zur Lupe wert, mit der sie einen Schriftzug auf der Heckscheibe entdeckten, die zu einem Lieferservice und dem Fahrer führten, berichtet justillon.de (Stephan Weinberger).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/krü
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 14. - 16. November 2015: Kein Krieg / Kein Firmenwaffenschein / Kein Gratisblitzer . In: Legal Tribune Online, 16.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17548/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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