Der Springer-Konzern muss eine Rekordsumme an Jörg Kachelmann zahlen. Außerdem in der Presseschau: Bundestag diskutiert Asylrechtsverschärfung, neue Strafbarkeit von Spielwettmanipulationen und welche juristischen Folgen dem VW-Konzern drohen.
Thema des Tages
LG Köln zu Jörg Kachelmann/Bild: Wegen der Berichterstattung zum Kachelmann-Prozess aus dem Jahr 2011 müssen die Bild-Zeitung und Bild-Online eine Entschädigung in Höhe von 635.000 Euro an den ehemaligen Wettermoderator zahlen. Das Landgericht Köln sah seine Persönlichkeitsrechte in insgesamt 38 Fällen rechtswidriger Berichterstattung verletzt. Damit habe das Gericht eine neue Rekordsumme wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten zugesprochen, berichten ausführlich die FAZ (Reinhard Müller), lto.de (Constantin van Lijnden), die SZ (Bernd Dörries) und die taz (Claudia Hennen).
Rheinhard Müller (FAZ) begrüßt das Urteil, denn die mediale Vorverurteilung sei eine Strafe, die der Rechtsstaat nicht vorsieht. Christian Bommarius (BerlZ) sieht in der Niederlage der Bild-Zeitung einen Sieg für die Pressefreiheit. Giesela Friedrichsen (spiegel.de) lobt Kachelmanns "Unerbittlichkeit in seinem Kampf um die verlorene Ehre".
zeit.de (Felix Stephan) führt ein Interview mit dem Medienrechtsanwalt Johannes Eisenberg, der die Voraussetzungen des Schmerzensgeldanspruchs erklärt und bezweifelt, dass das Urteil in der höheren Instanz bestehen bleibt.
Rechtspolitik
Asylrecht: Am heutigen Donnerstag debattiert der Bundestag über die geplanten Asylrechtsänderungen. Die taz (Christian Rath/Daniel Bax) stellt die Eckpunkte des Entwurfs vor. Neben besserem Zugang zu Integrationskursen und Arbeitsmarkt für Asylbewerber mit guten Bleibeperspektiven, sollen Albanien, Kosovo und Montenegro zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt und Sozialleistungen für einige Flüchtlingsgruppen auf Sachleistungen beschränkt werden.
Die vorgesehen Lockerungen im Baurecht zur schnelleren Unterkunftserrichtung stellt Johannes Schulte ausführlich auf jurop.org zusammen.
Daneben will Innenminister Thomas de Mazierè (CDU) einen Gesetzentwurf vorlegen, der ein Schnellverfahren an Landesgrenzen schaffen soll, wie dies beim sogenannten Flughafenverfahren praktiziert wird, berichtet die FAZ (Eckart Lohse).
Sportwettbetrug: Die SZ (Robert Rossmann) stellt die geplanten Änderungen des Strafgesetzbuchs vor, welche die Strafbarkeit des Sportwettbetrugs einführen und damit Strafbarkeitslücken bei der Ahndung von Spielwettmanipulationen schließen soll. Vorgesehen ist die Einführung eines neuen § 265c Strafgesetzbuch (StGB) "Sportwettbetrug" und § 265d StGB "Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben".
Familienpsychologische Gutachten: Wegen massiver Kritik an familienpsychologischen Gutachten hat eine Arbeitsgruppe aus Juristen und Psychologen auf Initiative des Bundesjustizministeriums einen Katalog mit Mindestanforderungen erstellt, um die Qualität der Gutachten sicherzustellen, berichtet die SZ (Wolfgang Janisch). Dieser sieht Kriterien für die Auswahl der Gutachter und die Erstellung des Gutachtes vor. Zudem soll es einen Gesetzentwurf des Ministeriums zur Steigerung der Gutachterqualität geben.
Justiz
BVerfG – Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge: Eine Anwältin aus Freiburg hat wegen der umstrittenen medizinischen Altersfeststellung an unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen Verfassungsbeschwerde für ihren Mandanten erhoben, der sich einer Röntgenuntersuchung des Handwurzelknochens unterziehen musste. Die Anwältin sieht in der Behandlung eine Verletzung der Menschenwürde, meldet lto.de.
BSG zu Sozialversicherungsbeiträgen: Ehepartner mit Kindern müssten gegenüber kinderlosen Paaren sozialversicherungsrechtlich nicht entlastet werden, hat das Bundessozialgericht entschieden. Geklagt hatte ein katholischer Diakon, der drei Kinder hat und seine Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung um die Hälfte kürzen wollte, weil er der Ansicht ist, dass die Erziehung von Kindern der Zahlung von Beiträgen finanziell gleichkomme, erklären unter anderem die taz (Christian Rath) und die FAZ (Joachim Jahn). Das BSG gestand dem Gesetzgeber dagegen einen größeren Gestaltungsspielraum bei der Entlastung von Familien zu, die es in anderen familienpolitischen Maßnahmen ausgestaltet sieht. Parvin Sadigh (zeit.de) plädiert für eine Entlastung von Familien mit geringem Einkommen.
BVerwG zu Entzug des Doktorgrades: Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass der Entzug eines akademischen Grades nur bei Straftaten mit Wissenschaftsbezug erfolgen darf. Der wissenschaftliche Mitarbeiter Christoph Smets erläutert das Urteil auf lto.de. Die Universität hatte dem Kläger den Doktortitel aberkannt, nachdem eine Verurteilung wegen sexueller Nötigung im Bundeszentralregister nachgetragen wurde. Die Zulassung dürfe jedoch nur versagt oder der Titel entzogen werden, wenn die "strafrechtlichen Verfehlungen einen unmittelbaren Bezug zu der mit dem Doktorgrad verbundenen fachlich-wissenschaftlichen Qualifikation haben". Damit wären viele Promotionsordnungen, die eine pauschale Vorlage des Führungszeugnisses fordern, nicht mehr haltbar. Auch welt.de (Sven Eichstädt) berichtet.
OLG Köln zu Schwarzfahrer: Das Oberlandesgericht Köln hat einen Mann trotz sichtbar angebrachten Schildes "Ich fahre schwarz" wegen Beförderungserschleichung gemäß § 265 a des Strafgesetzbuches verurteilt, meldet lto.de. Dadurch dass der Passagier sich nicht sogleich einem Schaffner präsentiert, sondern zunächst Platz genommen habe, habe er sich mit dem Anschein der Ordnungsgemäßheit umgeben und dadurch die Leistung erschlichen.
OLG München – NSU: Im NSU-Prozess wurden am gestrigen Verhandlungstag zwei Beamte des Bundeskriminalamtes zur Zeugenvernehmung eines Taxi-Fahrers nach dem Auffliegen des NSU befragt. Aufgrund der Vernehmungsmethoden der Beamten kam es zu einem Wortgefecht zwischen Zschäpe-Verteidiger Stahl und dem Vorsitzenden Richter Götzl, meldet spiegel.de.
LG Köln zu Fußballfans: Wie spiegel.de meldet, hat das Landgericht Köln drei Anhänger des 1. FC Köln zu Haftstrafen zwischen sechs und acht Monaten auf Bewährung verurteilt, weil sie einen Bus mit Fans einer gegnerischen Mannschaft von der Autobahn auf einen Parkplatz abgedrängt und dort angriffen haben.
LG Augsburg – Bernd/Gabriele Schottdorf: Die taz (Dominik Baur) schildert das Strafverfahren gegen den Arzt Bernd Schottdorf und seine Ehefrau Gabriele wegen gemeinschaftlichen Betrugs. Sie sollen mithilfe eines Netzes aus scheinselbständigen Laborärzten Rabattvorschriften umgangen und die Krankenkassen um 13 Millionen Euro gebracht haben.
Recht in der Welt
Europäisches Gericht – Lacoste: Das Europäische Gericht hat die Klage einer polnischen Gesellschaft abgewiesen, die mit der Eintragung einer krokodilähnliche Marke wegen Widerspruchs von Lacoste vor dem Harmonisierungsamt für Binnenmarkt gescheitert war. Das Gericht hat nun die Verwechslungsgefahr mit Lacoste und damit die Nichteintragung bestätigt, meldet die FAZ (Joachim Jahn).
Spanien – Wahlen in Katalonien: verfassungsblog.de (Maximilian Steinbeis) führt ein englischsprachiges Interview mit dem spanischen Professor für Verfassungsrecht Benito Aláez Corral über die Folgen der Wahlen in Katalonien, bei denen die Separatisten die Mehrheit erlangten. Er erläutert Besonderheiten der spanischen Verfassung und benennt Voraussetzungen für einen Austritt Kataloniens.
Frankreich – Uber: Nachdem zahlreiche Länder Uber-Pop verboten haben, stehen die Manager der Taxi-Vermittlungsapp nun in Paris vor Gericht wegen "Komplizenschaft zur illegalen Ausübung eines Taxi-Gewerbes". Der Prozess sei allerdings auf Februar vertagt worden, berichtet die SZ (Leo Klimm). Infolge zahlreicher juristischer Auseinandersetzungen will Uber in Europa seine Strategie ändern und mit professionellen Fahrern zusammenarbeiten.
Sonstiges
VW-Abgas-Skandal: Die Rechtsanwälte Heiko Ahlbrecht und Eren Basar zeigen für lto.de auf, welche strafrechtlichen Folgen den Verantwortlichen in der VW-Affäre drohen. Das in den USA bereits bestehende Unternehmensstrafrecht werde auch für Deutschland gefordert, sei jedoch nicht notwendig, da die Ermittlungsbefugnisse der Staatsanwaltschaft ausreichten.
Die FAZ (Joachim Jahn) beschäftigt sich mit einer möglichen Haftung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn.
25 Jahre Deutsche Einheit: Am Samstag jährt sich die deutsche Wiedervereinigung 25. Mal. Aus diesem Anlass kritisiert Bundesverfassungsrichter Peter M. Huber in der FAZ die Entwicklung der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Verfassung der letzten 25 Jahre. Patrick Bahners (FAZ) setzt sich mit August Winklers Beitrag aus der Montags-Ausgabe der FAZ auseinander und hebt hervor, dass die Entwicklung der deutschen Demokratie den Föderalismus, die kommunale Selbstverwaltung und die Lehre vom Recht als Werteordnung vorzuweisen habe.
Fritz Bauer: Der Film "Der Staat gegen Fritz Bauer" über den früheren Generalstaatsanwalt Hessens Fritz Bauer, der die Auschwitz-Prozesse der 60er Jahre initiierte, kommt in die Kinos. Die SZ (Susan Vahabzadeh) und die Zeit (Adam Soboczynski) rezensieren den Film.
Das Letzte zum Schluss
Schöffin schläft ein: Plädoyers im Gerichtsalltag zeichnen sich selten durch Spannungskurven aus; man lässt sie häufig eher mehr oder weniger freiwillig über sich ergehen. Trotzdem dürfte der Anwalt beim Landgericht Bochum nicht schlecht gestaunt haben als die Schöffin während seines Plädoyers wegdöste und nach vorne einsackte. Zur Strafe durfte sie sich dennoch alles anhören, denn das Plädoyer musste wiederholt werden, nachdem sie vom Richter geweckt wurde. Das meldet spiegel.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 1. Oktober 2015: Rekordentschädigung für Kachelmann – Sportwettbetrug – Juristische Folgen im VW-Skandal . In: Legal Tribune Online, 01.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17058/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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