Nach einem Urteil des BAG müssen Arbeitgeber aufpassen, wann sie Detektive gegen ihre Mitarbeiter einsetzen. Außerdem in der Presseschau: Dieter Bohlen und Ernst August von Hannover verlieren vor EGMR, Niels H. sagt erstmals in Strafprozess aus und die Staatsanwaltschaft plädiert, Plädoyer auch im Verfahren um verkaufte Examensklausuren, der Edathy-Prozess beginnt in Kürze und ein Hausaffe als Alleinerbe.
Thema des Tages
BAG zu Mitarbeiterüberwachung: Die Überwachung von Angestellten durch den Arbeitgeber wegen des Verdachts der vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit ist rechtswidrig, wenn besagter Verdacht nicht auf konkreten Tatsachen beruht. Dies urteilte das Bundesarbeitsgericht am gestrigen Donnerstag und entschied zudem, dass diese Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine Geldentschädigung begründen kann. Im vorliegenden Fall wurde eine Arbeitnehmerin über vier Tage hinweg von einem durch den Arbeitgeber beauftragten Detektiv überwacht und aufgezeichnet. Der Arbeitgeber hatte Zweifel an ihrer Krankmeldung. Nun muss er wegen der rechtswidrigen Überwachung, da sein Verdacht eben nicht auf konkreten Tatsachen fußte, 1.000 Euro Schmerzensgeld an seine Mitarbeiterin bezahlen. Damit gestand das BAG erstmals einem Mitarbeiter Schmerzensgeld wegen Überwachungsmaßnahmen des Arbeitgebers zu. Dies berichten die taz (Christian Rath), die SZ (Detlef Esslinger), die Welt (Kathrin Gotthold) und das Handelsblatt (Volker Votsmeier). Ausführlich schreibt auch lto.de (Pia Lorenz) mit Hinweisen von Arbeitsrechtlern zu berechtigten Fällen der Überwachung und zur Bedeutung des Urteils.
Heribert Prantl (SZ) begrüßt die Entscheidung. "So sieht ein wirksamer Schutz der Privatsphäre und des Persönlichkeitsrechts aus." Er moniert allerdings, dass der Gesetzgeber "säumig" sei – der Datenschutz, insbesondere der Arbeitnehmerdatenschutz, müsse gesetzlich weiter ausgebaut werden. Praktiken, wie in vorliegendem Fall, hätten schon längst verboten werden müssen.
Rechtspolitik
DIMR: Das Deutsche Institut für Menschenrechte bedarf einer Rechtsgrundlage – die Pariser Prinzipien der Vereinten Nationen "schreiben vor, dass die nationalen Institute eine verfassungsmäßige oder eine gesetzliche Grundlage haben". Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) will in den nächsten Tagen einen entsprechenden Vorschlag vorbringen. Das Institut könnte im März seinen bisherigen Status und damit gegebenenfalls auch Mitwirkungsrechte in internationalen Gremien verlieren. Die FAZ (Eckart Lohse) schildert, weshalb es wohl bislang keine Einigung über eine entsprechende Rechtsgrundlage gegeben hat.
Justiz
EGMR zu Dieter und Ernst August: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wies am gestrigen Donnerstag Individualbeschwerden von Dieter Bohlen und Ernst August von Hannover wegen Werbung mit ihren Vornamen ab. Die Prominenten wollten die Verletzung ihres Rechts auf Schutz der Privatsphäre aus Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention geltend machen. Der Bundesgerichtshof hatte die Klagen wegen unautorisierter Werbung mit ihren Vornamen durch das Unternehmen Lucky Strike abgewiesen und Schadensersatzansprüche abgelehnt. Rechtsanwalt Markus Ruttig schildert für lto.de die Begründung des Gerichts und die etwaigen Auswirkungen des Urteils. Auch die SZ (Wolfgang Janisch) schreibt über das Urteil und führt anhand von Beispielen aus, dass Prominente keineswegs mit der "Ausbeutung ihres Namens zu Werbezwecken" zu rechnen haben. Ebenso berichtet der Tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof).
BGH zu rauchendem Mieter: Die SZ (Wolfgang Janisch) befasst sich anlässlich der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Kündigung des rauchenden Mieters, Friedhelm Adolfs, mit verschiedenen Streitigkeiten zwischen Nachbarn aufgrund des Rauchens. So müssten sich Gerichte immer häufiger mit Klagen von nicht rauchenden Nachbarn gegen rauchende Nachbarn befassen.
VGH Mannheim zu Ermittlungsdaten: Die Polizei muss die Gründe für die Speicherung von personenbezogenen Daten eines Verdächtigen dauerhaft dokumentieren, sonst kann dies zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme führen. Dies entschied der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim in einem am gestrigen Donnerstag veröffentlichten Urteil. Im vorliegenden Fall hatte das Landeskriminalamt Baden-Württemberg über mehrere Jahre hinweg persönliche Daten eines Atomkraftgegners gespeichert. Dies meldet die FAZ.
LG Oldenburg – Niels H.: Der ehemalige Krankenpfleger Niels H. ist vor dem Landgericht Oldenburg wegen dreifachen Mordes und zweifachen Mordversuchs angeklagt – am gestrigen Donnerstag sagte er das erste Mal im gegen ihn laufenden Strafprozess aus. Er gibt zu in den angeklagten und in vielen weiteren Fällen verantwortlich für den Tod von Patienten gewesen zu sein. In mehr als 200 Fällen werde derzeit weiter gegen H. ermittelt. Die Staatsanwaltschaft plädierte für lebenslange Haft und auf die besondere Schwere der Schuld. Die SZ (Annette Ramelsberger) und spiegel.de (Julia Jüttner) berichten. Auch zeit.de (Daniel Müller) befasst sich mit dem Fall H. und dessen Aussage.
LG Verden – Edathy: Am kommenden Montag wird vor dem Landgericht Verden der Strafprozess gegen Sebastian Edathy beginnen. Ihm wird unter anderem der Besitz kinderpornographischer Schriften vorgeworfen. Edathy betont, er habe keine Straftat begangen. Das berichtet die FR.
Juristische Ausbildung
Verkaufte Examensklausuren: Im Verfahren vor dem Landgericht Lüneburg gegen den niedersächsischen Richter Jörg L., welchem der Verkauf von Examensklausuren vorgeworfen wird, plädierte die Staatsanwaltschaft am gestrigen Donnerstag auf eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten. Er habe sich in sechs Fällen der Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall strafbar gemacht, des Betrugs, der Nötigung sowie der Verletzung des Dienstgeheimnisses in acht Fällen. Die Verteidigung hingegen fordert eine Höchstgrenze von elf Monaten für eine etwaige Freiheitsstrafe. Das Urteil wird am kommenden Donnerstag erwartet. Dies meldet die FAZ (Reinhard Bingener).
Sonstiges
Griechenland-Krise: Professor Thorsten Kingreen widmet sich für lto.de der Griechenland-Krise. Er legt unter anderem die verschiedenen Perspektiven auf die derzeitige Situation dar und weshalb einige europäische Reformvorgaben für Griechenland verfassungsrechtlich bedenklich sind. Er setzt sich zudem kritisch mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus auseinander und plädiert für die Stärkung der EU als Rechtsgemeinschaft.
"Schuld" von Schirach verfilmt: Das ZDF zeigt am heutigen Freitagabend die erste Folge der Krimiserie zu "Schuld", einem Bestseller des Strafverteidigers Ferdinand von Schirach. Die taz (Jens Mayer) gibt einen Einblick in Geschichten und Erzählweise von Schirach und hält fest, dass die ZDF-Serie zwar für das deutsche Fernsehen "eine bemerkenswert außergewöhnliche Produktion" darstelle, leider aber hinter den Möglichkeiten zurückbliebe. Die Welt (Elmar Krekeler) findet die Verfilmung von "Schuld" überdurchschnittlich und "großartig besetzt" und gibt ebenso eine Vorschau auf die Schicksale der Protagonisten.
Das Letzte zum Schluss
Hausaffe als Alleinerbe: Ein reiches Ehepaar in Indien adoptierte ihren Hausaffen Chunmun "wie einen Sohn". Weil die "Adoptiveltern" sicher gehen wollen, dass ihr Liebling auch nach ihrem Tod noch sein Leben wie bisher weiter führen kann, haben sie ihn als Alleinerben eingesetzt. Chunmun bewohnt ein eigenes klimatisiertes Zimmer mit seiner Affenfrau und ist rundum versorgt – sogar der "Hochzeitstag" des Affenpärchens werde gefeiert. Dies berichtet die Welt – und erklärt, wie geliebte Tiere auch im deutschen Recht "in den Genuss des Letzten Willens kommen" können.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 20. Februar 2015: BAG stärkt Arbeitnehmerrechte – Plädoyer zu verkauften Examensklausuren – ein Hausaffe als Alleinerbe . In: Legal Tribune Online, 20.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14753/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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