Thomas Fischer erklärt in seiner Kolumne, wie die Polizeiliche Kriminalstatistik zu lesen ist. Außerdem in der heutigen Presseschau: Arbeitsrichter kritisiert Tarifeinheitsgesetz, Datenschutz und predictive policing, Wege aus der Überlastung des BVerfG und mit welchen Auflagen ein Gericht Diebstahlprävention betreibt.
Thema des Tages
Fischer erklärt die PKS: Der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Thomas Fischer setzt sich auf zeit.de kritisch mit der Aussagekraft der Polizeilichen Kriminalstatistik auseinander. Er moniert, sie werde regelmäßig von Medien und Bürgern missverstanden und informiert aus diesem Anlass ausführlich darüber, wie die Statistik zu lesen ist. So erklärt er an Beispielen die Begriffe "Dunkelziffer" und "Aufklärungsquote" und insbesondere deren Abhängigkeit vom Vorgehen der Polizei bei der Strafverfolgung. Fischer betont, die PKS stelle eher "die Tätigkeit der Polizei", als die "Wirklichkeit der Kriminalität" dar.
Rechtspolitik
Tarifeinheitsgesetz: Die FAZ (Joachim Jahn) gibt die Kritik des Vorsitzenden des Bundes der Arbeitsrichter, Joachim Vetter, am Tarifeinheitsgesetz wieder. Einige der Regelungen seien "unpraktikabel" oder "untauglich" – unter anderem sei es "völlig illusorisch" zu erwarten, die Arbeitsgerichte könnten nach Inkrafttreten des Gesetzes Streiks im Eilverfahren verbieten. Das Tarifeinheitsgesetz sei ohnehin kaum verfassungsgemäß. Für Arbeitsrichter wäre es zudem nützlicher, wenn die Politik Regeln für Arbeitskämpfe erließe und sich nicht auf die Entwicklung von Richterrecht verließe.
Mautgesetz: Der österreichische Verkehrsminister Alois Stöger wandte sich in einem Brief an EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc. Er forderte sie auf, "so rasch wie möglich seitens der Kommission das Prüfungsverfahren im Hinblick auf die EU-Konformität dieser Maut zu veranlassen". Sollte die Kommission nicht entsprechend vorgehen, werde Österreich ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof anstrengen. Die geplante Regelung verstoße gegen das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot, so ein dem Brief beigelegtes Gutachten der Universität Innsbruck. Die FAZ (Christian Geinitz/Kerstin Schwenn) resümiert auch die Begründung Dobrindts für die Europarechtskonformität der Maut.
EU-Flüchtlingspolitik: Am heutigen Mittwoch präsentiert die EU-Kommission ihre Flüchtlingsagenda. Sie will unter anderem Quoten vorschlagen, die "bei besonderen Notlagen" eine gerechtere Verteilung gewährleisten sollen. Der taz (Eric Bonse/Christian Jakob) liegt der Entwurf der Kommission vor. Unter anderem sollen die Dublin-Regeln in Kraft bleiben, eine Evaluation sei 2016 geplant. Ebenso soll es die Möglichkeit einer legalen Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte geben.
Justiz
OLG München zu GEMA versus YouTube: Das Oberlandesgericht München erklärte frühere GEMA-Sperrtafeln für Musikvideos auf YouTube für unzulässig – diese seien wettbewerbswidrig. Das Gericht wies damit die Berufung von YouTube zurück. Die GEMA hatte moniert, die beanstandeten Hinweise seien irreführend für YouTube-Nutzer, sie vermittelten den Eindruck, die GEMA habe die Sperrung vorgenommen. Dies meldet spiegel.de.
AG Charlottenburg zu Mietspiegel: Das Amtsgericht Charlottenburg erklärte den Berliner Mietspiegel von 2013 in einem (noch nicht rechtskräftigen) Urteil von vergangenem Montag für unwissenschaftlich und somit für untauglich als qualifizierten Mietspiegel. Die Entscheidung zeige, dass die Erstellung der Mietspiegel Probleme bereite. Sie könnte zu einer Lockerung der Mietpreisbremse führen, da es an Mietspiegel und somit ortsüblicher Vergleichsmiete zur Orientierung fehle. Auch weitere Mietspiegel könnten gekippt werden. Dies berichtet die SZ (Wolfgang Janisch). Die FAZ (Joachim Jahn/Michael Psotta) schildert jetzt auch die Entscheidung und entsprechende Reaktionen von Mieter- und Vermieterseite; ihnen gemein sei die verursachte Rechtsunsicherheit. Jan-Marco Luczak, Mietrechtspolitiker der Unionsfraktion im Bundestag, äußert gegenüber der FAZ, es bedürfe bundeseinheitlicher Kriterien für die Erstellung von Mietspiegeln – gerade wegen der Relevanz für die Mietpreisbremse. Die schwierige Festlegung der ortsüblichen Vergleichsmiete dürfe nicht Mietern und Vermietern obliegen.
Der Fachanwalt für Mietrecht Alexander Brederek erläutert auf lto.de, wieso es "ziemlich überzogen" sei, zu vermuten, die gesamte Mietpreisbremse werde durch das Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg gefährdet. Er betont, es sei allerdings notwendig ein "grundlegendes Problem des Mietrechts" anzugehen – die Anknüpfung des Gesetzgebers an den Mietspiegel (beispielsweise bei der Mietpreisbremse).
BVerfG – Überlastung: Anlässlich des "Hilferufs an die Politik" des Bundesverfassungsgerichts bespricht der Professor für Öffentliches Recht Klaus F. Gärditz in der FAZ Ursachen und Lösungen für die Überlastung des Gerichts. Das BVerfG habe bereits, mangels politischer Hilfe, Wege gefunden, die Überbelastung selbst einzudämmen, indem beispielsweise höhere Begründungsanforderungen an Richtervorlagen gestellt würden. Letztlich könnte auch das "Unwichtigerwerden" des Gerichts eine Entlastung bedingen – unter anderem könnten Grundrechtsfragen vermehrt durch Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof landen.
OLG München – NSU: Am gestrigen Verhandlungstag des NSU-Prozesses sagte der ehemalige Freund von Uwe Mundlos, Aleksander H., aus. Er berichtet unter anderem von Mundlos' Idee "einer Heimat, die von 'Fremden' zu säubern sei". Auch habe H. Zschäpe als eine Frau kennen gelernt, die sich "der Brisanz der Dinge bewusst" gewesen sei. spiegel.de (Gisela Friedrichsen) stellt auch kurz die Daten zu den mutmaßlich vom NSU begangenen Raubüberfällen dar.
LG Lüneburg – Auschwitz-Prozess: Die SZ (Peter Burghardt) schildert den gestrigen Verhandlungstag im Verfahren gegen Oskar Gröning vor dem Landgericht Lüneburg. Vier Überlebende berichteten von ihren Erfahrungen in Auschwitz. Manche richten ihr Wort auch direkt an den Angeklagten – teils mit Vorwürfen, teils mit Mitleid. Der Beitrag informiert auch über das Auftreten Grönings im Verfahren.
StA Braunschweig – Stahlkonzern Salzgitter: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen zwei ehemalige Mitarbeiter einer Tochtergesellschaft des Stahlkonzerns Salzgitter eingeleitet. Sie stehen unter dem Verdacht der Bestechung. Das Verfahren hinge allerdings nicht unmittelbar mit den bereits seit einem Jahr laufenden Ermittlungen wegen möglicher Steuerdelikte zusammen, schreibt die SZ (Kirsten Bialdiga).
Recht in der Welt
USA – Freiheitsstrafe für CIA-Whistleblower: Ein US-Bundesgericht verurteilte einen Ex-CIA-Mitarbeiter wegen Geheimnisverrats und Behinderung der Justiz zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren. Der Verurteilte hatte einem Journalisten der New York Times Informationen über eine misslungene CIA-Aktion zukommen lassen. Die Bundesrichterin hält die Entscheidung für eine "sehr klare Botschaft", so die SZ.
Sonstiges
Datenschutz und predictive policing: Der Justiziar Clemens Grünwald beschreibt auf datenschutz-notizen.de das Vorgehen beim "predictive policing", der statistischen Prognose von Straftaten durch spezielle Analyse-Software, und äußert datenschutzrechtliche Vorbehalte. Insbesondere sei die "wirksame Anonymisierung" personenbezogener Daten aus rechtlicher und technischer Sicht ein "heikles Unterfangen".
EU-Kommission prüft deutsche Gebührenordnungen: Nach Informationen der FAZ (Joachim Jahn/Manfred Schäfers) hat die EU-Kommission die Bundesregierung dazu aufgefordert bestimmte Regelungen, so auch Gebührenordnungen, für Steuerberater, Architekten und Tierärzte zu rechtfertigen. Scheitere eine Rechtfertigung, drohe ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. Die FAZ gibt Bedenken gegenüber befürchteter Neuregelungen der Freien Berufe und bisherige Reaktionen der Bundesregierung wieder. Auch andere Berufsgruppen, wie Anwälte und Ärzte, sähen die Selbstverwaltung der Freiberufler gefährdet.
Menschenwürdige Behandlung von Flüchtlingen: Die FAZ (Reinhard Müller) erläutert im Ressort Zeitgeschehen, wie sich das völkerrechtliche Refoulementverbot auf die Umsetzung von Abschiebung, Ausweisung und Auslieferung von Flüchtlingen auswirkt. Das Verbot, Menschen in einen Staat zurückzuführen, in dem Folter oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen drohen, werde in der internationalen Rechtsprechung und Gesetzgebung unterschiedlich ausgelegt.
Das Letzte zum Schluss
Einkaufen als Auflage: Ein 90-Jähriger stahl in einem Geschäft ein Teufelskralle-Präparat. Dies bereits zum zweiten Mal. Dem Amtsgericht Biedenkopf erklärte der Wiederholungstäter, er habe die Schachtel gar nicht stehlen wollen. Er dachte, es handele sich dabei um sein Portemonnaie. So tatterig schien der alte Mann dem Gericht zwar nicht, aber dies stand einer Einstellung nicht im Wege. Allerdings sollte er zwei Auflagen erfüllen. 100 Euro sollte er an eine Arthrose-Stiftung spenden – weitere 100 sollte er in dem bestohlenen Geschäft für Teufelskralle ausgegeben. Der Vorrat sollte für ein Jahr halten und als Prävention vor weiteren Teufelskralle-Beutezügen des 90-Jährigen dienen. Von dem Urteil aus dem Jahr 2010 schreibt justillon.de (Stephan Weinberger).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Freitag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 13. Mai 2015: Fischer erklärt die PKS – Arbeitsrichter zu Tarifeinheitsgesetz – Diebstahlprävention durch Auflage . In: Legal Tribune Online, 13.05.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15526/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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