Am Dienstag wird das BVerfG die Novelle des BKA-Gesetzes prüfen. Außerdem in der Presseschau: Verfassungsschutzreform beschlossen, Anzeige wegen NSA-Überwachung des Spiegel, Love-Parade-Ermittlungen und Hitzefrei am Arbeitsplatz.
Thema des Tages
BVerfG – BKA-Gesetz: Am Dienstag verhandelt das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden gegen die Novelle des BKA-Gesetzes aus dem Jahr 2008. Damals wurden zur Terrorabwehr weitreichende Überwachungsbefugnisse für das BKA eingeführt: Wohnraumüberwachung, Online-Durchsuchungen, Rasterfahndung und Telekommunikationsüberwachung. Die Montags-SZ (Wolfgang Janisch) sieht verfassungsrechtliche Bedenken insbesondere beim Einsatz von Bundestrojanern zur Online-Durchsuchung und der Weitergabe von Daten an andere Behörden. Hier könnten Vorgaben des BVerfG missachtet und der Schutz sensibler Daten unterlaufen worden sein. Bei der Schaffung des Reformgesetzes habe das Prinzip gegolten, "hart am Wind der Verfassungsmäßigkeit zu segeln – Grenzüberschreitungen nicht ausgeschlossen."
Rechtspolitik
EU/Griechenland: Reinhard Müller (FAZ) kommentiert den Ausgang des gestrigen Referendums in Griechenland. Die Europäische Union funktioniere als Rechtsgemeinschaft, wenn sie als solche von Staaten und Bürgern akzeptiert werde. Das Fehlen von Austrittsregelungen im Vertrag zur Währungsunion enthalte einen Appell: "Einigt euch! Die Pflicht zur Zusammenarbeit ist Grundlage der Union."
Verfassungsschutz: Am Freitag hat der Bundestag die Verfassungsschutzreform beschlossen, berichten unter anderem die Samstags-FAZ und spiegel.de. Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll in seiner Stellung gestärkt werden und die Zusammenarbeit der Landesverfassungsschutzämter koordinieren. Als V-Leute dürfen künftig keine Personen mehr tätig sein können, die zu einer Haftstrafe verurteilt worden sind; dagegen sollen sie "szenetypische Straftaten" folgenlos begehen können.
Ehe für alle: Wie der Spiegel meldet, will der Bundesrat über die Öffnung der Ehe für homosexuelle Partnerschaften erst im Herbst entscheiden. Bis dahin will die Berliner CDU einen Mitgliedsentscheid über die Frage durchführen und könnte zum Erfolg des Gesetzentwurfs zur "Ehe für alle" beitragen.
Hinterbliebenen-Entschädigung: Die Hinterbliebenen der Opfer des Germanwings-Absturzes streiten mit der Fluglinie um Schmerzensgeldzahlungen. Der Spiegel (Melanie Amann u.a.) vergleicht die unterschiedlichen Regelungen europäischer Staaten zu Schmerzensgeldansprüchen. In Deutschland könnten Angehörige meist nur die unmittelbaren Beerdigungskosten und Entschädigung für nachgewiesene Schockschäden verlangen. Die Koalition will deshalb bis zum Herbst einen Gesetzentwurf zur Schaffung eines eigenen Anspruchs von nahen Angehörigen Verstorbener vorlegen. Streitig sei noch, ob die Regelung eine Unter- oder Obergrenze für Entschädigungen enthalten soll. Zudem muss ein Verschulden des Verursachers nachgewiesen werden.
Tarifeinheitsgesetz: Nachdem das Tarifeinheitsgesetz vom Bundestag beschlossen worden ist, haben GDL und Deutsche Bahn die Tarifstreitigkeiten beigelegt und sich auf eine Lohnerhöhung und Arbeitszeitverkürzung geeinigt. Zudem haben sie beschlossen, das Tarifeinheitsgesetz nicht anzuwenden. Wie die FAS (Corinna Budras) erklärt, halten Juristen die Einigung für zulässig, da das Tarifeinheitsgesetz nur einen Ordnungsrahmen für die Koalitionsfreiheit vorgebe, auf den die Tarifparteien verzichten könnten.
Justiz
GBA –Spiegel: Der Spiegel (Redaktion, spiegel.de-Zusammenfassung) berichtet über eine mögliche Überwachung des Magazins durch US-Geheimdienste. Der mutmaßliche Spiegel-Informant und Mitarbeiter im Bundeskanzleramt Hans Josef Vorbeck soll 2011 versetzt worden sein, nachdem der CIA-Resident in Berlin dessen Vorgesetzten von der Weitergabe der Dokumente an den Spiegel in Kenntnis gesetzt hatte. Das Kanzleramt habe zu diesem Zeitpunkt von einer Bespitzelung ausgehen und das Parlamentarische Kontrollgremium und die Staatsanwaltschaft in Kenntnis setzten müssen. Am Freitag hat der Spiegel Anzeige wegen "geheimdienstlicher Agententätigkeit" erstattet. Auch die Montags-taz (Christian Rath, taz.de-Zusammenfassung) berichtet.
Die Montags-taz (Christian Rath) mutmaßt, ob nicht gar die Bundesregierung selbst die Bespitzelung in Auftrag gegeben haben könnte und deshalb so wenig Interesse an der Aufklärung zeige: "Vorstellen kann man sich inzwischen leider vieles."
GBA – Bundesverfassungsschutz: Der Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen hat drei Anzeigen wegen der Berichterstattung zu Geheimdiensttätigkeiten wegen Geheimnisverrats beim Generalbundesanwalt erstattet. Die Ermittlungen sollen sich nicht gegen Medien, sondern Behörden- und Bundestagsmitarbeiter richten, meldet zeit.de. netzpolitik.org (Markus Beckedahl) berichtet, dass zwei der Anzeigen ihre Berichterstattung zum Ausbau des Bundesverfassungsschutzes betreffen.
BVerfG – NPD: Der Grünenpolitiker und Jurist Johannes Luchdi äußert bei zeit.de Zweifel am Erfolg des NPD-Verbotsantrags vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Auflistung von demokratiefeindlichen Parolen und verurteilten Straftätern innerhalb der NPD werde die hohen Hürden eines Parteiverbots nicht schaffen. Wichtiger sei sowieso die Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols. Das demokratische Leben könne nur dort unterwandert werden, "wo der durch institutionellen Rassismus erblindete Staat wie im Falle des NSU den Terror gewähren lässt."
Bundespatentgericht zu Sparkasse/Santander: Das Bundespatentgericht hat am Freitag dem Antrag der spanischen Bank Santander zur Löschung des Sparkassen-Rot stattgegeben, berichten unter anderem die Samstags-SZ (Meike Schreiber) und die Samstags-FAZ (Joachim Jahn). Die Revision zum BGH ist zugelassen worden, wo bereits das Verfahren der Sparkasse gegen Santander auf Untersagung der Verwendung der Farbe rot anhängig ist. Der Urteilsverkündungstermin am 23. September lasse darauf schließen, dass der BGH den Fall dem Europäischen Gerichtshof vorlegen will.
LG Augsburg zur Anwaltsrobe: Jost Müller-Neuhof kommentiert in der Tagesspiegel-Rechtskolumne die Entscheidung des Landgerichts Augsburg zur Robenpflicht bei Anwälten. Die auf Gewohnheitsrecht gestützte Pflicht sei als "Maskerade im Namen des Volkes" aus der Zeit gefallen: "Niemand braucht sie. Die großen Gesten sind einer unaufgeregten Sachlichkeit gewichen, die auf Schauspiel verzichten kann."
LG Duisburg – Love Parade: Die Samstags-SZ (Bernd Dörries) stellt den aktuellen Ermittlungsstand rund um das Love-Parade-Unglück in Duisburg dar, bei dem 21 Menschen in der Massenpanik starben. Die Ermittlungen gegen zehn Angeschuldigte liefen bereits seit fünf Jahren; das Landgericht Duisburg habe die Klage jedoch aufgrund von Schwierigkeiten individuelle Verstöße nachzuweisen noch nicht zugelassen.
LG Potsdam – Kindesmisshandlung: Ein Vater steht wegen versuchten Mordes, Misshandlung von Schutzbefohlenen und gefährlicher Körperverletzung in Potsdam vor Gericht, weil er sein Kind über Monate hinweg mit Desinfektionsmitteln vergiftet haben soll. Die WAS (Jörg Semmler) bringt einen ausführlichen Prozessbericht; das Urteil soll kommenden Donnerstag verkündet werden.
AG Bielefeld - Middelhoff: Gegen den ehemaligen Arcandor-Manager Thomas Middelhoff ist vom Amtsgericht Bielefeld das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der bestellte Insolvenzverwalter Thomas Fuest hat umfangreiche Anfechtungen von bereits vorgenommenen Leistungen angekündigt. Die Samstags-Welt (Michael Gassmann) und die Samstags- FAZ (Joachim Jahn, faz.de-Zusammenfassung) berichten ausführlich. Gegen Middelhoff und einige Gläubiger wird in diesem Zusammenhang bereits ermittelt.
Joachim Jahn (Samstags-FAZ) hält einen einvernehmlichen Schuldenschnitt für die beste Lösung des Konflikts.
JVA Bützow – Sicherungsverwahrte: Der Spiegel (Beate Lakotta) erzählt in einem umfassenden Beitrag die Entlassungsgeschichte eines Sicherungsverwahrten aus der Justizvollzugsanstalt Bützow und schildert die mühselige Suche nach einer Aufnahmeeinrichtung und einem Beschäftigungsverhältnis.
Klaus Volk: Die WAS (Anne Kunz) interviewt Professor und Strafverteidiger Klaus Volk, der wiederkehrend namhafte Mandanten vertritt. Er spricht über den Mannesmann-Prozess, das Verfahren gegen die HSH-Nordbank-Manager und weitere aktuelle Prozesse wie den gegen Christopher von Oppenheim.
Manfred Döss: Der Spiegel (Frank Dohmen/Dietmar Hawranek, spiegel.de-Zusammenfassung) stellt die Arbeitsweise des Leiters der Porsche-Rechtsabteilung, Manfred Döss, dar. Er soll bei Streitigkeiten seiner früheren Arbeitgeber RWE und MG technologies Detektive auf Aktionäre und Manager angesetzt und eine Auswertung von Verbindungsdaten in Auftrag gegeben haben. Er sei auch bei Porsche erfolgreich gewesen mit der Abwehr von Schadensersatzforderungen in Milliardenhöhe gegen den Sportwagenhersteller.
Recht in der Welt
Recht in der Welt
Frankreich – Kinder aus Leihmutterschaft: Wie zeit.de meldet, erkennt der Kassationshof in Paris Kinder aus Leihmutterschaften als französische Staatsbürger an – vorausgesetzt eines der Elternteile kann die französische Staatsbürgerschaft vorweisen. Damit können nun Kinder einen französischen Pass erhalten, die von einer Leihmutter im Ausland geboren wurden. Die bisherige Behördenpraxis hat die rechtliche Anerkennung verweigert, weil Leihmutterschaft in Frankreich verboten ist.
IStGH – Israel/Palästinensergebiete: Rechtsprofessor Andreas Zimmermann erläutert in der Montags-SZ die Vorermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs zum Gaza-Krieg aus dem vergangenen Jahr. In den Vorermittlungen gehe es um die Frage, ob die palästinensischen Gebiete ein Staat sind und ob Westjordanland dazugehört. Außerdem wird der Siedlungsbau untersucht. Auch wenn das Verfahren politisch aufgeladen sei, sollte die Bundesregierung die Arbeit des IStGH seiner Ansicht nach unterstützen.
Sonstiges
Genfer-Konventionen-App: Um Soldaten und Guerilla-Kämpfern die Genfer Konventionen näher zu bringen, haben Völkerrechtler renommierter Universitäten eine Spiele-App namens "Fighter not Killer" entwickelt. Die Montags-SZ (Ronen Steinke) schaut sich die Multiple-Choice-Fragen des Spiels an. Die Szenarien des Spiels sollen wie die Genfer Konventionen ein "blankes moralisches Minimum" vermittelt in der Hoffnung damit zum Menschenrechtsschutz beizutragen. Beide scheitern aber angesichts moderner Kriegsführung, in der Soldaten und Zivilisten nicht mehr klar zu trennen sind.
Betriebsrat-Crasher: Der Spiegel (Nils Klawitter) beschreibt, wie Firmen die Mitbestimmung in ihren Unternehmen mithilfe von Kanzleien verhindern, die sich auf Arbeitgebervertretung und das "Union Busting" spezialisiert haben. Diese wenden Zermürbungsmethoden wie Abmahnwellen, Mobbing, Isolation im Betrieb und Anheuern von Detektiven an, um Betriebsratsmitglieder loszuwerden.
Gerechtigkeit und Privatrecht: Diana Wallis, Präsidentin des European Law Institute, fordert auf verfassungsblog.de eine stärkere Auseinandersetzung mit Gerechtigkeitsfragen im europäischen Privatrecht. Sie war als langjähriges Mitglied des Rechtsausschusses im Europaparlament mit Grundatzfragen und Gesetzgebungsprozessen auf dem Gebiet des Privatrechts befasst.
BND und Grundrechte: Björn Schiffbauer veröffentlicht auf juwiss.de den zweiten Teil seines Beitrags zur Grundrechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes. Er arbeitet heraus, dass der BND die schrankenlose Überwachung in der Praxis ausweitet und sich so der Grundrechtsbindung entzieht. Daneben stellt der Autor aktuelle Reformvorschläge zur Auslandsfernmeldeüberwachung vor.
Hitzefrei am Arbeitsplatz: Anlässlich aktueller Temperaturwerte stellt lto.de (Constantin van Lijnden) zusammen, welche Rechte Arbeitnehmer bei hohen Temperaturen haben.
Parkverbot: Rechtsanwalt Uwe Lenhart beantwortet in der FAS Rechtsfragen rund ums Parken. Themen sind unter anderem die Rechmäßigkeit von Abschleppmaßnahmen, Bußgeldbescheiden und Vertragsstrafen privater Parkplatzbetreiber.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 4. bis 6. Juli 2015: BVerfG und BKA-Gesetz – Überwachung des Spiegel? – Kriegsvölkerrechts-App . In: Legal Tribune Online, 06.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16096/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
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