Das BAG erlaubt Kopftuchverbote an evangelischen Einrichtungen. Die Glaubensfreiheit von Beschäftigten müsse zurückstehen. Außerdem in der heutigen Presseschau: der Deutsche Ethikrat will das strafrechtliche Inzestverbot lockern, das Schiedsgericht zum Toll Collect-Streit verhandelt schon seit acht Jahren, Anwälte führen in Unternehmen interne Ermittlungen durch - und warum ein inhaftierter Ex-Diktator an einem Videospiel mitverdienen will.
Thema des Tages
BAG zu Kopftuch in evangelischer Klinik: Eine muslimische Krankenschwester wollte an einem evangelischen Krankenhaus mit Kopftuch arbeiten. Die Klinik lehnte das wegen der konfessionellen Ausrichtung der Klinik ab und nahm die angebotene Arbeit nicht an. Die Mitarbeiterin forderte trotzdem ihren Lohn. Das Bundesarbeitsgericht unterstützte im Kern nun jedoch die Position der Klinik. Wer sich an einer evangelischen Einrichtung sichtbar zu einem anderen Glauben bekenne, verletze seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Es berichten die SZ (Wolfgang Janisch) und die taz (Christian Rath).
Detlef Esslinger (SZ) geht davon aus, dass das Urteil weniger von Ressentiments gegenüber Kopftüchern getragen ist, sondern von großer Rücksicht gegenüber den Interessen der Kirchen. Allerdings sei fraglich, wieviel Rückhalt die Kirchenartikel des Grundgesetzes in einer Gesellschaft aus immer weniger Kirchenmitgliedern noch haben. Christian Rath (taz) hält die einseitige Interessenabwägung zugunsten der Kirchen für nicht nachvollziehbar, schließlich würden kirchliche Sozialeinrichtungen ganz überwiegend vom Staat und der Sozialversicherung finanziert. Rechtsprofessor Hermann Reichold prognostiziert auf lto.de, dass das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gegebenenfalls das berechtigte Interesse des kirchlichen Klinikums an einer glaubwürdigen Dienstgemeinschaft mit einheitlichem Auftreten gegenüber Patienten und anderen Kunden anerkennen werden. Schon vor dem Urteil hatte Matthias Kaufmann (spiegel.de) kritisiert, dass Kirchen im Arbeitsrecht besondere Anforderungen an ihre Mitarbeiter stellen dürfen.
Die taz (Christian Rath) gibt in einem gesonderten Artikel einen Überblick über die bisherige deutsche Rechtsentwicklung zu Kopftüchern am Arbeitsplatz, bei Lehrerinnen und in der Privatwirtschaft.
Rechtspolitik
Inzest: Der Deutsche Ethikrat hat empfohlen, dass einvernehmlicher Sex zwischen erwachsenen Geschwistern nicht mehr strafbar sein soll. Die Entscheidung wird von 14 Mitgliedern des Ethikrates getragen, neun stimmten dagegen. Es berichten die SZ (Christina Berndt), die FAZ (Heike Schmoll), die taz (Heide Oestreich) und spiegel.de.
Wolfgang Janisch (SZ) begrüßt den Vorschlag: "Auch 4.000 Jahre Rechtsgeschichte entbinden den Staat nicht davon zu erklären, warum er Geschwisterliebe – die eben auch Liebe ist – mit Gefängnis ahnden will." Reinhard Müller (FAZ) ist gegen den Vorschlag: Im strafrechtlichen Inzestverbot komme "eine tiefe Überzeugung zum Ausdruck, die eben nicht irrational ist. Es geht nicht zuletzt um der Schutz von Kindern."
Selbstanzeige: Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Verschärfung der Regeln über die Selbstanzeige von Steuerdelikten beschlossen. Künftig soll schon ab 25.000 Euro Hinterziehungssumme ein Strafzuschlag von fünf Prozent fällig werden. Bei höheren Summen müssen gestaffelt 10, 15 oder 20 Prozent Zuschlag bezahlt werden. Die Angaben müssen künftig für zehn Jahre rückwirkend berichtigt werden. Verfolgungsverjährung soll allerdings - anders als angekündigt - weiterhin nach fünf Jahren eintreten. Es berichten die SZund die FAZ (Manfred Schäfers).
Manfred Schäfers (FAZ) warnt in einem separaten Kommentar, die Regierung könnte über das Ziel hinausschießen. "Wer reuige Steuersünder überfordert, riskiert, dass diese in der Illegalität verharren." Claus Hulverscheidt (SZ) plädiert dagegen für die völlige Abschaffung der Selbstanzeige: "Warum räumt der Staat einer einzelnen Schwindler-Gruppe überhaupt die Möglichkeit ein, sich per Selbstanzeige reinzuwaschen?"
"Foreign Fighters": Der UN-Sicherheitsrat hat in einer Resolution alle UN-Staaten verpflichtet, Bürger strafrechtlich zu belangen, die zu terroristischen Zwecken ins Ausland reisen oder etwa aus einem Terrorcamp ins Heimatland zurückkehren. Nach Darstellung von spiegel.de werde das deutsche Strafrecht den Anforderungen nur teilweise gerecht. Zwar stehe die Vorbereitung einer schweren, staatsgefährdenden Gewalttat unter Strafe - nicht aber die bloße Absicht, in ein Ausbildungslager zu reisen. Umgekehrt wird auch die UN-Resolution als zu weitgehend kritisiert.
Anti-Terror-Datei: Nun berichtet auch lto.de über die Anhörung des Bundestags zur Novellierung des Anti-Terror-Datei-Gesetzes.
Tarifeinheit: Ex-Innenminister Gerhart Baum (FDP) kritisiert in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt die geplante Regelung, wonach nur die Mehrheits-Gewerkschaft in einem Betrieb für Tarifverträge streiken darf. Ein Streikverbot für Minderheits-Gewerkschaften sei jedoch unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig. In Deutschland gebe es nur unterdurchschnittlich wenige Streiktage.
Bewährungshilfe: Ein Gesetzentwurf des Bundesrates sieht vor, dass Bewährungshelfer künftig der Polizei Informationen über ihre Klienten weitergeben dürfen, um schwere Straftaten zu verhindern. Bisher war die Weitergabe nur an das zuständige Gericht möglich, dass mehr Ermessen hatte als die Polizei. Bewährungshelfer Peter Asprion sieht auf lto.de das Vertrauensverhältnis zu den Klienten bedroht, wenn die Polizei auf Mitteilungen mit Ermittlungen reagiert.
Justiz
Toll Collect-Schiedsgericht: Seit acht Jahren klagt der Bund gegen den Betreiber des LKW-Mautsystems Toll Collect vor einem privaten Schiedsgericht. Der Bund verlangt acht Milliarden Euro, weil Toll Collect das Maut System 16 Monate zu spät bereit gestellt hat. Diesen Rechtstreit nimmt Heribert Prantl (SZ) im Wirtschafts-Leitartikel als "Exempel dafür, dass ein privates Schiedsgerichtsverfahren der staatlichen Justiz mitnichten überlegen ist." Der Toll Collect-Prozess zeige vielmehr, wie langsam und teuer ein Schiedsgericht arbeite.
BFH zu gesetzlichen Zinsen: Trotz des derzeit sehr niedrigen Zinsniveaus hat der Bundesfinanzhof keine Bedenken gegen die gesetzlichen Zinsen in Höhe von 6 Prozent pro Jahr, die auf überfällige Steuern zu zahlen sind. Dies gelte zumindest für die Jahre bis 2011. Allerdings vergleicht der BFH die gesetzlichen Zinsen nicht nur mit den Habenzinsen, die bei Banken zu erzielen sind, sondern auch mit den Dispozinsen, die Banken von ihren Kunden verlangen und die noch deutlich über den gesetzlichen Zinsen liegen. Es berichten die Welt (Kathrin Gotthold) und verfassungsblog.de (Maximilian Steinbeis).
BVerfG - Syndikusanwälte: Im April hatte das Bundessozialgericht entschieden, dass Syndikusanwälte als abhängig Beschäftigte der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen. Hiergegen erhob ein betroffener Anwalt jetzt Verfassungsbeschwerde, meldet lto.de.
BVerfG - Snowden: Am Freitag wollen Grüne und Linke eine Organklage vorstellen, mit der die Weigerung der Bundesregierung gerügt wird, eine Vernehmung von Edward Snowden in Deutschland vor dem NSA-Untersuchungsausschuss zu ermöglichen. Laut spiegel.de wird die Klage von Professorin Astrid Wallrabenstein vertreten.
OVG Niedersachsen - Abschiebungskosten: Am heutigen Donnerstag wird das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen entscheiden, ob eine Frau, die 2002 als 16-Jährige aus Deutschland nach Serbien abgeschoben wurde, heute 600 Euro für die damaligen Abschiebungskosten zahlen muss. Inzwischen lebt sie wieder in Deutschland, da sie einen Deutschen geheiratet hat. Die SZ (Roland Preuß) stellt den Fall vor.
OLG München - NSU/Tino Brandt: Im NSU-Prozess wurde Tino Brandt vernommen, der lange Jahre Rädelsführer des Thüringer Heimatschutzes und zugleich V-Mann des Verfassungsschutzes war. zeit.de (Tom Sundermann) beschreibt seine Rolle und die Vernehmung.
VG Oldenburg zum Strandzugang: Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat am vergangenen Dienstag eine Klage auf freien Zugang zum Strand in Hooksiel abgelehnt. Das Naturschutzrecht gebe kein Recht auf Zugang zu einem konkreten Strand. lto.de (Anne-Christine Herr) schildert den Streit und seine Hintergründe. Letztlich geht es um die Frage, ob ein Großteil der Nordseeküste für kostenpflichtige Strandbäder verwendet werden darf.
Recht in der Welt
Syrien - US-Angriffe gegen IS: Juniorprofessor Mehrdad Payandeh diskutiert auf verfassungsblog.de, ob die völkerrechtliche Rechtfertigung der US-Luftschläge gegen IS-Stellungen in Syrien tragbar ist. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob Nothilfe für den Irak Angriffe auf syrischem Gebiet rechtfertigen kann, wenn die syrische Regierung nicht fähig und willig ist, diese Gebiete zu kontrollieren. Bisher entspreche ein derartiger Standard noch nicht dem Völkerrecht. Die Reaktion auf den vorliegenden Angriff könnte jedoch als neue Staatenpraxis die Rechtslage beeinflussen.
Sonstiges
Interne Ermittlungen in Unternehmen: Bei Wirtschaftsstraftaten beauftragen Unternehmen oft Anwaltskanzleien, um den Sachverhalt intern aufzuklären, statt die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Während Betroffene gegenüber staatlichen Ermittlern ein Schweigerecht haben, sind sie gegenüber den Anwälten arbeitsrechtlich zur Auskunft verpflichtet. Auch wenn die Anwälte Vertraulichkeit zusichern, könnten sie nicht verhindern, dass die Gesprächsprotokolle später von der zuständigen Staatsanwaltschaft beschlagnahmt werden. Die Zeit (Johann Laux) beschreibt das Szenario und die rechtsstaatlichen Bedenken.
Das Letzte zum Schluss
Noriega und das Videospiel: Im Videospiel "Call of Duty" gibt es eine üble Figur, die dem ehemaligen Diktator Panamas, General Noriega, nachempfunden ist. Dieser sitzt schon seit 25 Jahren in Haft, unter anderem wegen Drogenhandel. Jetzt hat er aber die Macher des Computerspiels verklagt und verlangt Entschädigung und Gewinnbeteiligung. Die SZ (Peter Burghard) schildert den Streit.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 25. September 2014: BAG gegen evangelisches Kopftuch – Ethiker für legale Geschwisterliebe – Schiedsgericht als warnendes Exempel . In: Legal Tribune Online, 25.09.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13303/ (abgerufen am: 20.05.2024 )
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