Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen Mitarbeiter des Schweizer Geheimdienstes wegen Verdachts auf Spionage. Außerdem in der Presseschau: Kritik des Richterbund-Vorsitzenden und die Frage, ob der "Islamische Staat" betrogen werden kann.
Thema des Tages
GBA ermittelt gegen Schweizer Geheimdienst: Die Montags-SZ (Hans Leyendecker/Georg Mascolo) meldet, dass die Bundesanwaltschaft seit Anfang August gegen drei Mitarbeiter des Schweizer Nachrichtendienstes ermittelt, weil diese deutsche Steuerfahnder ausspioniert haben sollen. Die Karlsruher Behörde habe sich auf Nachfrage nicht geäußert, heißt es in dem Artikel. Die Einleitung von Ermittlungen gegen Mitarbeiter befreundeter westlicher Geheimdienste sei ein in Deutschland ungewöhnlicher Vorgang. Nach der Strafprozessordnung sei es möglich, auf eine Strafverfolgung zu verzichten, "wenn der Verfolgung überwiegende öffentliche Interessen" entgegenstehen. Aber das müsste die Regierung dem Generalbundesanwalt mitteilten. Berlin habe in dieses Verfahren nicht politisch eingegriffen.
Eine weitere Rolle in dem Gesamtsachverhalt spielt der Schweizer Privatermittler Daniel M., der seit drei Monaten in Mannheim in Untersuchungshaft sitzt und der inzwischen vor dem Oberlandesgericht Frankfurt angeklagt wurde. Ihm wird ebenfalls Spionage vorgeworfen. In einem separaten Bericht beschreiben die Autoren die bisher bekannten Hintergründe. Es wird erwähnt, dass bereits vor fünf Jahren in der Schweiz Haftbefehle wegen Wirtschaftsspionage gegen mehrere Mitarbeiter der Steuerfahndung Wuppertal erlassen wurden.
Rechtspolitik
Bayerisches Polizeigesetz: Christian Rath (Montags-taz) meint, dass das Bayerische Polizeigesetz nicht so radikal sei, wie angekündigt. Die CSU habe noch im April den Entwurf geändert, im beschlossenen Gesetz werde nun eine konkrete Gefahr und nicht mehr nur eine drohende Gefahr für eine Verhängung des Gefährdergewahrsams vorausgesetzt.
NetzDG: Wie die Samstags-FAZ (Hendrik Wieduwilt) berichtet, gibt es, obwohl es noch nicht in Kraft getreten ist, bereits Forderungen nach Änderungen am kürzlich verabschiedeten Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Der SPD-Digitalpolitiker Lars Klingbeil habe Zweifel daran geäußert, dass Facebooks interne Regelungen überhaupt mit deutschem Recht vereinbar seien. Thomas Jarzombek, der netzpolitische Sprecher der CDU, fordere "Auflagen für Anbieter, wie man es aus dem Rundfunk kennt".
Hendrik Wieduwilt (FAZ) erinnert in seinem Kommentar daran, dass vor der Verabschiedung des Gesetzes die Fachwelt gewarnt hatte, dass der Druck auch zum Löschen legaler Inhalte führe. Die gerufenen Geister werde man jetzt nicht wieder los.
Kritik an Politik vom Richterbundvorsitzenden: Im Interview mit dem Spiegel (Cordula Meyer/Dietmar Hipp) beklagt Jens Gnisa, der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, nicht nur den baulichen Zustand mancher Gerichtsgebäude, sondern auch die mangelnde Unterstützung der Justiz seitens der Politik. Insbesondere sieht er ein Vollzugsdefizit, sowohl im Straf- als auch im Ausländerrecht.
Organisierte Kriminalität: Die europäische Strafverfolgungsbehörde Europol fordert laut einer Meldung der Samstags-FAZ (David Klaubert) einheitliche Gesetze im Kampf gegen italienische Mafiaorganisationen. Als Beispiel werden die in den Mitgliedstaaten unterschiedlichen Regelungen zur Beschlagnahmung von Vermögen genannt.
Banker-Boni: Die Rechtsanwälte Alexander Insam und Lars Hinrichs stellen auf lto.de die neue Institutsvergütungsverordnung (IVV) 3.0 vor, die am 4. August 2017 in Kraft getreten ist und mit der der deutsche Gesetzgeber die regulatorischen Vorgaben an die Vergütungssysteme von Finanzinstituten weiterentwickelt hat. Der ursprünglich teilweise befürchtete große neue Wurf mit Vorgaben für die variable Vergütung von Risikoträgern sei allerdings ausgeblieben. Ob hierzu aus gesetzgeberischer Sicht das letzte Wort gesprochen wurde, sei aber vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Entwicklungen – etwa des Brexits mit der zu erwartenden Aufwertung des Bankenplatzes Deutschland in der EU – abzuwarten.
Sammelklagen: Auch der Spiegel (Melanie Amann) meldet jetzt, dass sich der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer für die Ermöglichung von Sammelklagen für Verbraucher ausgesprochen hat. In dem Artikel wird jedoch auch darauf hingewiesen, dass ein entsprechender Gesetzentwurf bisher am Widerstand von Bundesministern der Union gescheitert sei.
Kirchenasyl: Die Montags-SZ (Dietrich Mittler) berichtet, dass Ministerpräsident Horst Seehofer den Kirchen in Bayern Unterstützung beim Kirchenasyl zugesichert habe. In Bayern hatten zuletzt mehrere Staatsanwaltschaften wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt Ermittlungen gegen Pfarrer aufgenommen, die Flüchtlingen Schutz gewährten. Ausführlich erläutert die Montags-FAZ (Albert Schäffer) die Sach- und Rechtslage.
Heribert Prantl (Montags-SZ) befürchtet jedoch, dass die neue Direktive Seehofers nichts am scharfen Ruf und der scharfen Linie der bayerischen Flüchtlingspolitik ändern werde.
Justiz
AG Düsseldorf zum Mietvertrag mit der AfD: In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren hat das Amtsgericht Düsseldorf dem Antrag des örtlichen AfD-Kreisverbandes stattgegeben, mit dem der Betreiber eines Veranstaltungssaales verpflichtet werden sollte, der Partei die Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Wie lto.de meldet, war der Betreiber des Saales kurzfristig vom entsprechenden Vertrag zurückgetreten und hatte das vor allem mit möglichen Konflikten durch Gegendemonstrationen, mit einer Fürsorgepflicht für Mitarbeiter und Besucher und einer Gefährdung des Rufs des Hauses begründet. Dieser Argumentation folgte das Gericht nicht, eine vertraglich relevante Bedrohung der Sicherheitslage bestehe derzeit nicht, heißt es in der Entscheidung.
LG Saarbrücken zum versuchten Betrug an IS: Wegen versuchten Betruges hat das Landgericht Saarbrücken einen 39-jährigen Syrer zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Das melden die Samstags-taz (Jörg Fischer) und die Samstags-SZ. Er habe versucht, von der Terrororganisation Islamischer Staat 180.000 Euro zu bekommen, um damit angeblich Anschläge durchzuführen. Wie die Samstags-FAZ (Constantin van Lijnden) berichtet, war nach Ansicht des Gerichtes der Angeklagte jedoch weder fähig noch willens, die angekündigten Anschläge durchzuführen. Die Verteidigung kündigte unmittelbar nach der Entscheidung Rechtsmittel an und auch für die Staatsanwaltschaft liege es "mehr als nahe", in Revision zu gehen.
Für Heribert Prantl (Montags-SZ) steht im Mittelpunkt die Frage, ob ein Vermögen, das verbrecherisch erworben wurde und verbrecherisch eingesetzt werden soll, tatsächlich vom Recht geschützt werden soll.
LG Traunstein zu syrischen Schleusern: Das Landgericht Traunstein hat drei Syrier wegen des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Laut spiegel.de sollen von ihnen zwischen Juli und November 2015 sechs Fahrten vom türkischen Izmir über das Mittelmeer nach Griechenland mit insgesamt rund 250 Menschen durchgeführt worden sein. Bei einer der Passagen im September 2015 stieß das völlig überladene und unbeleuchtete Schlauchboot kurz vor der Insel Lesbos nachts mit einem Frachter zusammen. 13 Menschen starben, zwei Kinder werden bis heute vermisst.
LG Stuttgart – Schlecker-Verfahren: Das Montags-Hbl (Martin Buchenau) berichtet über den Erkenntnisstand im Verfahren gegen den ehemaligen Besitzer der Drogeriekette Schlecker. Es liege der Verdacht nahe, dass im Hause Schlecker mancher Euro mehrfach gezählt wurde.
BVerfG – Verfassungsbeschwerde gegen Verurteilung wegen Terrorismus: Laut Spiegel (Martin Knobbe) haben die Verteidiger von Ali R., der sich dem sogenannten Islamischen Staat (IS) angeschlossen hatte, um seine drei minderjährigen Kinder zu befreien, Verfassungsbeschwerde gegen den Haftbefehl des Oberlandesgerichts München eingelegt. R. war 2014 nach Syrien gereist, um mit Unterstützung deutscher Behörden seine Kinder zu finden und nach Deutschland zu bringen. Das Oberlandesgericht München hatte ihn unter anderem wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Obwohl Revision eingelegt wurde und die Entscheidung damit noch nicht rechtskräftig ist, wurde wegen bestehender Fluchtgefahr die Fortdauer der Haft angeordnet.
BFH zur Gemeinnützigkeit einer Freimaurerloge: Die Montags-Welt (Michael Gassmann) widmet sich noch einmal der Entscheidung des Bundesfinanzhofs, mit der einer Freimaurerloge die Gemeinnützigkeit abgesprochen wurde, weil sie nur Männer aufnimmt. Zahlreiche Männergesangsvereine, Frauenchöre, Schützenbruderschaften und Burschenvereine befürchten, ihre Steuerbegünstigungen zu verlieren. Der neue nordrhein-westfälische Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) hat jetzt aber eine wohlwollende Prüfung angekündigt, ob und inwieweit das aktuelle BFH-Urteil auf andere Vereine mit Zugang für ausschließlich männliche oder weibliche Mitglieder übertragbar sei.
Recht in der Welt
Polen – Justizreform: In Polen ist ein Teil der beschlossenen Justizreformen in Kraft getreten. Das neue Gesetz sieht unter anderem vor, dass Justizminister Zbigniew Ziobro künftig Gerichtsvorsitzende ohne Grund entlassen und ohne Rücksprache mit Juristen durch neue Kandidaten austauschen kann, erläutern Montags-FAZ und zeit.de. Die weiteren beschlossenen Regelungen über den Einfluss der Regierung auf das Oberste Gericht und den Landesrichterrat konnten nicht in Kraft treten, weil der polnische Präsident sein Veto eingelegt hatte.
Hans-Peter Siebenhaar (Montags-Hbl) weist darauf hin, dass die Entwicklung ausländische Investoren, die Polen wegen seiner niedrigen Löhne, guten Ausbildung und Infrastruktur schätzten, beunruhige. Erst im vergangenen Jahr hätte sich Daimler für eine erste Fabrik in Schlesien entschieden. Noch genieße die polnische Wirtschaft ein Wachstum von fast vier Prozent. Doch dieser Konjunkturaufschwung könne nachhaltig nur funktionieren, wenn das EU-Land auch Rechtssicherheit mit einer politisch unabhängigen Justiz garantiere.
USA – Verfahren sexuelle Belästigung: Die FAS (Christiane Heil) berichtet von einem Verfahren, in dem sich der Radiomoderator David "Jackson" Mueller und die Sängerin Taylor Swift gegenüberstehen. Mueller soll Swift sexuell belästigt haben und wurde, nachdem diese sich beim Radiosender beschwert hatte, gekündigt. Zwei Jahre danach reichte er deswegen eine Schadensersatzklage gegen Swift ein. Die Sängerin erhob daraufhin Widerklage. Thematisiert wird in dem Artikel die Problematik sexueller Übergriffe im Showgeschäft insgesamt. Zahlreiche Prominente hatten in den vergangenen Wochen ebenfalls von derartigen Erfahrungen berichtet. Die Montags-FAZ meldet, dass der zuständige Richter Teile der Klage gegen Swift verworfen hat, weil Mueller nicht habe zeigen können, dass Swift an seiner Entlassung schuld gewesen sei.
USA – Prozess wegen Verstoßes gegen Iran-Embargo: Der Spiegel (Hauke Goos/Ralf Hoppe) berichtet ausführlich über die Hintergründe eines Prozesses, der demnächst in New York beginnt. Es geht um ein Geflecht aus internationaler Korruption und Geldwäsche und die Umgehung des Iran-Embargos.
Russland – Haftstrafen gegen Regierungskritiker: Wie die Samstags-SZ (Julian Hans) berichtet, hat am Donnerstag ein Moskauer Gericht vier Männer zu Haftstrafen bis zu vier Jahren verurteilt. Sie hatten Unterschriften für ein Referendum gesammelt, mit dem sie, so heißt es, ein Gesetz "für eine verantwortliche Regierung" auf den Weg bringen wollten. Das Gericht war der Ansicht, dass es sich bei der Gruppe um eine Tarnorganisation einer bereits seit 2010 verbotenen Gruppe handelt.
Venezuela – mögliche Anklage vor dem IStGH: Dem Präsidenten von Venezuela Nicolás Maduro droht nach einer Meldung des Spiegel (Jens Glüsing) eine Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten Luis Almagro habe den ehemaligen Chefankläger des IStGH Luis Moreno Ocampo, beauftragt, entsprechende Beweise zu sammeln, die dazu dienen sollen, Ermittlungen gegen Maduro wegen seines brutalen Vorgehens gegen Regimegegner einzuleiten.
Sonstiges
Terrorbekämpfung: Wie schwierig es ist, einen Menschen als "Gefährder" einzuschätzen, beschreibt die Montags-SZ (Georg Mascolo/Ronen Steinke). Auch Spezialbeamte könnten kaum sagen, ob von Menschen eine Terrorbedrohung ausgeht. Und da die Verantwortung groß sei, wollten nur wenige den Job machen.
Abgasskandal: Der Leiter der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik, Professor Felix Ekardt, erklärt auf lto.de, dass der Staat hinsichtlich der manipulierten Abgaswerte nicht nur reagieren könne, sondern vielmehr zum Handeln verpflichtet sei. Das Kraftfahrtbundesamt habe beispielsweise kein Ermessen, ob es bei der Überschreitung der entsprechenden Grenzwerte die Rücknahme oder den Widerruf der Typgenehmigung für betroffene Autotypen verfüge. Klageberechtigt seien hier die Umweltverbände.
Rechtssichere Nutzung von Messengerdiensten? Ob die heutigen Messengerdienste auch im geschäftlichen Verkehr datenschutzrechtskonform genutzt werden können, erläutern die Rechtsanwälte Tim Wybitul und Lukas Ströbel auf lto.de. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass eine Übermittlung aller auf den Diensthandys gespeicherten Geschäftskontakte an einen Messengerdienst mit dem geltenden Bundesdatenschutzgesetz oder der EU-Datenschutz-Grundverordnung nur schwer in Einklang zu bringen sei. Zwar ließe sich diese Nutzung durch Einwilligung sämtlicher betroffener Geschäftspartner und Mitarbeiter regeln. Eine solche Lösung sei jedoch logistisch für Unternehmen nur schwer durchführbar, zumal eine einmal erteilte Einwilligung jederzeit widerrufen werden könne.
Digitaler Nachlass: Tipps zur Regelung des digitalen Nachlasses gibt die Samstags-FAZ (Carsten Knop). Laut einer repräsentativen Umfrage des Branchenverbandes BitKom hätten sich 88 Prozent der 14- bis 29-Jährigen und 96 Prozent der Generation "65+", die im Internet aktiv sind, um ihren digitalen Nachlass überhaupt noch nicht gekümmert.
Rudolf von Gneist: Martin Rath erinnert im Feuilleton auf lto.de an den Vorkämpfer der freien Advocatur und Mitbegründer der Verwaltungsgerichtsbarkeit Rudolf (von) Gneist.
Das Letzte zum Schluss
Wir tanzen ein "A", wir tanzen ein "G", wir tanzen ein "B": In Bremen wurde in der vergangenen Woche ein ungewöhnliches Projekt präsentiert: Die AGB von Facebook wurden in einem Musical auf der Bühne vorgetragen – getanzt, gerappt, gesungen und rezitiert. lto.de und die Samstags-SZ (Marvin Strathmann) stellen das Projekt vor, das von der Datenschutzbeauftragten des Landes Bremen unterstützt wurde. Das Stück soll nach Plänen der Künstler auch in anderen Städten aufgeführt werden.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/pf
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 12. bis 14. August 2017: Ermittlungen gegen Schweizer Geheimdienst / Kritik von Jens Gnisa / Betrug zulasten des "IS" . In: Legal Tribune Online, 14.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23927/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
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