Die Entscheidung zum Atomausstieg ist für den Dienstag angekündigt. Außerdem in der Presseschau: Kritik am Entwurf eines neuen Datenschutzgesetzes und Vorberichte zum Urteil gegen den Fahrdienstleiter von Bad Aibling.
Thema des Tages
BVerfG – Atomausstieg: Am Dienstag wird das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung zum Atomausstieg verkünden. Die Montags-SZ (Wolfgang Janisch) fasst die rechtlichen Fragestellungen und Argumentationen zusammen und die FAS (Corinna Budras) beleuchtet die zugrunde liegenden Fakten. Sie geht dabei auch auf das laufende Verfahren vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten ein, in dem der schwedische Staat als Eigentümer des Energieunternehmens Vattenfall die Bundesrepublik auf Schadensersatz wegen des Atomausstiegs verklagt.
Rechtspolitik
Sozialhilfe für EU-Ausländer: Die Samstags-FAZ (Britta Beeger) meldet, dass der Bundestag am Donnerstag einen Gesetzentwurf beschlossen hat, demzufolge Bürger aus anderen EU-Ländern einen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen erst nach fünf Jahren erwerben. Damit soll verhindert werden, heißt es in der Meldung, dass EU-Ausländer nach Deutschland kommen, um unter dem Vorwand der Arbeitssuche Sozialleistungen zu beziehen.
Schutz von Polizisten: Die Samstags-SZ meldet, dass Bundesjustizminister Heiko Maas einen Gesetzentwurf für den besseren Schutz von Polizisten noch für dieses Jahr angekündigt hat. Darin soll eine Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten für Angriffe auf Polizeibeamte und Rettungskräfte vorgesehen sein.
Anzeigepflicht für Steuersparmodelle: Die Samstags-FAZ (Hendrik Wieduwilt) weist jetzt auch auf den Beschluss der Länderfinanzministerien hin, wonach künftig die an Sparkonstruktionen beteiligten Berufsträger anzeigen sollen, wenn sie ihren Mandanten ausgefeilte Steuersparmöglichkeiten eröffnen. Heftige Kritik an diesen Plänen kommt vom Deutschen Steuerberaterverband. Der Gesetzgeber dürfe nicht mit Hebesätzen Steuerwettbewerb zwischen den Gemeinden anheizen und dann das Ausnutzen dieses Wettbewerbs anzeigepflichtig machen, wird Harald Elster, der Präsident des Verbandes, zitiert.
Neues Datenschutzrecht: Netzpolitik.org (Ingo Dachwitz) hat sich mit dem früheren Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar über die gesetzlichen Anpassungen an die europäische Datenschutzgrundverordnung unterhalten. Für Schaar ist auch der überarbeitete Entwurf des Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetzes kritikwürdig. Das Vorhaben stärke nicht den Datenschutz, sondern beabsichtige in vielen Bereichen dessen weitere Absenkung. Dies gelte nicht allein für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Unternehmen, sondern auch für die staatliche Erfassung und Verwendung von Daten, so Schaar.
Justiz
BGH – Kündigung von Bausparverträgen: Anke Rezmer (Hbl) setzt sich mit einem beim BGH anhängigen Verfahren auseinander, in dem es um die Kündigung von Bausparverträgen geht. Dabei wird angesichts der Niedrigzinsphase, unter der die Banken leiden, die Frage gestellt, ob Verträge mit teilweise vier Prozent Zinsen durch die Banken gekündigt werden können. Die Entscheidung dazu wird voraussichtlich Anfang 2017 folgen. In weiterer Streitpunkt, der vom Verfahren jedoch nicht umfasst ist, betrifft die Kündigung von Verträgen, deren Darlehen noch nicht in Anspruch genommen wurden. Auch hier haben die Verbraucherzentralen Klage gegen die entsprechenden Praktiken verschiedener Banken eingereicht.
Landgericht Traunstein – Zugunglück Bad Aibling. Im Verfahren gegen den Fahrdienstleiter, dem vorgeworfen wird, das Zugunglück von Bad Aibling verursacht zu haben, wird für den heutigen Montag das Urteil erwartet. Darauf weist die Montags-SZ (Lisa Schnell) hin. Die Staatsanwaltschaft forderte eine Haftstrafe von vier Jahren, die Verteidigung plädierte auf eine Bewährungsstrafe beziehungsweise eine Haftstrafe von maximal zweieinhalb Jahren. In einem separaten Text lässt die Montags-SZ (Annette Ramelsberger/Lisa Schnell) noch einmal die mündliche Verhandlung Revue passieren.
KG zum Urhebervertragsrecht: Im Feuilleton der Samstags-SZ kommentiert Michael Stallknecht eine Entscheidung des Kammergerichtes, in der die Berliner Richter festgestellt haben, dass die GEMA nicht berechtigt ist, Musikverlage an den Tantiemen der Musiker pauschal zu beteiligen. Das Urteil, zu dem die Berufung nicht zugelassen wurde, habe den Urhebern einen Bärendienst erwiesen, so das Resümee.
FG Hannover zu Kinderfreibeträgen: Das Niedersächsische Finanzgericht hält die derzeitige Regelung zur Berechnung der Kinderfreibeträge für verfassungswidrig und hat deshalb eine entsprechende Vorlage an das Bundesverfassungsgericht adressiert. Das berichten Samstags-taz und Samstags-SZ. Anders als im Sozialrecht sieht das Gesetz bei den steuerlichen Kinderfreibeträgen keine Altersstaffelung vor. Das führe zu der paradoxen Situation, dass das steuerliche Existenzminium eines 17-Jährigen unter dem Sozialhilfe-Regelsatz eines Sechsjährigen liege, heißt es in dem Beitrag.
OLG München – NSU-Verfahren: Gisela Friedrichsen beleuchtet in der Samstagsausgabe der Welt den bisherigen Verlauf und den aktuellen Stand des NSU-Verfahrens, dessen Ende jetzt absehbar sein dürfte.
Richterlicher Nebenverdienst: Die WamS (Jan Dams) betrachtet kritisch die Nebentätigkeit der obersten Finanzrichter. Die BFH-Richter verfügten über eine Macht, die sie für die Wirtschaft interessant machten und die sich Steuerberater, Unternehmen und Kanzleien auch gerne für Reden und Vorträge etwas kosten ließen. Im vergangenen Jahr betrug die durchschnittliche Vergütung aus anzeigepflichtigen Nebentätigkeiten der Richterinnen und Richter fast 30.000 Euro. Jürgen Marten von Transparency International sieht daher auch eine Gefährdung der richterlichen Unabhängigkeit als nicht ausgeschlossen.
Staatsanwaltschaft Berlin – Korruptionsermittung gegen Senatskanzleichef: Der Tsp (Jost Müller-Neuhoff) porträtiert den Berliner Oberstaatsanwalt Rüdiger Reiff, der als Kopf hinter den Korruptionsermittlungen gegen Björn Böhning, Chef der Senatskanzlei, gilt.
LG Neubrandenburg – SS-Sanitäter Zafke: In dem Verfahren gegen den ehemaligen SS-Sanitäter Hubert Zafke wurden die Befangenheitsanträge der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger gegen den Vorsitzenden Richter Klaus Kabisch abgelehnt. Wie Spiegel-Online und die Montags-taz (Klaus Hillenbrand) berichten, wurde Kabisch vorgeworfen, mit einer parteiischen Prozessführung die Einstellung des Verfahrens voranzutreiben. Zafke, der im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz als SS-Sanitäter eingesetzt gewesen war, wird Beihilfe zum Mord in mindestens 3.581 Fällen vorgeworfen.
Recht in der Welt
USA – Fall Söring: Die Samstags-SZ (Karin Steinberger) berichtet vom mittlerweile zwölften sogenannten "parole hearing" im Verfahren gegen den Deutschen Jens Söring, der seit über 30 Jahren wegen Mordes an den Eltern seiner damaligen Freundin in einem amerikanischen Gefängnis sitzt. Jetzt wurden neue Beweise vorgelegt – so wurden am Tatort Spuren von zwei unbekannten Männern gefunden. Bis zur Entscheidung über eine eventuelle Freilassung können jedoch noch Monate vergehen.
Polen – Verfassungsgerichtsbarkeit: Auf verfassungsblog.de berichtet Maximilian Steinbeis, dass in den nächsten Wochen in Polen möglicherweise ein zweites Verfassungsgericht mit einem eigenem Präsidenten und einer vom bestehenden Gericht abweichender Rechtsprechung entsteht. Grund dafür ist das bevorstehende Amtsende des derzeitigen Präsidenten des Verfassungsgerichtes am 19. Dezember und der um seine Nachfolge geführte Machtkampf. Allerdings weist Steinbeis darauf hin, dass er sich nur auf eine Quelle stützt.
Sonstiges
Sachverständige für Verbraucherfragen: Der Spiegel (Melanie Amann/Alexander Neubacher) beleuchtet kritisch die Arbeit des von Bundesjustiz- und -verbraucherminister Heiko Maas eingerichteten Sachverständigenrats für Verbraucherfragen. Allzu viel sei bislang nicht herausgekommen, heißt es in dem Bericht. Ministeriale hielten die "Verbraucherweisen" inzwischen eher für Selbstdarsteller, die ihr Amt nutzten, um sich wichtig zu machen.
NS-Aufarbeitung: Im Interview mit dem Spiegel (Klaus Wiegrefe) erinnert der ehemalige Staatsanwalt Wolfgang Weber, der die Anklage im Verfahren gegen SS-Leute aus dem KZ- und Vernichtungslager in Lublin/ Majdanek in den siebziger Jahren vertrat, an die Schwierigkeiten bei der juristischen Aufarbeitung der NS-Verbrechen. Teile der Öffentlichkeit standen dem Verfahren damals kritisch gegenüber, außerdem musste jedem Beschuldigten eine konkrete Beteiligung an einer Mordtat nachgewiesen werden. In der jetzt rechtskräftig gewordenen Entscheidung im Fall Gröning hat der BGH dagegen die Verurteilung des Angeklagten bestätigt, weil Gröning auch ohne konkrete Beteiligung an den Tötungen "Teil personellen Apparates“ und der "Drohkulisse" gewesen sei.
Informationsfreiheitsrecht: Die Gesellschaft für Freiheitsrechte und die Open Knowledge Foundation unterstützen Klagen auf Auskunft nach den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder. Wie der Spiegel (Sven Becker) vermeldet, kann über die Plattform Transparenzklagen.de künftig die Übernahme sogenannter Transparenzpatenschaften beantragt werden, mit denen die gerichtliche Weiterverfolgung abgelehnter Auskunftsersuchen finanziell unterstützt werden. Auf taz.de (Ralf Pauli) wird das Projekt ausführlicher vorgestellt.
Beleidigungen und Strafrecht: Heribert Prantl (Samstags-SZ) kritisiert deutlich den justiziellen Umgang mit Beleidigungen im Internet. Anlass ist die Einstellung eines Verfahrens wegen Morddrohungen gegen den Grünen-Politiker Volker Beck. Wenn Strafanzeigen einfach vom Tisch gewischt oder die einschlägigen Ermittlungsverfahren gegen Zahlung einer überschaubaren Geldauflage eingestellt werden, wirke das wie eine amtliche Anstiftung, es noch weiter und weiter zu treiben, noch widerlicher und noch unverschämter, meint Prantl.
Sachverständige im Wandel der Zeit: Über die Schwierigkeiten von gerichtlich belastbaren Identitätsfeststellungen zu Anfang des vergangenen Jahrhunderts, also vor der Einführung moderner Wissenschaftsmethoden, schreibt lto.de (Martin Rath). Die größte Expertise hatten vor der Einführung von Bluttests und lange vor der Verwendung von DNA-Tests wohl die Porträtzeichner gehabt.
Leak beim NSA-Untersuchungsausschuss: Laut lto.de hat Bundestagspräsident Norbert Lammert die Ermächtigung für Ermittlungen wegen der Veröffentlichung von Dokumenten aus dem NSA-Untersuchungsausschuss erteilt. Wikileaks hatte nach eigenen Angaben 2.420 Dokumente aus verschiedenen Bundesbehörden, darunter Bundesnachrichtendienst, Bundesamt für Verfassungsschutz und Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik publiziert. Allerdings habe es sich wohl nicht um streng geheime Unterlagen gehandelt.
Kriegsopferrente für NS-Täter: Die Montags-taz (Klaus Hillenbrand) erinnert daran, dass seit 18 Jahren ein Gesetz existiert, das es ermöglicht, NS-Tätern die Kriegsopferrente zu entziehen. Allerdings wurde davon bisher nur in 99 Fällen Gebrauch gemacht. Das geht aus einem Bericht des Bundesarbeitsministeriums hervor.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/pf
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 3. bis 5. Dezember 2016: BVerfG entscheidet zum Atomausstieg / Kritik an neuen Datenschutzregelungen / Urteil zum Zugunglück Bad Aibling . In: Legal Tribune Online, 05.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21347/ (abgerufen am: 07.05.2024 )
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