Das BVerfG will sich wieder mit der Erbschaftsteuer befassen. Außerdem in der Presseschau: Post braucht Pensionen nicht zurückzahlen und US-Regierung hat keinen Zugriff auf in Irland gespeicherte E-Mail-Daten von Microsoft.
Thema des Tages
Erbschaftsteuer: Am 30. Juni 2016 ist die vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Frist zur Neugestaltung der Erbschaftsteuer ergebnislos abgelaufen. Der Vorsitzende des Ersten Senates, Ferdinand Kirchhof, hat jetzt angekündigt, dass sich das Gericht nach der Sommerpause Ende September mit dem weiteren Vorgehen im Normenkontrollverfahren um das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz befassen wird. Warum es bisher nicht zur Verabschiedung einer Neuregelung gekommen ist erläutert swr.de (Klaus Hempel). Die FAZ (Hendrik Wieduwilt/ Manfred Schäfers) berichtet, dass Kirchhof in seinem Schreiben an die Bundeskanzlerin, das gleichlautend auch an den Bundestag und den Bundesrat ging, allerdings unmissverständlich darauf hinweist, dass die Richter das Thema im Herbst nicht weiter behandeln würden, wenn bis dahin ein entsprechender Gesetzesbeschluss vorliegen würde.
Die SZ (Wolfgang Janisch) überlegt, welche Möglichkeiten dem Gericht jetzt offen stehen: Die Schaffung einer Übergangslösung, die Nichtigkeitserklärung des Gesetzes oder die Streichung der Ausnahmen und eine gleichzeitige Absenkung der Steuersätze. Nur eine Option besteht laut taz (Christian Rath) nicht: Die ersatzlose Streichung der Erbschaftsteuer. Maximilian Steinbeis untersucht auf verfassungsblog.de die Frage, ob die Karlsruher Richter ein einmal abgeschlossenes Verfahren aus eigener Initiative wiederaufnehmen können. Er meint aber, dass sich die Karlsruher Richter darum wohl nicht scheren werden, denn bereits bisher schon hätten sie gegenüber juristischen Bedenkenträgern nicht viel Geduld aufgebracht. Dem Gesetzgeber sei daher dringend angeraten, auf legislativem Weg die Karlsruher Selbstermächtigung abzuwenden. Auch Manfred Schäfers (FAZ) appelliert an den Gesetzgeber, die vom Gericht offen gelassene Möglichkeit zu nutzen.
Klaus Hempel wünscht sich auf tagesschau.de, dass das Verfassungsgericht ein Exempel statuiert und die verfassungswidrigen Vorschriften für nicht mehr anwendbar erklärt. Es sei allerdings wahrscheinlicher, dass die Richter lediglich eine Übergangsregelung verordnen. Heribert Prantl (SZ) bezeichnet die Ankündigung des Bundesverfassungsgerichtes als "Peitschenknallen" in Richtung Politik. Es werde aber das Politikmachen nicht übertreiben, auch wenn es interessant wäre, zu erfahren, ob der Peitschenknaller die Kunststücke, die er dem Pferd abverlangt, auch selber kann.
Rechtspolitik
Anti-Stalking-Gesetzentwurf: Laut bild.de hat die Justizministerin von Mecklenburg-Vorpommern Uta-Maria Kuder den Gesetzentwurf zum besseren Schutz von Stalking-Opfern begrüßt. Die Initiative Mecklenburg-Vorpommerns habe gewirkt, wird die Ministerin zitiert. Mecklenburg-Vorpommern hatte gemeinsam mit Hessen und Bayern vor knapp zwei Jahren eine entsprechende Bundesratsinitiative gestartet.
Europäische Staatsbürgerschaft: Mark Dawson und Daniel Augstein befassen sich auf verfassungsblog.de mit dem Verhältnis von europäischer und nationaler Staatsbürgerschaft. Sie stellen die Frage, ob es angesichts der Folgen des Brexits möglicherweise Zeit ist, eine europäische Staatsbürgerschaft von den nationalen Staatsbürgerschaften abzukoppeln. Nutznießer könnten beispielsweise die Schotten und Nordiren sein, die sich mehrheitlich gegen einen Austritt aus der EU ausgesprochen hatten.
Whistleblower: Rechtsanwalt André Zimmermann befasst sich im Handelsblatt-Rechtsboard mit der rechtlichen Situation von Whistleblowern in Deutschland. Sie sind hierzulande wenige geschützt, müssen vielmehr mit arbeitsrechtlichen oder strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Zumindest für die der Aufsicht der BAFIN unterstellten Unternehmen gibt es jetzt aber eine neue Meldeplattform, die der Autor vorstellt.
Justiz
OLG Düsseldorf zu Tengelmann/Edeka: Das OLG Düsseldorf hat die Ministererlaubnis zur Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka gestoppt. Mit der Entscheidung befasst sich in einem Gastbeitrag auf zeit.de Armin Steinbach vom Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern. Er wirft den Richtern ein mangelndes praktisches Verständnis und die Verkennung des Beurteilungsspielraums des Wirtschaftsministers vor. Vorbereitende Gespräche seien notwendig und bei komplexen Fusionen könnten dabei nicht jedes Mal alle Beteiligten teilnehmen.
Auch die SZ (Varinia Bernau/Michael Kläsgen) befasst sich noch einmal mit der Düsseldorfer Entscheidung und stellt dar, wie sie begründet wurde. Die FAZ (Kerstin Schwenn/Hendrik Wieduwilt) weist darauf hin, dass anlässlich des Urteils die grundsätzliche Debatte über eine Reform des Instruments der Ministererlaubnis Fahrt aufnimmt. So verlangten die Grünen beispielsweise eine Beteiligung des Parlaments.
EuG zu Pensionslasten der Post: Das Gericht der Europäischen Union hat entschieden, dass die Deutsche Post die rund 377 Millionen Euro für Pensionslasten ihrer Beamten behalten darf und sie nicht an die Bundesregierung zurückerstatten muss. Die Zahlungen für den Zeitraum ab 2003 waren 2012 von der EU-Kommission als unerlaubte Beihilfe eingestuft worden, weil – so die Kommission – der Deutschen Post ein Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten entstanden sei. Dagegen hatten sowohl die Bundesrepublik als auch die Post geklagt. Es berichtet lto.de (Pia Lorenz).
OLG München – NSU-Verfahren: Die Verteidiger des mutmaßlichen NSU-Helfers Ralf Wohlleben haben der Bundesanwaltschaft vorgeworfen, entlastende Aktenstücke bewusst zurückzuhalten und "selektiv" nur belastendes Material zum Prozess zu geben, berichtet spiegel.de. Einer der Anwälte von Beate Zschäpe hat sich danach den Vorwürfen angeschlossen. Die Verteidiger forderten die Bundesanwaltschaft vor dem Oberlandesgericht München auf, sämtliche vertraulichen Akten aus den derzeit noch laufenden Ermittlungen zu den NSU-Morden vorzulegen.
Annette Ramelsberger (SZ) befürchtet, dass der NSU-Prozess zur "unendlichen Geschichte" werde. Schon jetzt sei der Prozess gegen Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte einer der längsten Prozesse, die je in der Bundesrepublik stattgefunden haben.
OVG Berlin-Brandenburg zur Auskunftspflicht von Gerichten: Die Durchwahlnummern und E-Mail-Adressen von Richtern müssen auch nach dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz nicht herausgegeben werden. Das hat laut einem Bericht von lto.de das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entschieden und damit ein Urteil des Sozialgerichtes Berlin teilweise aufgehoben. Die Kontaktdaten der Richter seien dem Bereich der Wahrnehmung von Rechtsprechungsaufgaben zuzuordnen, in dem ein Anspruch auf Informationszugang nicht bestehe.
AG Hamburg – Beleidigung: zeit.de (Oliver Hollenstein) berichtet über einen Prozess vor dem Amtsgericht Hamburg, in dem einem 65-jährigen Mann vorgeworfen wird, die Hamburger Grünen-Abgeordnete Stefanie von Berg beleidigt zu haben. Die Politikerin hatte einen Shitstorm erfahren und daraufhin insgesamt mehr als zehn Strafanzeigen gestellt.
BVerfG zu Lebensversicherungen: Wie lto.de berichtet, hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden gegen zwei BGH-Urteile zum ewigen Widerrufsrecht bei Lebensversicherungen mit zwei jetzt bekannt gewordenen Beschlüssen nicht zur Entscheidung angenommen. Der Versicherer hatte sich gegen Urteile des BGH wehren wollen, die Kunden bei fehlerhaften Belehrungen ein ewiges Recht zum Widerruf bei Lebensversicherungen eingeräumt hatten.
LSG Stuttgart zum Sozialleistungsanspruch im Ausland: Ein deutscher Staatsangehöriger, der sich aus Angst vor einer Haftstrafe in Deutschland seit Jahren in der Ukraine aufhält, hat laut lto.de keinen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen im Ausland, bestätigte das LSG Stuttgart das Urteil der Vorinstanz.
BGH zum Widerruf von Maklerverträgen: Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) beleuchtet im Immobilienteil noch einmal die Entscheidung des BGH zur Möglichkeit per E-Mail geschlossene Maklerverträge zu widerrufen. Die Konsequenz dieser Entscheidung seien Formalitäten, Missverständnisse und geprellte Makler.
Recht in der Welt
USA – E-Mail-Daten: Laut spiegel.de hat ein Gericht in New York festgestellt, dass die US-Regierung kein Recht hat, auf Daten von Microsoft-Kunden auf ausländischen Servern zuzugreifen. Im Fall ging es um ein E-Mail-Account, dessen Daten auf einem Server in Irland gespeichert waren. Vor zwei Jahren hatte eine untere Instanz noch entschieden, dass Microsoft solche Daten herausgeben müsse. Es gehe danach, wo die Firma, die die Kontrolle über die entsprechenden Informationen habe, ihren Sitz habe, nicht danach, wie die Speicherung erfolgt, hieß es damals zur Begründung.
Letztes Verfahren vor dem ICTY: Michael Martens (FAZ) berichtet vom Verfahren gegen Ratko Mladić vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das frühere Jugoslawien (International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia – ICTY). Es ist das letzte Verfahren vor dem Ad-hoc-Strafgerichtshof. Bisher verurteilten das Jugoslawien-Tribunal sowie der bosnische Staatsgerichtshof in Sarajevo wegen des Massakers von Srebrenica 38 Täter zu insgesamt 637 Jahren Haft.
Österreich - Urteil gegen Hassprediger: Im österreichischen Graz ist eine 35-jähriger Mann, der über Youtube für die Terrormiliz Islamischer Staat geworben hat, zu einer 20-jährigen Haftstrafe wegen Anstiftung zu Mord und schwerer Nötigung verurteilt worden. Das berichtet die taz (Ralf Leonhard). Reinhard Müller (FAZ) sieht eine deutliche Diskrepanz hinsichtlich des Strafmaßes zu den entsprechenden Verurteilungen in Deutschland. Die österreichische Entscheidung möge jetzt die Sinne dafür schärfen, wie strafwürdig Aufstachelung zu Hass und Gewalt ist.
Sonstiges
Räumung: Die FAZ (Marlene Grunert) stellt anlässlich der – gerichtlich festgestellten – rechtswidrigen Räumung eines Hauses in Berlin-Friedrichshain die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Räumung dar. Sie weist darauf hin, dass auch Hausbesetzer den Schutz der verfassungsrechtlich garantierten Unverletzlichkeit der Wohnung genießen können, beispielsweise, wenn der Eigentümer die Anwesenheit über einen längeren Zeitraum duldet.
Das Letzte zum Schluss
Das Kreuz an der falschen Stelle: Das Neue Museum in Nürnberg hat Strafanzeige gegen eine 91-jährige Frau gestellt, die die an einem Kunstwerk in Form eines Kreuzworträtsels angebrachte Aufforderung "Insert words" wörtlich genommen und die noch offenen Kästchen des Rätsels ausgefüllt hatte. Wie spiegel.de berichtet, sei der angerichtete Schaden jedoch ohne großen Aufwand zu beseitigen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/pf
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 15. Juli 2016: Erbschaftsteuer zurück an BVerfG / EuG zu Pensionslasten der Post / Kein US-Zugriff auf Daten in Irland . In: Legal Tribune Online, 15.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20016/ (abgerufen am: 07.05.2024 )
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