Das AG Freiburg fand die Straßenblockaden eines Umweltaktivisten nicht verwerflich und sprach ihn vom Vorwurf der Nötigung frei. Das OLG Karlsruhe hob das Urteil nun auf und ließ durchblicken, wie es die Tat bewertet.
Ein Klimaaktivist nahm im Februar 2022 dreimal an Straßenblockaden des Aktionsbündnisses "Aufstand letzte Generation" in Freiburg teil. Die Staatsanwaltschaft klagte ihn deshalb wegen Nötigung an. Das Amtsgericht (AG) Freiburg sprach den Aktivisten frei. Zwar sei der Tatbestand durch die Sitzblockade erfüllt, das Handeln des Aktivisten sei aber nicht rechtswidrig gewesen.
Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil Sprungrevision ein. Das dafür zuständige Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hob den Freispruch nun auf (Urt. v. 20.02.2024, Az. 2 ORs 35 Ss 120/23). Die Begründung: Das Urteil des AG sei zu lückenhaft. Eine grundsätzliche Entscheidung könne auf dieser Grundlage nicht getroffen werden, so die Vorsitzende Richterin.
Eine Nötigung ist rechtswidrig im Sinne des § 240 Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB), wenn die Anwendung von Gewalt – im vorliegenden Fall die Sitzblockade – zu dem damit verfolgten Zweck als verwerflich anzusehen ist. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts sei Zweck der Blockade gewesen, Aufmerksamkeit für die Verschwendung von Lebensmitteln und dem zu hohen CO2-Ausstoß zu erregen und für ein Tempolimit auf Autobahnen einzustehen.
In Hinblick auf diesen Zweck, hielt das AG Freiburg die Nötigung nicht für rechtswidrig. Autofahrer:innen seien nach der damaligen Urteilsbegründung "maßgeblich für den CO2-Ausstoß verantwortlich und damit Teil der Klimaproblematik". Es sei deshalb nicht verwerflich, ihnen mit "dem drastischen Mittel der Blockade die Endlichkeit des CO2-Budgets und die künftigen, schwerwiegenderen sowie verfassungsrechtlich gebotenen Eingriff in die Fortbewegungsfreiheit aufzuzeigen".
OLG: Verneinung der Verwerflichkeit liegt eher fern
Das OLG Karlsruhe bestätigte nun, dass die Sitzblockade den Tatbestand der Nötigung verwirklichte. Die Bewertung des Amtsgerichts, die Taten seien nicht verwerflich, hielt es jedoch für fehlerhaft. Zum Einen habe das AG den Sachverhalt nicht hinreichend geklärt. Insbesondere hätten in den Feststellungen Angaben dazu gefehlt, wie lange die Straßenblockade gedauert hat, wie sehr sie den Verkehr beeinträchtigt hat und ob die Aktivisten sie vorher bekannt gegeben hatten. Außerdem wollte das OLG wissen, ob die Autos eine Möglichkeit hatten, der Straßenblockade auszuweichen.
Zum Anderen moniert das OLG, das AG sei dem verfassungsrechtlich vorgegebenen Prüfungsmaßstab nicht gerecht geworden. Bei der Frage, ob die Nötigung verwerflich war, habe es nicht ausreichend abgewogen, in welcher Beziehung, die Betroffenen zu dem Ziel der Blockade standen. Zu dem Thema Lebensmittelverschwendung hätten die blockierten Autofahrer:innen keinen direkten Bezug gehabt, sodass die Abwägung unter Einbeziehung dieses Zwecks fehlerhaft sei.
Weiter ließ das OLG durchblicken, dass es eher von einer Verwerflichkeit der Nötigungshandlungen des Aktivisten ausgeht. Bei einer unangekündigten Blockade über einen längeren Zeitraum, bei der es keine hinreichenden Ausweichmöglichkeiten gibt und die deshalb zu einer Zeitverzögerung der Autofahrenden führt, dürfte "die Verneinung der Verwerflichkeit eher fernliegen", schrieb das Gericht in einer am Dienstag veröffentlichten Pressemitteilung.
Das OLG Karlsruhe hat das Verfahren nun zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG Freiburg zurückverwiesen.
hes/LTO-Redaktion
Straßenblockade der "Letzten Generation": . In: Legal Tribune Online, 20.02.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53924 (abgerufen am: 30.10.2024 )
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