Ein Akquise-Schreiben der Kanzlei Buchalik Brömmekamp an Trigema-Chef Wolfgang Grupp hatte unerwartete Folgen: Ein wütender Adressat, großer Medienwirbel, Dementis sowie Distanzierungen. Und eine Essenseinladung bei Grupp.
Es beginnt eigentlich ganz harmlos: Buchalik Brömmekamp, eine Kanzlei, die sich auf Restrukturierungen und Sanierungen spezialisiert hat, will potenzielle Mandanten über die Planinsolvenz in Eigenverwaltung informieren. Sie versendet dazu ein Schreiben an mehrere Textilunternehmen. Doch bei einem der Adressaten, dem Trigema-Chef Wolfgang Grupp, kommt dies gar nicht gut an.
In dem vierseitigen Schreiben der Kanzlei, das LTO vorliegt, geht es um die schwierige Lage in der Textilwirtschaft, die viele Hersteller und Händler zur Neuausrichtung zwinge. Verwiesen wird auf das 2012 in Kraft getretene Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG), "ein bahnbrechendes und auf der Welt einmaliges Gesetz". Es biete Unternehmen, die sich frühzeitig unter den Schutz des Insolvenzrechts stellen, viele Sondervergünstigungen. Etwa, dass die Geschäftsführung im Amt bleibe und Löhne und Gehälter aus den Mitteln des Insolvenzgelds finanziert werden.
Weiter heißt es: "Verbesserungen der Eigenkapitalquote von mehr als 50 Prozent sind eher die Regel als die Ausnahme und eine Finanzierung des Verfahrens durch Insolvenzgeld, Nichtabführung von Umsatzsteuer, Lohnsteuer und sonstiger Steuern während des vorläufigen Verfahrens und die Nichtzahlung ungesicherter Altverbindlichkeiten zeigen Effekte, die in der Regel eine Mittelzuführung von außen überflüssig macht."
Es folgen der Hinweis darauf, dass Buchalik Brömmekamp derzeit den Damenmode-Hersteller BiBA bei einer entsprechenden Neuaufstellung berät, und die Aufforderung, sich an die Kanzlei zu wenden, wenn man glaube, dass das eigene Unternehmen insolvenzgefährdet sei.
An den Falschen geraten
Einer der Adressaten des Schreibens ist Wolfgang Grupp, Inhaber des Bekleidungsherstellers Trigema mit Sitz im schwäbischen Burladingen. Der streitbare Unternehmer kritisiert regelmäßig die Verantwortungslosigkeit angestellter Manager und setzt sich dafür ein, dass Manager persönlich für ihre Entscheidungen haften sollten.
Entsprechend empört reagiert Grupp auf den Akquise-Versuch. Er empfinde es "als Affront bzw. eine Beleidigung, mich in dieser Form anzuschreiben", schreibt er an die beiden Namenspartner der Kanzlei Robert Buchalik und Dr. Utz Brömmekamp. "Im Übrigen ist es schon sehr weit gekommen, dass Ihre Kanzlei mit der Insolvenz wirbt, dass man hier problemlos Steuergelder erhalten und sich indirekt über die Insolvenz bereichern kann."
Post an den Innenminister
Dem Trigema-Chef geht es nicht um die Frage, ob die Anwaltswerbung möglicherweise berufsrechtlich zu beanstanden sei. Es geht ihm um viel Grundsätzlicheres: Er sendet das Schreiben von Buchalik Brömmekamp an Thomas Strobl, den Innenminister des Landes Baden-Württemberg. In dem Begleitschreiben, das LTO ebenfalls vorliegt, schreibt Grupp: "Es kann doch nicht sein, dass diese Rechtsanwaltskanzlei Werbung für eine Eigeninsolvenz macht mit dem Hinweis, dass man die Löhne nicht mehr zahlen müsste, und dass man in dieser Eigeninsolvenz sich problemlos 50 % Eigenkapital anschaffen kann."
Grupp nutzt die Gelegenheit und kommt auf sein Lieblingsthema zu sprechen: "Wir brauchen endlich die Haftung der Entscheidungsträger zurück", fordert er. Dies müsse von der Politik gefördert werden, indem beispielsweise die Einkommensteuer erhöht würde und, wer die persönliche Haftung für seine Entscheidungen übernehme, einen Steuerrabatt von zum Beispiel 50 Prozent erhalte.
Entschuldigung der Kanzlei - und eine Essenseinladung
Die Namenspartner von Buchalik Brömmekamp antworten Trigema-Chef Grupp mit einem vierseitigen Brief. Sie entschuldigen sich darin zunächst dafür, den Eindruck erweckt zu haben, dass Trigema von der Pleite bedroht sei. Sie betonen, dass die Sanierung in Eigenverwaltung keineswegs dazu dienen soll, dass sich Unternehmen bereichern, sondern vielmehr dazu, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken.
Grupp antwortet erneut: Er freue sich "ganz besonders" über die ausführliche Antwort der beiden. "Gerne würde ich mit Ihnen ein Gespräch führen um Ihnen auch mal meinen Standpunkt zu erläutern", schreibt er. "Sie sind jederzeit bei uns zu einem Mittag- oder Abendessen eingeladen." Die Schreiben zwischen Grupp und der Kanzlei liegen LTO vor. Damit könnte die Geschichte eigentlich zu Ende sein. Doch in Wirklichkeit beginnt sie gerade erst.
2/2 Ende gut, alles gut? Keineswegs.
Der Schriftwechsel zwischen der Kanzlei und Grupp, der schon im Sommer stattfand, wurde Anfang Oktober von der Presse aufgegriffen. Zunächst berichtet das Wirtschaftsmagazin Bilanz, zahlreiche Zeitungen ziehen nach. In dem Artikel mit der Überschrift "Unsittliches Angebot für Trigema-Chef Grupp" fallen wenig schmeichelhafte Urteile über Buchalik Brömmekamp.
Sie gölten als Insolvenzverwalter "von jenem Schlag, um den man besser einen Bogen schlägt" gelten, heißt es da. Der renommierte Gravenbrucher Kreis, dem 30 namhafte Insolvenzverwalter angehören, wird - inoffiziell - damit zitiert, die Kanzlei gelte als "unseriöse Vereinigung, die niemals je in den Zirkel aufgenommen würde".
Der Grund für das schlechte Image seien die "juristischen Winkelzüge", mit denen die Kanzlei Unternehmern wie Grupp "per Insolvenz zum großen Reibach verhelfen könnte, ohne dass diese ihr Privatvermögen verlören", heißt es weiter.
Der umstrittene Insolvenz-Trick
Damit das gelingt, müsste Grupp sich von seinem Unternehmen eine möglichst große Summe auszahlen lassen und diese auf seine Frau und seine zwei Kinder übertragen. Die müssten das Geld dann zu hohen Zinsen an Grupp und sein Unternehmen verleihen und nach einer gewissen Frist die Rückzahlung des Kredits fordern. Dies wäre Grupp jedoch nicht möglich.
Daraufhin würde der Unternehmer die Insolvenz in Eigenverwaltung beantragen. Er könnte weiterhin die Geschäfte führen und könnte die Löhne der Mitarbeiter aus dem Insolvenzgeld bezahlen. Zudem könnte er die Umsatzsteuer einbehalten, die er den Kunden in Rechnung stelle. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens würde Grupp die Gläubiger "rasieren" und schließlich den dadurch erzielten buchhalterischen Sanierungsgewinn steuerfrei kassieren.
"Das ist ein sehr, sehr kaltes Kalkül mit der Wirkung des Insolvenzrechts und ein ausgefuchstes Steuermodell für Unternehmer, die es dem Fiskus noch einmal so richtig zeigen wollen", zitiert das Magazin Daniel Bergner, den Geschäftsführer des Verbands der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID).
Kanzlei "distanziert" sich von der Berichterstattung
Von diesem Insolvenz-Trick steht jedoch nichts in dem Akquise-Schreiben, das Buchalik Brömmekamp an die Textilunternehmer versandt hatte. Die Kanzlei reagiert nun ihrerseits empört: Der Trick sei nicht von der Kanzlei entwickelt und "dementsprechend Herrn Grupp nicht empfohlen" worden, schreibt Buchalik Brömmekamp in einer Stellungnahme zu dem Artikel.
Dieser Weg würde schon am Anfechtungsrecht scheitern, meint Robert Buchalik. "Denn Vermögensverschiebungen an Verwandte im Vorfeld einer Insolvenz können zu Recht zurückgefordert werden. Schlecker ist dafür das beste Beispiel." Er fügt hinzu: "Dass die Insolvenzexperten des VID den Vorschlag als umsetzbaren Weg sehen, ist für uns deshalb umso unverständlicher und befremdet doch sehr."
Weiter schreibt die Kanzlei, dass sie sich "gleichermaßen vom tendenziös negativen Inhalt des Artikels sowie der ebenso tendenziösen und durch keinerlei Fakten belegten Statements der Insolvenzverwaltervereinigungen VID und Gravenbrucher Kreis" distanziere. Eine Mitgliedschaft dort liege der Kanzlei ohnehin fern, weil man keine Insolvenzverwaltung betreibe.
Gravenbrucher Kreis: "Nicht mit Journalisten gesprochen"
VID-Geschäftsführer Bergner will sich auf LTO-Anfrage nicht äußern. Prof. Lucas Flöther, Sprecher des Gravenbrucher Kreises und derzeit Sachwalter der insolventen Air Berlin, dementiert, dass die Insolvenzverwalter-Vereinigung sich in dieser Sache geäußert habe – allerdings war in dem Bilanz-Artikel auch nur von einem inoffiziellen Statement die Rede.
"Ich habe nicht mit dem Journalisten gesprochen", teilt Flöther der Kanzlei mit und bestätigt dies auch gegenüber LTO. "Vor diesem Hintergrund hat der Gravenbrucher Kreis kein Statement oder Ähnliches abgegeben. Das angebliche 'Statement' des Kreises stammt daher nicht vom Gravenbrucher Kreis", so Flöther. Weiter will auch er die Angelegenheit nicht kommentieren.
Das Fazit? Der verunglückte Akquise-Versuch bei Trigema hatte am Ende vielleicht doch etwas Gutes für die Beteiligten: Wolfgang Grupp konnte seine Forderung nach einer persönlichen Managerhaftung noch einmal öffentlichkeitswirksam wiederholen. Der Kanzlei Buchalik Brömmekamp hat es immerhin eine hohe, wenn auch negative Medienpräsenz verschafft – und die Gelegenheit, Grupp persönlich zu treffen.
Anja Hall, Trigema und Buchalik Brömmekamp: Ein vermeintlich unmoralisches Angebot . In: Legal Tribune Online, 09.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24921/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
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