Wer dachte, dass 2015 auffallend viele Anwälte die Kanzlei gewechselt haben, der konnte sich 2016 die Augen reiben: Die Zahl der Lateral Hires erreichte ein neues Rekordniveau. Ein Überblick über die größten und überraschendsten Wechsel.
Ein Söldner-Heer in Bewegung, so übertitelte die Beratungsgesellschaft TGO Consulting eine Studie vom Oktober dieses Jahres zu den Wechseln auf Partnerebene in den hiesigen Wirtschaftskanzleien. In der Tat: 2016 haben noch mehr Anwälte als im bisherigen Rekordjahr 2015 ihre Kanzlei verlassen, um sich einer anderen Sozietät anzuschließen.
Vor allem im zweiten Halbjahr nahm das Personal-Karussell Fahrt auf. Die strauchelnde King & Wood Mallesons verlor mehrere Partner und ganze Teams an Wettbewerber. Auch Wilmer Hale musste mehrere Weggänge verkraften. Einige Kanzleien, darunter die ohnehin sehr expansive Dentons, eröffneten neue Standorte. Dabei verzichteten sie auf eine schrittweise Aufbauarbeit und warben gleich mehrere Anwälte auf einen Schlag an.
Dezember: Von King & Wood Mallesons zu Taylor Wessing
Taylor Wessing verstärkt ihre Finance-Praxis – und bedient sich dabei bei der Wettbewerberin King & Wood Mallesons. Zum Jahresende steigen Sabine Schomaker und Clemens Niedner als Equity-Partner ein. Sie werden begleitet von Ulf Gosejacob, der bei Taylor Wessing Salary Partner wird, sowie von Senior Associate Michael Beyer und Associate Jacqueline Urbing.
Für Taylor Wessing bedeuten die Zugänge eine deutliche Stärkung, insbesondere in der Beratung bei Unternehmens- und Akquisitionsfinanzierungen. Die Praxisgruppe Banking & Finance zählt künftig 17 Anwälte, elf davon arbeiten in Frankfurt.
Bild: Sabine Schomaker (© Taylor Wessing)
Dezember: Von Wilmer Hale zu Squire Patton Boggs
Squire Patton Boggs verstärkt ihre Praxisgruppen für IP und Litigation mit einem großen Team von Wilmer Hale. Reinhart Lange, Dr. Christofer Eggers und Eva Schalast sind zum 1. Dezember als Partner am Frankfurter Standort von Squire Patton Boggs eingestiegen. Die drei Anwälte werden von dem Markenmanagement-Team von Wilmer Hale begleitet; insgesamt wechselten somit zehn Berufsträger auf einen Schlag die Kanzlei
Lange berät im Gewerblichen Rechtsschutz, im Urheberrecht und bei Fragen des unlauteren Wettbewerbs. Er kam im Jahr 2008 zu Wilmer Hale und leitete zuletzt deren Frankfurter Büro. Eggers ist im Bereich Prozessführung und Streitbeilegung tätig und hier schwerpunktmäßig im Wettbewerbs- und Kartellrecht, im Gewerblichen Rechtsschutz und im Urheberrecht. Schalast war bisher Counsel im Bereich Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht bei Wilmer Hale und wird nun Partnerin von Squire Patton Boggs.
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November: Von King & Wood Mallesons zu Simmons & Simmons
Mitte November verließ ein IP-Team um Michael Knospe das Münchner Büro von King & Wood Mallesons. Neuer Arbeitgeber der insgesamt drei Anwälte ist Simmons & Simmons.
Knospe war zuvor Partner bei King & Wood Mallesons und steigt auch bei Simmons auf Partnerebene ein. Mit ihm wechselten die Counsel Caroline von Nussbaum und Massimo Bellitto-Grillo, der bei Simmons den Status des Supervising Associate innehat.
Knospe ist auf Gewerblichen Rechtsschutz und Wettbewerbsrecht in einer Reihe von Branchen, darunter IT, Telekommunikation und Konsumgüter, spezialisiert. Er gilt als erfahrener Prozessanwalt in marken- und wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen sowie im IT- und Patentrecht. Zudem verfügt er über mehr als 25 Jahre Erfahrung in schiedsgerichtlichen Auseinandersetzungen.
Bild: Michael Knospe (© Simmons & Simmons)
November: Von Freshfields zu Görg
Dr. Oliver von Rosenberg, langjähriger M&A-Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer, ist zum November in das Kölner Büro von Görg gewechselt. Ihn begleiteten die Associates Dr. Andrea Zimmermann, Dr. Andreas Groten und Ursula Lier.
Der 51-jährige Rosenberg ist ein bekannter M&A-Anwalt. Er hat in den letzten Jahren u.a. beim Verkauf der Merckle/Ratiopharm-Gruppe an Teva Pharmaceutical Industries für 3,6 Milliarden Euro beraten und begleitete den Investor CVC Capital Partners bei seiner Beteiligung an Evonik Industries. Das Kanzleimanagement von Görg bezeichnet den Zugang des Teams deshalb als einen "weiteren Meilenstein im Ausbau und in der Verstärkung der M&A-, aber auch der Corporate-Praxis".
Der Wechsel dürfte im Zusammenhang mit der Schließung des Kölner Freshfields-Büros stehen. Die Kanzlei hatte Ende 2015 bekanntgegeben, dass die Kölner Anwälte an den Düsseldorfer Standort umziehen und dort gemeinsam mit ihren Düsseldorfer Kollegen das neue "Rheinland"-Büro der Kanzlei bilden sollen.
Bild: Oliver von Rosenberg (© Görg)
Oktober: Von CMS und Bach Langheid zu Ince
Im Mai kam schon die Ankündigung, bis zur Eröffnung dauerte es aber noch ein wenig: Die auf Versicherungsrecht spezialisierte Kanzlei Ince & Co hat zum Oktober in Köln ihr zweites deutsches Büro eröffnet. Das Startteam besteht aus Eva-Maria Goergen und Stefan Segger als Partner sowie drei Anwältinnen.
Segger kam mit den beiden Associates Barbara Lorscheid und Marie Holzhauer von CMS Hasche Sigle. Er war dort Partner und hat die internationale Versicherungsgruppe von CMS geleitet. Er gilt als einer der führenden deutschen Anwälte im Versicherungsrecht. Goergen war zuvor Partnerin bei Bach Langheid & Dallmayr.
Für Ince & Co ist Köln der zweite deutsche Standort. Die Kanzlei ist seit 2001 in Hamburg präsent. Das Büro am Rhein soll sich auf die Versicherungs- und Rückversicherungsbranche (non-marine) fokussieren.
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August: Von Taylor Wessing zu Baker & McKenzie
Im Sommer hat Baker & McKenzie ihre deutsche Energiewirtschafts-Praxis mit zwei neuen Partnern samt Team ausgebaut. Dr. Thomas Dörmer (42) und Dr. Tim Heitling (40), zuletzt Partner bei Taylor Wessing, sind zum 1. August als Partner im Berliner Baker-Büro eingestiegen. Mit ihnen kommt ihr Team, u.a. bestehend aus Dr. Claire Dietz-Polte und Dr. Daniel Neudecker.
Dörmer und Heitling waren seit 2013 bei Taylor Wessing tätig. Dörmer berät bei M&A-Transaktionen und Joint Ventures für Industrieunternehmen, Banken und Finanzinvestoren. Einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit bildet dabei die Beratung von Transaktionen im Bereich regulierter Industrien, insbesondere im Energiesektor. Auch Heitling ist auf den Energie- und Infrastruktursektor spezialisiert. Ein Fokus seiner Tätigkeit liegt auf Transaktionen im regulierten Bereich einschließlich der Begleitung von Kraftwerks- und Erneuerbare Energien-Projekten sowie die Beratung zu regulatorischen Fragestellungen.
Bild: Dr. Thomas Dörmer (© Taylor Wessing)
August: Von Latham & Watkins zu Gibson Dunn
Im Sommer eröffnete Gibson Dunn & Crutcher ihr zweites Büro in Deutschland. Dazu holte sie die beiden angesehenen Corporate-Partner Dr. Dirk Oberbracht und Dr. Wilhelm Reinhardt von Latham & Watkins. Für Gibson Dunn, die hierzulande seit Jahren nur mit einem recht kleinen Büro in München vertreten war, bedeutet der Zugang einen echten Coup. Oberbracht und Reinhardt bilden den Kern von Gibson Dunns neuem Team in Frankfurt und sollen ihre Praxis in den Bereichen Mergers & Acquisitions und Gesellschaftsrecht fortführen.
Oberbracht gilt als einer der bedeutenden M&A- und Private-Equity-Anwälte in Deutschland. Er war zehn Jahre für Latham tätig, zuletzt leitete er das Frankfurter Büro der Kanzlei. Reinhardt arbeitete seit 2004 für Latham, zuletzt war er Co-Leiter der Praxisgruppe Industrial und Manufacturing.
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Juli: Von Norton Rose Fulbright zu Dentons
Dentons, eine der derzeit expansivsten Kanzleien, hat auch in Deutschland zugeschlagen. Im Juli eröffnete sie ein Büro in München, neben Berlin und Frankfurt der dritte Standort der Kanzlei hierzulande. Das Startteam besteht aus drei Partnern samt Teams von Wettbewerberin Norton Rose Fulbright.
Office Managing Partner von Dentons in München ist Dr. Alexander von Bergwelt, der bei Norton Rose Fulbright der Senior Partner für Deutschland war. Mit ihm wechselten die Partner Dr. Michael Malterer und Igsaan Varachia samt Teams.
Von Bergwelt ist für seine Beratung im Gesellschaftsrecht und M&A bekannt. Malterer ist ebenfalls im Gesellschaftsrecht tätig, sein Fokus liegt auf grenzüberschreitenden M&A-Transaktionen und Wertpapieren. Varachia, der dritte Gründungspartner des neuen Dentons-Büro, berät im Gesellschafts- und Steuerrecht.
Bild: Dr. Alexander von Bergwelt (© Dentons)
Mai: Von AGS Legal zu Herbert Smith Freehills
Ein neunköpfiges Team um Dr. Helmut Görling und Dr. Dirk Seiler ist zum Mai in das Frankfurter Büro von Herbert Smith Freehills gewechselt. Die Anwälte kamen von der Kanzlei AGS Legal, die vor allem für ihre Compliance-Beratung bekannt ist.
Diesen Bereich sollen die Anwälte auch für Herbert Smith Freehills aufbauen. Görling gehört zu den bekanntesten Anwälten für Compliance-Untersuchungen.
Herbert Smith Freehills ist seit dem Deutschlandstart im Jahr 2013 massiv gewachsen. 2016 verstärkte sich die Sozietät, die international für ihre Expertise im Bereich Dispute Resolution bekannt ist, u.a. mit der Schiedsrechtlerin Dr. Patricia Nacimiento (von Norton Rose Fulbright), dem Prozessanwalt Thomas Weimann (früher Clifford Chance) und dem ehemaligen Freshfields-Partner Dr. Christoph Nawroth.
Bild: Dr. Helmut Görling (© Herbert Smith Freehills)
April: Von Hengeler Mueller zu Kirkland & Ellis
Dass Hengeler-Partner zu einem Wettbewerber wechseln, hat Seltenheitswert. Im April allerdings war es wieder einmal so weit. Dr. Achim Herfs, langjähriger Partner bei Hengeler Mueller in München, wechselte mit zwei weiteren Anwälten zu Kirkland & Ellis.
Dr. Anna Schwander, Counsel, bei Hengeler, und Dr. Benjamin Leyendecker-Langner, zuletzt Senior Associate, sind – wie Herfs - als Partner bei Kirkland eingestiegen. Das Team hat seinen Beratungsschwerpunkt im Gesellschaftsrecht einschließlich Aktien- und Kapitalmarktrecht, zudem ist es in den Bereichen M&A, Private Equity und Compliance erfahren.
Herfs hatte seine Anwaltskarriere 1993 bei Hengeler begonnen, 1997 wurde er zum Partner ernannt. Seit 2006 war er im Münchner Büro der Kanzlei tätig und zählte damit zu den Gründungspartnern des Standorts an der Isar.
Schwander arbeitete seit 2004 bei Hengeler Mueller, und Leyendecker-Langner begann dort seine Anwaltskarriere im Jahr 2010.
Kirkland & Ellis will mit dem neuen Team ihre Corporate-Praxis fachlich auf eine breitere Basis stellen und vor allem die Beratung bei Kapitalmarkt- und Unternehmenstransaktionen ausbauen.
Bild: Dr. Achim Herfs (© Kirkland & Ellis)
April: Von Clifford Chance zu Mayer Brown
Mayer Brown hat sich im April mit einem dreiköpfigen Team von Clifford Chance verstärkt: Dr. André Schwanna, Dr. Benjamin Büttner und Dr. Alexander Täumer haben schon bei Clifford mehrere Jahre zusammengearbeitet. Sie beraten im Gesellschaftsrecht, bei M&A-Transaktionen und in Sanierungs- und krisennahen Situationen. Schwanna und Büttner stiegen bei Mayer Brown als Partner ein, Täumer wurde Counsel.
Die Kanzlei hatte kurz zuvor bereits zwei weitere erfahrene Anwälte gewonnen: Julian Lemor und Birgit Hübscher-Alt kamen als Partner von King & Wood Mallesons. Lemor soll bei Mayer Brown die Private-Equity-Praxis in Deutschland führen.
Nach diesen Zugängen kehrte bei Mayer Brown wieder Ruhe ein. Zuvor hatte es einige Fluktuation gegeben, unter anderem hatten langjährige Partner und Praxisgruppenleiter die Kanzlei verlassen.
Bild: Dr. André Schwanna (© Mayer Brown)
Anja Hall, 11 spektakuläre Kanzleiwechsel 2016: Bäumchen, wechsle Dich . In: Legal Tribune Online, 22.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21554/ (abgerufen am: 07.05.2024 )
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