Zwei Liveschaltungen vor und nach einem Fußballspiel in ein Brauerei-gesponsertes Männercamp, vier Männer in Pullis mit dem Bier-Logo, dazu frisch gezapftes Pils und die mehrfache Erwähnung der Biermarke – alles noch im gesetzliche Rahmen, so das BVerwG am Mittwoch. Weshalb für Leipzig nicht zu viel Bier im Spiel war und welche Freiräume Privatsender damit künftig haben, erläutert Gero Himmelsbach.
Produktplatzierungen sind im Fernsehen eigentlich verboten. Das heißt: Wenn sie nicht ausnahmsweise erlaubt sind. Private Rundfunksender dürfen in Unterhaltungs- und Sportsendungen entgeltlich Produkte zeigen, solange die Unabhängigkeit des Programms nicht gefährdet ist. Wann das genau der Fall ist, sagt der Rundfunkstaatsvertrag (RStV) nicht.
Sat.1 zeigte sich bei der Auslegung der Bestimmungen zur Produktplatzierung kreativ. Im Mai 2011 präsentierte der Sender vor und nach der Übertragung des Finales der "UEFA Europa League" seinen Kooperationspartner "Hasseröder": Er zeigte ein "Männercamp-Haus", das nach der Biermarke benannt war. Der Name des Biers war in den kurzen Liveschaltungen vielfach präsent – auch als Schriftzug an der Zimmerwand im Hintergrund. Zudem wurde die Marke in den Wortbeiträgen erwähnt.
Das gefiel der Landeszentrale für Medien und Kommunikation in Rheinland-Pfalz gar nicht, die Aufsichtsbehörde hatte die Liveberichte als unzulässiges Product Placement beanstandet. Dagegen wehrte sich der Sender. Während das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Koblenz die Klage des Senders abwies, weil die Biermarke entgegen des Verbots in § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 3 RStV "zu stark herausgestellt" worden sei, stieß Sat1 beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) auf mehr Verständnis (Urt. v. 23.07.2014, Az. 6 C 31.13).
BVerwG: Fußball und Geselligkeit gehören zusammen
Zu stark werde ein Produkt erst dann herausgestellt, wenn der Werbezweck die Sendung dominiere, der redaktionelle Geschehensablauf also in den Hintergrund rücke, so die Verwaltungsrichter. Außerdem komme es darauf an, inwieweit der aufgenommene Handlungsstrang hinreichend starke Bezüge zum redaktionellen Sendungskonzept aufweist und sich so im Ganzen betrachtet – trotz werblicher Motive – noch inhaltlich in die Sendung einpasse.
Nach Auffassung des BVerwG hatten die Interviews überwiegend das übertragene Fußballspiel zum Gegenstand. Das Bier sei im Rahmen der Kameraführung nicht künstlich in den Vordergrund gerückt worden. Und: "Das Zeigen einer geselligen Zusammenkunft von Menschen zur gemeinsamen Verfolgung eines Fußballspiels bildet in einer Fußballsendung keinen Fremdkörper, sondern fügt sich in diese konzeptionell ein." Außerdem würden die Zuschauer eines Fußballspiels sowieso mit sehr viel Werbung konfrontiert. Kurzum: Fußball und Geselligkeit gehören ebenso zusammen wie Fußball und Werbung.
Für Kinder sollten Fußball und Bier nicht zur "natürlichen Einheit" werden
Die Entscheidung des BVerwG ist bemerkenswert: Kern des Verfahrens war die "undue prominence", die zu starke Herausstellung eines Produkts in einer Sendung. Die Regelungen im RStV zur Produktplatzierung beruhen aber auf den europarechtlichen Vorgaben der EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL). Diese gibt vor, dass Sendungen, die Produktplatzierung enthalten, "das betreffende Produkt nicht zu stark herausstellen" dürfen.
Dieser Formulierung entspricht § 7 Abs. 7 S. 2 Nr. 3 RStV, mit dem der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie umgesetzt hat. Wann ein Produkt stark herausgestellt wird, bleibt dabei eine Rechtsfrage, die letztlich auf der Grundlage des europäischen Rechts zu beantworten ist. Die Auslegung des Unionsrechts ist aber dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorbehalten. Ein Vorabentscheidungsverfahren hätte deshalb nahe gelegen.
Interessant wäre außerdem die Frage gewesen, inwieweit § 7 Abs. 10 RStV anzuwenden ist. Danach darf Alkohol-Werbung den übermäßigen Genuss solcher Getränke nicht fördern. Offenbar sieht das BVerwG kein Problem darin, dass als Sponsor des "Männercamps" nicht nur eine Biermarke auftritt, sondern das Bier optisch und verbal in den Vordergrund gerückt wurde ("… dann hauen wir uns noch ein paar schöne Grillwürstchen rein und trinken noch ein par frisch gezapfte Hasseröder…").
Das ist vor allem auch bedenklich im Hinblick auf § 6 Abs. 5 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV). Denn Werbung für alkoholische Getränke darf sich "weder an Kinder oder Jugendliche richten, noch durch die Art der Darstellung Kinder und Jugendliche besonders ansprechen". Die erste Liveschaltung erfolgte aber schon um 20:18 Uhr, also zu einer Zeit, zu der auch 12- bis 16-Jährige noch vor dem Fernseher sitzen. Mag man dem BVerwG auch zustimmen, dass Fußball und Geselligkeit zusammengehören. Fußball und Bier sollten jedenfalls für Kinder nicht als "natürliche Einheit" dargestellt werden.
2/2: Kein Beurteilungsspielraum für bundesweite "Product Placement"-Kommission
Ein herber Rückschlag ist die Entscheidung für die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK), die als Organ der Landesmedienanstalten entscheidet, wenn es um Produktplatzierungen bei bundesweiten Sendern geht. Ganz offenbar räumt das BVerwG der ZAK keinen eigenen Beurteilungsspielraum ein, was für deren Tätigkeit durchaus bedeutsam ist: Die ZAK hat unter anderem darüber zu befinden, ob bei einer Produktplatzierung ein Produkt "zu stark herausgestellt" wird. Dafür bringen die Landesmediendirektoren, die in der Kommission vertreten sind, ihren Sachverstand in die ZAK ein.
Räumt man der ZAK insoweit einen eigenen Beurteilungsspielraum ein, wäre die Auffassung der ZAK auch für die Gerichte grundsätzlich bindend. Das BVerwG sieht sich an die Entscheidung der ZAK aber nicht gebunden. Sonst hätte es deren Einschätzung, wonach das Bier zu stark herausgestellt wird, übernommen. Welche Aufgabe kommt der ZAK dann aber zu, wenn die Gerichte ihre Beschlüsse uneingeschränkt überprüfen und verwerfen können?
Bei Entscheidungen der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) gehen die Gerichte immerhin davon aus, dass diese als sachverständiges Gremium entscheidet. Der Kläger muss dann die Entscheidung der KJM zumindest "erschüttern" – etwa mit einem Gegen-Gutachten. Für die ZAK gilt das nun jedenfalls als "Product Placement"-Polizei nicht.
Und schließlich: Die ZAK muss die Werberichtlinien für Fernsehanbieter beachten. Danach muss Produktplatzierung redaktionell gerechtfertigt sein. Das ist der Fall, "wenn das Produkt aus überwiegend programmlich-dramaturgischen Gründen in die Handlung oder den Ablauf integriert wird oder die Verwendung oder Darstellung des Produkts als Information zur Verdeutlichung des Inhalts der Sendung notwendig ist". Diese Voraussetzungen erfüllt das gerade für die Berichterstattung eingerichtete "Hasseröder-Männercamp" wohl kaum. Für die Landesmedienanstalten ist aber anerkannt, dass sie beim Erlass der Richtlinien eine Beurteilungs- und Gestaltungsfreiheit haben. Man darf gespannt sein, wie sich das BVerwG in seiner schriftlichen Begründung dazu äußert.
Das Spiel hat also Sat.1 gewonnen. Die nächsten kreativen Produktplatzierungen werden nicht lange auf sich warten lassen. Die UEFA Europe League 2014/2015 hat schon begonnen.
Der Autor Gero Himmelsbach ist Rechtsanwalt in München und Honorarprofessor für Medienrecht an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Er ist Mitkommentator des Kommentars zum "Informations- und Medienrecht" und Mitherausgeber des Kommentars zum Bayerischen Mediengesetz.
Prof. Dr. Gero Himmelsbach, BVerwG akzeptiert Hasseröder-"Männercamp": Raum für kreative Produktplatzierungen . In: Legal Tribune Online, 24.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12660/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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