Akten von Behörden sind öffentlich, solche von Privatpersonen privat. Dass dieser Grundsatz der aktuellen Rechtslage nicht mehr gerecht wird, hat das BVerwG nun in einem Urteil verdeutlicht. Gernot Schiller findet das zeitgemäß und sinnvoll.
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 Umweltinformationsgesetz (UIG) hat jedermann einen (voraussetzungslosen) Anspruch auf Umweltinformationen gegenüber informationspflichtigen Stellen. Hierzu können neben Behörden auch natürliche und juristische Personen des Privatrechts zählen. § 2 Abs. 3 UIG definiert dabei im Einzelnen die Voraussetzungen, unter denen eine Privatperson informationspflichtig ist. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat sich nun erstmals zu den Voraussetzungen einer solchen Informationspflicht von Privatpersonen geäußert (Urt. v. 23.02.2017, Az. 7 C 16.15 und 7 C 31.15).
Dem Urteil zugrunde lag die Klage einer Stadt auf Einsichtnahme in Planunterlagen, die die DB Projektbau GmbH für die Vorhabenträgerin, die DB Netz AG, für die Errichtung einer ICE-Neubaustrecke und die Änderung einer S-Bahntrasse erarbeitet hatte. Die DB Projektbau GmbH ist für die Planung, Bauvorbereitung, Baudurchführung und Bauüberwachung der Verkehrsprojekte der DB Netz AG zuständig. Beide Unternehmen sind Tochterunternehmen der Deutsche Bahn AG.
Die Stadt hatte sich im Planfeststellungsverfahren als Trägerin öffentlicher Belange und als Einwenderin beteiligt und gegen den Planfeststellungsbeschluss geklagt. Der beantragte Informationszugang diente offenkundig auch einer besseren Prozessführung in Leipzig. Das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht (OVG) hatten der Klage in den Vorinstanzen weitgehend stattgegeben.
Anknüpfung an frühere Entscheidung
Dass auch Gemeinden nach § 3 Abs. 1 S. 1 UIG anspruchsberechtigt sind, hatte der 4. Senat des BVerwG bereits in einem früheren Urteil festgestellt (Urt. v. 21.02.2008, Az. 4 C 13.07, BVerwGE 130, 223). Dies gelte jedenfalls, soweit sie in Ausübung ihrer Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz (GG) tätig würden. Denn dann befänden sich Gemeinden in einer mit dem "Jedermann" vergleichbaren Informationslage.
Der für das Informationsrecht zuständige 7. Senat hat dies in seinem aktuellen Urteil zu Recht bestätigt. Hierfür sprechen der unbeschränkte Wortlaut ("jede Person"), der selbständige Status von Gemeinden im Staatsaufbau und die unionsrechtlichen Vorgaben in der Umweltinformationsrichtlinie (UIRL).
Dass die Stadt vorliegend sowohl in ihrem Grundeigentum als auch ihrem Selbstverwaltungsrecht betroffen sein konnte, hatte bereits das OVG mit Bindungswirkung festgestellt.
DB Projektbau beruft sich vergebens auf Grundrechtseingriff
Interessanter war daher die Frage nach der Anspruchsverpflichtung. Das Gesetz verlangt hierfür zwei Voraussetzungen: Erstens die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe oder das Erbringen öffentlicher Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit der Umwelt stehen, insbesondere solche der umweltbezogenen Daseinsvorsorge. Und zweitens: eine Kontrolle des Bundes über die Privatperson.
Dem Einwand der DB Projektbau GmbH, die Vorschrift sei aufgrund des Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu unbestimmt, ist das BVerwG zu Recht nicht gefolgt. Auf den Grundrechtsschutz kann sich die DB Projektbau GmbH als staatliches Unternehmen nämlich nicht berufen.
Dies dürfte weitgehend auch für andere Privatpersonen gelten, soweit sie informationspflichtig sind. Im Übrigen würde sich dann die – von den Gerichten hier offengelassene – weitergehende interessante Frage stellen, inwieweit das Grundrecht aufgrund des Anwendungsvorrangs der UIRL überhaupt anwendbar ist. § 2 Abs. 3 UIG setzt nämlich eine inhaltsgleiche Vorschrift der UIRL um.
2/2: "Umweltinformationen" weit ausgelegt
Für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben im Zusammenhang mit der Umwelt bedarf es nach Auffassung des BVerwG keines Vollzugs spezifischen Umweltrechts. Auf ein solch einengendes Merkmal hatte die UIRL mit ihrer Neufassung 2003 verzichtet. Der deutsche Gesetzgeber hat sich dem angeschlossen und in den Gesetzesmaterialien zum Erlass des UIG ausdrücklich auch die Deutsche Bahn AG als informationspflichtig bezeichnet.
Die DB Projektbau GmbH steht nach Auffassung des BVerwG aufgrund des Alleineigentums der Bundesrepublik auch unter der Kontrolle des Bundes. Etwas anderes folge nicht aus regulierungsrechtlichen Vorgaben des Unionsrechts, wonach Eisenbahnunternehmen zwar finanziell und organisatorisch unabhängig vom Staat nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu führen seien. Doch schließe das nicht aus, dass der Staat als Anteilseigner Kontrolle über die Unternehmen ausübe. Auch Art. 87e Abs. 3 GG stehe dieser Annahme nicht entgegen.
Das BVerwG hat auch sein weites Verständnis des Begriffs der Umweltinformationen bestätigt. § 2 Abs. 2 UIG sieht insoweit eine detaillierte Legaldefinition vor. Deren Anwendung führt in der Praxis im Einzelfall gleichwohl oftmals zu Problemen. Gerade bei Informationen, die nur einen mittelbaren Umweltbezug aufweisen, kommt man schnell in Graubereiche. Geklärt in der Rechtsprechung ist jedenfalls, dass die Unterscheidung in Informationen mit unmittelbaren und mittelbaren Umweltbezug nicht praktikabel ist.
Kostenschätzungen im Zusammenhang konkreter Vorhaben sind demnach Umweltinformationen. Zudem muss nicht jede Angabe in einer Unterlage eine Umweltrelevanz aufweisen, um Umweltinformation zu sein. Das BVerwG legt insoweit einen gröberen Maßstab an.
Schutz der Betriebsgeheimnisse nur teilweise
Auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen kann sich die DB Projektbau GmbH der Entscheidung nach nur teilweise berufen. Das BVerwG konkretisiert hier seine bisherige Rechtsprechung und bestätigt die vom OVG getroffenen Feststellungen: Danach kann sich auch ein staatliches Tochterunternehmen auf den Schutz seiner Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berufen, auch wenn es keinen Grundrechtsschutz genießt und nicht im Wettbewerb steht. Dies wurde in der Vergangenheit oft diskutiert.
Allerdings gelten für die Darlegung schutzwürdiger Geheimnisse weiter strenge Anforderungen. So sind Kostenschätzungen für den Grunderwerb im Trassenbereich etwa kein exklusives kaufmännisches Wissen, auch wenn der Erwerb auf dem Grundgedanken der freien Verhandlung beruht. Ebenso kann es bei fast 20 Jahre alten Kostenschätzungen an der notwendigen Relevanz fehlen, so die Leipziger Richter.
Im Gegensatz dazu hatte das OVG Kostenkalkulationen und vergaberelevante Unterlagen als Geschäftsgeheimnisse unter Schutz gestellt. Das deutet auf eine stärkere Orientierung an der wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) hin. Dies ist zu begrüßen, weil die Instanzgerichte dazu neigen, wirtschaftliche Zusammenhänge zu verkennen und so den Geheimnisschutz zu verkürzen.
Privatisierung verhindert nicht die Transparenz
Die Entscheidung zeigt anschaulich, dass staatliche Unternehmen auch nach einer Privatisierung nicht von den besonderen Transparenzerfordernissen des Staates entbunden sind ("keine Flucht ins Privatrecht"). Andernfalls wäre es ein leichtes für den Staat, öffentliche Aufgaben zu privatisieren und sich so seiner mitunter "lästigen" Transparenzpflichten zu entledigen. Relevanz hat dies vor allem für die weitgehend wortgleichen UIG der Länder und hier im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge.
Es wird ebenso deutlich, dass der Erfolg von Informationsansprüchen wesentlich von der Reichweite und der Auslegung der normierten Ablehnungsgründe abhängt. Die Argumentation mit Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bedarf einer fundierten Darlegung ihrer Wettbewerbs- und Marktrelevanz. Was im Zeitpunkt der Erstellung der Unterlage Geheimnisschutz genoss, muss es nicht mehr im Zeitpunkt des Informationsbegehrens. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unterliegen quasi einer Halbwertszeit.
Der Autor Dr. Gernot Schiller ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht in der überörtlichen Sozietät Redeker Sellner Dahs. Er ist Mitautor der Kommentierung zum UIG im Landmann/Rohmer, Umweltrecht.
Dr. Gernot Schiller, BVerwG zu Transparenz privater Akten: Betriebsgeheimnisse mit Halbwertszeit . In: Legal Tribune Online, 01.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22231/ (abgerufen am: 27.04.2024 )
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