Eine Durchsuchung ihrer Räume konnte die Redaktion der Augsburger Allgemeinen Zeitung gerade noch verhindern, indem sie die Daten eines Nutzers herausgab, der in einem ihrer Internetforen einen mutmaßlich beleidigenden Kommentar verfasst hatte. Nicht nur Journalisten sind empört und verweisen auf die Pressefreiheit. Die aber ist gar nicht tangiert, meint Martin W. Huff.
Genau ist der Wortlaut des User-Kommentars nicht bekannt, dessen Konsequenzen nun einen Sturm der Entrüstung im Netz und bundesweit unter Journalisten auslösen. Der Augsburger Ordnungsreferent fühlte sich durch einen Kommentar im Online-Forum der Augsburger Allgemeinen beleidigt.
Der Kommentator firmierte unter "Berndi", seinen Klarnamen oder andere Daten, die ihn identifizierbar gemacht hätten, gab die Redaktion auch nach einer entsprechenden Aufforderung zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nicht heraus. Nach Angaben der Süddeutschen Zeitung verwies der Verlag auf den Schutz der Meinungsfreiheit und der Daten ihrer Nutzer. Den Kommentar löschte die Redaktion aber von ihrer Seite.
Auf die Strafanzeige des Ordnungsreferenten Volker Ullrich (CSU) hin stellte das Amtsgericht einen Durchsuchungsbeschluss aus. Dessen Vollziehung verhinderten die Redakteure schließlich dadurch, dass sie die Nutzerdaten herausgaben, als die Beamten in den Räumlichkeiten des Verlags auftauchten.
Die Staatsanwaltschaft muss den Urheber einer Beleidigung ermitteln
Wer einen anderen in seiner Ehre verletzt, verleumdet und damit bei Dritten in Misskredit bringt, der begeht Straftaten nach den §§ 185 ff. des Strafgesetzbuches (StGB). Dabei kann gerade die Beleidigung beziehungsweise Verleumdung auch durch Veröffentlichung in den Medien geschehen.
Das Strafrecht unterscheidet nicht danach, ob eine diffamierende Äußerung persönlich ausgesprochen oder durch einen Brief, eine Mail oder im Internet veröffentlicht wird. Vielmehr kann die Veröffentlichung an einen weiten Kreis von Personen oftmals sogar strafschärfend wirken. Nach Ansicht vieler Strafrichter ist es schon ein Unterschied, ob man einen anderen "nur" während einer Versammlung oder aber im Internet beleidigt.
Die Anonymität auch des Netzes schützt den Beleidiger schon gar nicht. Wenn wegen einer beleidigenden Äußerung Strafanzeige erstattet wird, ist die Staatsanwaltschaft als Ermittlungsbehörde vielmehr im Rahmen des Legalitätsprinzips verpflichtet, Ermittlungen aufzunehmen und muss versuchen, den Autor der Äußerungen zu finden.
Auch bei Dritten darf nach Beweismitteln gesucht werden
Dazu gehört selbstverständlich auch die Suche nach entsprechenden Informationen bei Dritten, ohne dass diesen selber eine Beteiligung an der möglichen Straftat vorgeworfen werden muss. So ermöglicht § 94 ausdrücklich die Beschlagnahme bei Dritten, wenn zu vermuten ist, dass dort Beweismittel zu finden sind. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Täter einem anderen die Unterlagen für seine Betrugstat zur Aufbewahrung übergeben hat und die Staatsanwaltschaft sie nun dort sucht.
Um solche Daten zu finden, muss natürlich eine Durchsuchung stattfinden, daher gehen in diesen Fällen Durchsuchung und Beschlagnahme überein. In der Durchsuchungsanordnung muss stehen, wonach gesucht wird, so dass das Redaktionsgeheimnis in diesem Fall geschützt bleibt.
Und genau ein solcher Fall liegt in Augsburg vor. Wenn tatsächlich ehrverletzende Äußerungen anonym auf der Homepage der Augsburger Allgemeinen veröffentlicht worden waren, kann man sie in aller Regel über die IP-Adresse dem Rechner zuordnen, von dem aus sie eingestellt wurden. Diese Möglichkeit nutzen zum Beispiel alle Musik- und Videoanbieter, um den unerlaubten Download von urheberrechtlich geschützten Inhalten zu ermitteln. Aber es haben auch schon Beschlagnahmen von Videoaufnahmen etwa an Tankstellen stattgefunden, wenn zum Beispiel dort eventuell Straftaten aufzeichnet wurden.
2/2: "Der Nutzer ist für seine Beiträge allein verantwortlich"
Wenn sich nun auf den Servern der Presse-Druck- und Verlags-GmbH, welche die Augsburger Allgemeine Zeitung rechtlich verantwortet, Daten finden, die zur Ermittlung des Straftäters führen können, dann können auch diese Daten beschlagnahmt werden. Wenn dazu eine Durchsuchung der Räumlichkeiten der Redaktion erforderlich wird, steht bloß die Tatsache, dass es sich um eine Redaktion handelt, der Durchsuchung nicht entgegen.
Denn es geht hier nicht um einen Eingriff in redaktionelle Daten oder Informationen, sondern um die Ermittlung eines möglichen Straftäters, der ja gerade keinen redaktionellen Inhalt gestaltet hat. Der von einem Nutzer generierte Inhalt soll der Redaktion gerade nicht zugerechnet werden. In Ziffer 7.1. der Nutzungsbedingungen der Augsburger Allgemeinen heißt es dazu wörtlich: "Der Nutzer ist für die von ihm eingestellten Beiträge allein verantwortlich. Die Betreiberin vermittelt lediglich den Zugang zu diesen Beiträgen."
Diese Regelungen entsprechen auch dem Telemediengesetz (TMG), das diese Verantwortung klar regelt und den Verlag auch dazu verpflichtet, Kommentare mit strafbarem Inhalt zu löschen. Wäre das nicht geschehen, hätte der Verlag sich unter Umständen selber strafbar gemacht, sich aber auf jeden Fall Unterlassungsansprüchen ausgesetzt.
Inhalte Dritter sind eben keine redaktionellen – sie begründen weder Haftung noch Schutz
Auch auf den Schutz des Redaktionsgeheimnisses kann die Augsburger Allgemeine sich nicht berufen. Dieses hat einen völlig anderen Inhalt, nämlich den des Quellenschutzes. Damit greifen auch die Regelungen zum Zeugnisverweigerungsrecht von Journalisten und die im Juni 2012 zum Schutz der Pressefreiheit in § 97 StPO eingefügten Änderungen nicht. Der Schutz des Redaktionsgeheimnisses umfasst nämlich gerade nicht völlig unbearbeitete Texte von Dritten, denen das Unternehmen lediglich den Zugang zu seiner Internetseite zur Verfügung stellt. Und selbstverständlich führt auch die Anonymität der Äußerung nicht dazu, dass aus ihrem Inhalt ein Redaktionsgeheimnis würde.
Dies bedeutet für den Augsburger Fall: Wenn zur Ermittlung eines Straftäters, der auf nicht redaktionellen Seiten wie in einem Forum eventuell strafbare Inhalte veröffentlicht, die Aufdeckung der Anonymität erforderlich ist, so darf dies auch durch die Beschlagnahme von Daten auf dem Server eines Verlags geschehen. Ob sich durch die gefundenen Daten wirklich der Täter ermitteln lässt, ist dabei oft fraglich, aber die Staatsanwaltschaft muss dies in einem Rechtsstaat zumindest versuchen.
Straftaten im Internet müssen – gerade bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten –verfolgt werden können. Die Medien erweisen sich selber keinen Gefallen, wenn sie solche Beleidigungen fördern und die Daten nicht herausgeben. Denn mit dem Wechsel ins digitale Zeitalter sind Redaktionen nicht mehr nur Redaktionen – sie sind mit den Webseiten, zu denen sie Dritten den Zugang zwecks Veröffentlichung von Inhalten ohne redaktionelle Prüfung nicht nur ermöglichen, sondern diesen auch forcieren, auch ganz schlicht Anbieter im Sinne des Telemediengesetzes. Aber nur, wer redaktionell arbeitet, kann sich auf die Redaktionsfreiheit berufen.
Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt und Journalist in Leverkusen. Er ist zudem Lehrbeauftragter für Medienrecht an der Fachhochschule Köln und für anwaltliches Berufsrecht an der German Gradute School of Management and Law in Heilbronn.
Martin W. Huff, Beinahe-Durchsuchung bei Augsburger Allgemeiner: Auch Redaktionen sind nicht unantastbar . In: Legal Tribune Online, 01.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8075/ (abgerufen am: 08.05.2024 )
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