Der zweite Anlauf im Strafverfahren wegen der Teldafax-Insolvenz beginnt mit einem ungewöhnlichen Antrag der Staatsanwaltschaft. Außerdem in der Presseschau: Volksverhetzung und Meinungsfreiheit, Sparer siegen gegen Sparkasse, mühsame Aufarbeitung der Bankenkrise in Sachsen, Regress gegen Fußball-Fans und mal wieder eine bunte Erklärung für zu schnelles Fahren.
Thema des Tages
LG Bonn – Teldafax: Unter anderem wegen Insolvenzverschleppung und gewerbsmäßigem Betrug müssen sich ehemalige Vorstände des Stromanbieters Teldafax vor dem Landgericht Bonn verantworten. Ein erster Versuch scheiterte an einer erfolgreichen Besetzungsrüge der Verteidigung, nach der vorläufigen Aussetzung des Verfahrens beantragte die Staatsanwaltschaft nun, zwei Angeklagten Pflichtverteidiger beizuordnen. Deren Wahlverteidiger seien "zu alt und gebrechlich", schreibt die SZ (Jannis Brühl) in ihrem Bericht, der auch auf die Eckdaten "einer der größten Insolvenzen der deutschen Wirtschaftsgeschichte" eingeht. Die Verteidigung habe derweil erneut die Unzuständigkeit des Gerichts gerügt. Die ursprüngliche Eröffnung des Verfahrens durch eine Hilfsstrafkammer des Gerichts könne auch die Einsetzung einer neuen Kammer nicht heilen. Der Prozess wird in der kommenden Woche mit einer Entscheidung über diesen Antrag fortgesetzt.
In einem Kommentar äußert Joachim Jahn (FAZ) Unverständnis über die Dauer der auf ein Jahr veranschlagten Hauptverhandlung. Derartiges sei Angeklagten in Wirtschaftsstrafprozessen - "gleichgültig, ob sie schuldig sind oder nicht" - nicht zuzumuten. Dass die ursprünglich vor einem Jahr begonnene Hauptverhandlung abgebrochen werden musste, "passt in dieses desaströse Bild einer überforderten Strafjustiz."
Rechtspolitik
Volksverhetzung und Meinungsfreiheit: Der 27. Januar, Tag der Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee, ist offizieller Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Aus diesem Anlass fragt Heribert Prantl (SZ) in einem Kommentar, ob die unter dem "infamen Begriff" der sogenannten Auschwitz-Lüge zusammenzufassende Leugnung oder Verharmlosung des Holocaust und anderer NS-Verbrechen tatsächlich strafbewehrt sein müsse. Denn Strafrecht bezwecke den Schutz "der Wahrheit an sich" ebenso wenig wie jenen vor Dummheit. Gleichwohl verkörpere die Meinungsfreiheit wie alle anderen durch das Grundgesetz garantierten Grundrechte "auch die Erinnerung an das NS-Menschheitsverbrechen". Die Grundrechte dürften nicht missbraucht werden, "um diese Erinnerung zu verhöhnen", stattdessen müsse "wirklich Schluss sein" mit immer wiederkehrenden Versuchen, NS-Verbrechen zu verdrängen.
Reinhard Müller (FAZ) bezieht sich in seinem Beitrag ausführlich auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2009 zu den Rudolf Heß-Demonstrationen in Wunsiedel. Trotz der in Karlsruhe gepflegten Maxime "im Zweifel für die Freiheit" habe das Gericht nachvollziehbar dargelegt, warum trotz grundrechtlich garantierter Meinungsfreiheit gegenüber der Befürwortung der NS-Herrschaft ein Sonderrecht zulässig sei. Deren Verbrechen bildeten eine "gegenbildlich identitätsprägende Bedeutung" für die verfassungsrechtliche Ordnung der Bundesrepublik und begründeten somit ein "deutsches Tabu."
Korruption: In der vergangenen Woche beschloss die Bundesregierung einen Gesetzentwurf, mit dem Korruption auch im Geschäftsverkehr verstärkt bekämpft werden soll. Im Gespräch mit lto.de (Pia Lorenz/Constantin van Lijnden) erläutert Rechtsprofessor Michael Kubiciel Einzelheiten des § 299 Strafgesetzbuch in seiner neuen Fassung, seiner europarechtlichen Notwendigkeit und Kritik, etwa in Bezug auf das im Entwurf nur undeutlich geregelte Strafanwendungsrecht.
TTIP: Der FAZ (Hendrick Kafsack/maxw) liegt der aktuelle Entwurf des Verhandlungsangebots der Europäischen Kommission für das geplante Freihandelsabkommen mit den USA, TTIP, vor. Dessen Mittelpunkt sei ein bislang unbekanntes "Frühwarnsystem", nach dem sich die Vertragspartner gegenseitig über geplante handelsrechtlich relevante gesetzliche Vorhaben "auf zentraler und nichtzentraler Ebene" und hierfür maßgebliche Informationen unterrichten sollen. Etwaige Bedenken sollten nach dem Entwurf bei einem zu schaffenden "Gremium zur regulatorischen Zusammenarbeit" angemeldet werden.
Die juristische Presseschau vom 27. Januar 2015: . In: Legal Tribune Online, 27.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14486 (abgerufen am: 01.11.2024 )
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