Der langwierige Mietprozess um einen Kettenraucher ist beendet – er darf bleiben. Außerdem in der Presseschau: Kachelmann bekommt Recht und Entschädigung von der Ex-Geliebten und das elektronische Anwaltspostfach verzögert sich ein weiteres Mal.
Thema des Tages
LG Düsseldorf zu rauchendem Mieter: Friedhelm Adolfs muss seine Wohnung nicht räumen, entschied nach über dreijährigem Rechtsstreit nun das Landgericht Düsseldorf. Dem Kettenraucher war im Jahr 2012 nach mehr als 40 Jahren Mietzeit fristlos gekündigt worden, weil der Zigarettenqualm andere Hausbewohner unzumutbar belästige. Seine Klage gegen die Kündigung wurden in erster und zweiter Instanz abgewiesen, der BGH hob schließlich das Landgerichtsurteil auf und verwies es zur erneuten Beweisaufnahme zurück, weil die Vermieterin eine Gesundheitsgefährdung anderer Personen nicht hinreichend nachgewiesen habe. Nunmehr konnte das LG nach der Vernehmung von 13 Zeugen nicht feststellen, dass der Mieter alleiniger Verursacher von Rauchgeruch im Treppenhaus war, und entschied, dass ein Kündigungsgrund nicht vorliege. Es berichten die SZ (Bernd Dörries), die FAZ (Reiner Burger) und die taz (Bernd Müllender).
Klaus Hillenbrand (taz) meint, das Urteil stärke das Recht der Mieter, sich in ihrer Wohnung frei zu entfalten, bestätige aber lediglich die geltende Rechtslage. Eine Aussage für oder gegen das Rauchen treffe es nicht.
Rechtspolitik
Flüchtlingsaufnahme und Obergrenze: Rechtsprofessor Kay Hailbronner erläutert in einem Gastbeitrag in der FAZ ausführlich die Flüchtlingsverteilung in der EU nach der Dublin-III-Verordnung und die aktuellen Reformvorschläge der EU-Kommission. Dabei spricht er sich auch für eine Begrenzung der Flüchtlingsaufnahme in Deutschland aus. Philosophieprofessor Mathias Risse schreibt ebenfalls in der FAZ, niemand könne etwas dafür, wo er geboren sei. Die Gerechtigkeit gebiete die Aufnahme von Menschen in Krisenregionen, und zwar egal ob sie vor Krieg, Ungerechtigkeit oder Unglück flöhen – Obergrenzen dürfe es nicht geben, eher Umverteilung des Reichtums.
Mietpreisbremse: Die Linke im Bundestag bezeichnet die Mietpreisbremse ein Jahr nach ihrem Inkrafttreten als nahezu wirkungslos und fordert nun, Ausnahmeregelungen abzuschaffen und Vermieter zu verpflichten, die Vormiete offenzulegen. Auch solle zuviel gezahlte Miete erstattet und die Modernisierungsumlage abgeschafft werden, mit der Vermieter die Kosten für Sanierungen auf die Mieter abwälzen können, so die taz (Dinah Riese).
Lobbyismus: Die EU-Kommission will die Transparenz von Lobby-Einflüssen auf EU-Institutionen vergrößern, berichtet die FAZ (Hendrik Kafsack). Künftig sollen ranghohe EU-Vertreter nur mit Lobbyisten zusammenkommen dürfen, wenn diese sich in dem Transparenzregister registriert haben. Jost Müller-Neuhof (Tsp) begrüßt dies und meint, Berlin hinke in Sachen Transparenz hinterher.
Markenmissbrauchsverordnung: Nach dem Inkrafttreten der europäischen Markenmissbrauchsverordnung (MAR) ist die Ad-hoc-Publizität nach § 15 des Wertpapierhandelsgesetzes abgelöst worden. Die Neuregelung des Art. 17 MAR erläutern die Rechtsanwälte Marcus C. Funke und Dirk Kocher auf dem Handelsblatt-Rechtsboard.
Erbschaftsteuer: Die Zeit (Marcus Rohwetter) fragt nach der Verfassungsmäßigkeit des neuen Erbschaftsteuer-Kompromisses des Vermittlungsausschusses. Sowohl die Argumentation von FDP-Vertretern, es handle sich um die Vorstufe einer Vermögensteuer, als auch die der Grünen, es gebe eine ungerechtfertigte Subventionierung des Großkapitals, sei unzutreffend. Allerdings gebe es in dem Gesetz Unklarheiten und "Hintertürchen", die Anlass zu Zweifeln gäben.
Fusionskontrolle für Intenetunternehmen: Das Bundeskabinett hat eine schärfere Fusionskontrolle für Internet-Unternehmen durch Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auf den Weg gebracht. Die Besonderheiten des Internetmarkts sollen bei der Prüfung der Marktmacht und Wettbewerbssituation in Zukunft beachtet werden, melden FAZ (Jan Hauser) und lto.de.
Justiz
OLG Frankfurt zu Kachelmann: Die ehemalige Geliebte des Wettermoderators Jörg Kachelmann muss diesem über 7.000 Euro ersetzen, die er für Gutachten zum Beweis seiner Unschuld zahlte, als er in Untersuchungshaft saß. Das Oberlandesgericht Frankfurt sah es als erwiesen an, dass die Journalistin die Vergewaltigung erfunden und sich die zum Beweis angeführten Verletzungen selbst zugefügt habe. Gestützt wurde dies durch das vom Gericht eingeholte Gutachten eines Rechtsmediziners. Kachelmann war vom Vorwurf der Vergewaltigung schon 2011 nach dem Zweifelsgrundsatz freigesprochen worden, eine Falschaussage seiner Ex-Freundin konnte jedoch nicht festgestellt werden. Mit dem Schadensersatzprozess wollte der Moderator die öffentliche Rehabilitation von den Vorwürfen erreichen. Es berichten unter anderem die FAZ (Sarah Kempf) und die taz (Christian Rath).
BGH zu Daimler gegen SWR: Der SWR darf eine Undercover-Reportage zu Niedriglöhnen bei Daimler ausstrahlen, entschied der Bundesgerichtshof und wies die Nichtzulassungsbeschwerde des Automobilkonzerns gegen ein gleichlautendes Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart ab, meldet lto.de.
LG Bamberg – Missbrauchsprozess gegen Chefarzt: Im Prozess gegen den früheren Chefarzt Heinz W., der sich an narkotisierten Patientinnen und Mitarbeiterinnen vergangen haben soll, hat die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren sowie ein lebenslanges Berufsverbot gefordert. Der Angeklagte bekräftigt weiter, aus wissenschaftlichem Interesse gehandelt zu haben, berichtet die SZ (Annette Ramelsberger).
StA Bamberg – Rechtsterrorismus: Die Staatsanwaltschaft Bamberg hat Anklage gegen vier Rechtsextreme erhoben, die Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte geplant haben sollen, meldet spiegel.de. Sie hätten mit der inzwischen verbotenen "Weiße Wölfe Terrorcrew" eine kriminelle Vereinigung gegründet.
ArbG Würzburg zu Autozulieferer Schaeffler: Der Automobilzulieferer Schaeffler ist mit seiner Klage gegen ehemalige Mitarbeiter, unter anderem den ehemaligen Vorstandschef, gescheitert, mit der Schadensersatz in Höhe von 53,4 Millionen Euro gefordert worden waren. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen das Unternehmen wegen Korruption, wofür die verklagten Mitarbeiter verantwortlich gemacht werden sollten. Etwaige Ansprüche seien jedoch verjährt oder verwirkt, urteilte das Arbeitsgericht Würzburg laut der SZ (Uwe Ritzer).
AG Bremervörde – Gaffer: Am Amtsgericht Bremervörde beginnt der Prozess gegen drei Schaulustige, die bei einem Autounfall mit tödlichen Folgen Opfer gefilmt und Einsatzkräfte behindert haben sollen. Einer der Angeklagten soll sogar eine Rangelei mit Polizisten angefangen haben, wie die taz Nord meldet.
StA Berlin – Wahlaffäre Jüdische Gemeinde: Die Staatsanwaltschaft Berlin hat ein Ermittlungsverfahren wegen Wahlfälschungs-Vorwürfen bei der Jüdischen Gemeinde in Berlin eingeleitet. Im Raum steht der Verdacht der Urkundenfälschung, allerdings sei bislang nicht klar, ob Wahlzettel Urkunden seien, so die SZ.
beA: Das besondere elektronische Anwaltspostfach sollte eigentlich am heutigen Donnerstag in Betrieb sein – nun wurde der Start noch einmal vertagt. Grund dafür sind zwei Beschlüsse des Anwaltsgerichtshofs in Berlin, wonach für zwei Anwälte ohne deren Zustimmung die Freischaltung vorerst unterbleiben muss, was technisch nicht möglich ist. Aus diesem Grund bleibt es aus Sicht des AGH bis zu einer etwaigen Aufhebung der Beschlüsse, die gemäß § 80 Abs. 7 VwGO möglich wäre, dabei, dass die Postfächer nicht empfangsbereit geschaltet werden, berichtet lto.de (Pia Lorenz).
GAW Harms: Die FAZ (Reinhard Müller) porträtiert anlässlich ihres 70. Geburtstags die Generalbundesanwältin und ehemalige Richterin am Bundesgerichtshof* Monika Harms.
*korrigiert nach Hinweis im Kommentar.
Recht in der Welt
Indien – Leihmutterschaft: Die Zeit (Sunaina Kumar) schreibt, wie in Indien die Leihmutterschaft zu einem kommerzialisierten Geschäftszweig geworden ist, und skizziert einige Fälle. Nachdem sich ein "Leihmutterschaftstourismus" entwickelt hatte, für den im Ausland massiv geworben wurde, verbot die indische Regierung vergangenes Jahr grenzüberschreitende Geschäfte mit Leihmüttern. Nun gibt es einen umstrittenen Gesetzentwurf, der kommerzielle Leihmutterschaft insgesamt untersagen soll.
USA – Chelsea Manning: Wiki-Leaks-Informantin Chelsea Manning ist in den USA wegen eines Suizid-Versuchs im Gefängnis zu zwei Wochen Isolationshaft verurteilt worden, was stark kritisiert wird, wie die FAZ (Sebastian Eder) berichtet.
Saudi-Arabien – Frauenrechte: 14.700 Menschen in Saudi-Arabien verlangen in einer Petition an die Regierung, das Vormundschaftssystem für Frauen abzuschaffen. Nach derzeitiger Rechtslage brauchen Frauen für alle offiziellen Angelegenheiten wie Behördengänge oder Arbeitsaufnahme die Erlaubnis eines männlichen Vormunds. zeit.de (Martin Gehlen) spricht darüber mit der Aktivistin Aziza al-Yussef.
Sonstiges
Schutz von Whatsapp-Daten: Nach der Anordnung des Hamburgischen Landesdatenschutzbeauftragten Johannes Caspar, mit der Facebook untersagt wird, die Daten von Whatsapp-Nutzern zu erheben, beleuchtet die SZ (Johannes Boie/Wolfgang Janisch) die rechtliche Zulässigkeit dieses Vorgehens einer kleinen Landesbehörde gegen den Weltkonzern. Laut dem EuGH reiche zwar eine Niederlassung im Geltungsbereich des EU-Datenschutzrechts für dessen Anwendung; die Reichweite dieses Grundsatzes sei jedoch umstritten. Zudem sei fraglich, ob eine ausreichende materiellrechtliche Grundlage für das Verbot bestehe.
Islamismus: Jan Raudszus, Mitarbeiter des Landeskriminalamts Bremen, berichtet in der Zeit von der Radikalisierung junger Salafisten im "Kultur- und Familienverein Bremen". Diese mündete darin, dass Anfang 2014 mindestens 15 Personen nach Syrien oder in den Irak ausgereist sind, um dort in den bewaffneten Kampf zu ziehen. Geschildert wird der Werdegang der radikalen Prediger Nabil A. und Renee Marc S. sowie die Schwierigkeiten der Behörden, genügend Informationen zu erhalten, um Ausreisen zu verhindern oder den Verein zu verbieten.
Embryonenschutz: Einem US-amerikanischen Arzt ist in Mexiko erstmals die Befruchtung einer Spendereizelle gelungen, in die gesunde DNA-Teile der an einer Erbkrankheit leidenden Mutter verpflanzt worden waren – so dass das Kind nun drei leibliche Elternteile hat. Die SZ (Kathrin Zinkant) erörtert, ob dies auch in Deutschland zulässig wäre, wo das strenge Embryonenschutzgesetz die "Veränderung der Keimbahn" untersagt. Ob derartige Eingriffe darunter fielen, sei aber noch nicht ausgemacht.
Mafia in Deutschland: Im Interview mit spiegel.de (Andreas Wassermann) sagt die deutsch-italienische Politikerin Laura Garavini, italienische Mafia-Clans nutzten Deutschland als Rückzugsraum und Ort, um Geld zu waschen, weil sie hier kaum auffielen. Das Problem werde unterschätzt.
Das Letzte zum Schluss
Das Geschäft der Blindenhunde: Die Welt (Sebastian Gubernator) interviewt die Sehbehinderte Nicole Einbeck, die zur Orientierung auf ihre Blindenhündin angewiesen ist. Um die Frage, ob sie deren Kothaufen vom Fußweg entfernen muss, gab es neben Streit mit Passenten auch einen skurrilen Kleinkrieg mit dem Potsdamer Ordnungsamt. Dieses beharrte darauf, dass die Potsdamer Stadtordnung allen Hundehaltern die Haufenbeseitigung vorschreibe, und wollte der Blinden keine Ausnahmegenehmigung erteilen. Nachdem die Presse berichtete, zeichnet sich nun ein Einlenken ab.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/lil
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 29. September 2016: Raucher bleibt wohnen / Kachelmann entschädigt / beA erneut verschoben . In: Legal Tribune Online, 29.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20719/ (abgerufen am: 01.10.2023 )
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