Einladungsmails an Nichtmitglieder von Facebook sind unerwünschte Werbung, so der BGH. Außerdem in der Presseschau: Wohlleben kann sich wenig erinnern und Eltern können für illegale Uploads ihrer Kinder verantwortlich sein.
Thema des Tages
Unzulässige Facebook-Werbung: Facebook darf Personen, die das Portal selbst nicht nutzen, keine automatischen Einladungsmails zusenden. Diese stellen eine "wettbewerbsrechtlich unzulässige, weil belästigende Werbung" dar, wie der Bundesgerichtshof entschied. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hatte 2010 Klage wegen der Facebook-Funktion "Freunde Finden" eingereicht, die die E-Mail-Kontakte registrierter Nutzer zur Werbung verwendet. Mit Zustimmung der Nutzer speichert Facebook die Adressen und nutzt sie zum Versenden von Freundschaftseinladungen – auch dann, wenn die betreffenden Personen selbst keinen Facebook-Account haben. Wettbewerbsrechtlich sind jedoch Werbemails ohne ausdrückliche Erlaubnis unzulässig. Das Gericht trat auch der Ansicht der Facebook-Anwälte entgegen, der Dienst setze nur einen Kontaktwunsch seiner registrierten Nutzer mit technischen Mitteln um. Das geschäftliche Interesse des Konzerns stehe im Vordergrund. Da die Funktion inzwischen verändert wurde, sind die Konsequenzen des Urteils noch nicht völlig klar; ebenso wenig die Auswirkungen für andere Dienste. Es steht jedoch am Anfang einer Auseinandersetzung von Nutzerrechten auf Social-Media-Plattformen, die zunehmend auch juristisch geführt wird. Es berichteten die SZ (Wolfgang Janisch) die FAZ (Joachim Jahn) und die taz (Christian Rath).
Rechtspolitik
Ausweisung und Asylrecht: In der Diskussion um vereinfachte Ausweisungen straffälliger Asylsuchender hat sich CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer dafür ausgesprochen, bei "eindeutiger Beweislage" auch ohne einen Strafprozess auszuweisen. In einem Kommentar auf zeit.de bezeichnet Katharina Schuler dies, wie andere Unions-Vorschläge, als "krude" und einen Angriff auf den Rechtsstaat. Lto.de (Tanja Podolski) fasst ausführlich die geplanten und bereits beschlossenen Änderungen im Bereich des Ausländer- und Asylrechts zusammen.
Silvesterübergriffe: Als Reaktion auf die Übergriffe in der Silvesternacht in Köln hat NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft einen 15-Punkte-Maßnahmekatalog vorgestellt, mit dem die Sicherheit erhöht werden soll. Angekündigt wurden unter anderem spezielle Ermittlerteams an Kriminalitätsschwerpunkten, mehr Personal für die Staatsanwaltschaft, mehr Polizeibeamte, mehr Videoüberwachung und eine hohe Belohnung für sachdienliche Hinweise auf die Täter, berichtet focus.de (Frank Lehmkuhl). Heribert Prantl (SZ) meint zu den Entschuldigungsversuchen des NRW-Innenministers Jäger, ein Rücktritt könne eine "noble" Art der Verantwortungsübernahme sein. Währenddessen meldet spiegel.de, auch in Hamburg werde inzwischen gegen acht Tatverdächtige wegen sexueller Übergriffe ermittelt.
Flüchtlingsausweis: Der Bundestag hat die Einführung des sogenannten Flüchtlingsausweises beschlossen, wie zeit.de berichtet. Damit sollen ausführliche Informationen über die Flüchtlinge gespeichert und der Datenaustausch zwischen den Behörden verbessert werden. Flüchtlinge ohne Ausweis sollen keine Leistungen mehr erhalten. Geregelt ist dies im Datenaustauschsicherungsgesetz. Dessen erste Lesung fand im Bundestag erst am Mittwoch statt.
Bundestagsrechte bei EU-Verträgen: Im Bundestag wurden am gestrigen Donnerstag sechs Rechtsprofessoren zu der Frage gehört, ob bei sogenannten gemischten Abkommen der Europäischen Union das nationale Parlament ein Mitentscheidungsrecht haben sollte. Dies berichtet das Hbl. Engegen der Ansicht von Justizminister Heiko Maas waren mit verschiedenen Begründungen alle Experten der Meinung, dass dies der Fall sein sollte – und das könnte etwa für Verträge wie TTIP relevant werden.
Justiz
BGH zu Autobahn-Überfall: Der Prozess gegen fünf Männer, die 2012 einen Mann auf einer Raststätte an der Autobahn 9 in Sachsen-Anhalt überfielen und so schwer verletzten, dass er verstarb, muss erneut durchgeführt werden. Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision der Angehörigen des Opfers das Urteil teilweise aufgehoben und an eine andere Kammer des Landgerichts Dessau-Roßlau verwiesen, weil im Urteil ein Tötungsvorsatz der Angeklagten nicht ausreichend geprüft worden sei. Diese waren 2014 unter anderem wegen erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge zu langen Haftstrafen verurteilt worden, meldet spiegel.de.
BGH zu Kindesmissbrauch: Im Falle eines 57-Jährigen, der wegen des jahrelangen sexuellen Missbrauchs junger Mädchen zu einer Haftstrafe von zwölf Jahren und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden war, muss das Landgericht Kassel erneut über das Strafmaß entscheiden. Wie spiegel.de berichtet, bemängelte der Bundesgerichtshof, durch die Pädophilie des Mannes hätten sein Unrechtsbewusstsein und seine Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt gewesen sein können, was nicht ausreichend berücksichtigt worden sei.
BVerwG zu Motorradclubs: Das Vereinsverbot gegen den Rockerclub "Gremium Motorcycle Club (MC) Sachsen" und vier seiner Ortsgruppen ist rechtmäßig, wie das Bundesverwaltungsgericht laut einer Meldung von lto.de entschieden hat. Es gab damit dem Bundesinnenministerium Recht, das den Hauptzweck des Vereins in der gewalttätigen Gebiets- und Machtentfaltung und in der strafrechtswidrigen Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Organisationen sah. Unter anderem sei eine Auszeichnung für ein versuchtes Tötungsdelikt verliehen worden.
EGMR zu E-Mails am Arbeitsplatz: Die Kündigung eines rumänischen Arbeitnehmers, der während der Arbeitszeit private E-Mails verschickt hat, war rechtmäßig. Einen Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention oder die Datenschutzrichtlinie der EU konnte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nicht erkennen, berichtet die FAZ (Joachim Jahn). Für die Rechtslage in Deutschland, über die der Autor einen kurzen Überblick gibt, habe das Urteil keine Auswirkungen.
EuGH – Residenzpflicht für Flüchtlinge: Auf lto.de beschreibt der Rechtsprofessor Daniel Thym, wie sich ein zu erwartendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs auf die Zulässigkeit von Wohnsitzauflagen für anerkannte Flüchtlinge in Deutschland auswirken könnte. Diese sind nach europa- und völkerrechtlichen Maßstäben grundsätzlich möglich, soweit sie für alle Ausländer und nicht nur für Flüchtlinge gelten. Das Bundesverwaltungsgericht, das den EuGH nun angerufen hat, vertrete zu den hierfür bedeutenden Auslegungsfragen eine "eigensinnige Ansicht".
OLG München – NSU-Prozess: Auch am zweiten Tag, an dem der zweite Hauptangeklagte im Terroristenprozess Ralf Wohlleben auf Fragen des Vorsitzenden Richters antwortete, gab Wohlleben wenige Erinnerungen preis. Seine Antworten hätten größtenteils "zur Aufklärung des Sachverhalts so gut wie nichts" beigetragen, konstatiert spiegel.de (Gisela Friedrichsen). Wohlleben wolle seine Rolle herunterspielen und antworte auf heikle Fragen mit Nichtwissen, fasst zeit.de (Tom Sundermann) Einschätzungen zur Aussage zusammen.
OLG München zu illegalem Filesharing: Eltern haften unter bestimmten Bedingungen dafür, wenn ihre Kinder illegal Musik zum Tausch anbieten, entschied das Oberlandesgericht München. Eins der volljährigen Kinder hatte ein Album der Sängerin Rihanna hochgeladen – welches, wollten die Eltern im Prozess nicht preisgeben. Da jedoch eine "sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers" bestehe, die Vermutung zu entkräften, er sei der Täter, hielt das Gericht die Verurteilung zur Zahlung von 3.500 Euro für gerechtfertigt, berichtet die FAZ (Karin Truscheit).
StA Bochum – Steuer-CDs: Nach dem Kauf einer Steuer-CD durch das Land Nordrhein-Westfalen sind gegen viele Kunden der Schweizer Bank USB Ermittlungsverfahren eingeleitet worden – inzwischen 2.000, wie die taz meldet. 340 Verfahren seien bereits gegen Geldauflagen von insgesamt 16,4 Millionen Euro eingestellt worden; es werde noch Steuernachzahlungen geben. Auch wurden in wenigen Fällen Bewährungsstrafen verhängt.
Recht in der Welt
Burundi – Prozess gegen Putschisten: Am heutigen Freitag soll das Oberste Gericht Burundis das Urteil gegen 28 Angeklagte sprechen, die im Mai letzten Jahren am gescheiterten Putschversuch gegen Präsident Pierre Nkurunziza beteiligt waren, wie die taz (Simone Schlindwein) berichtet. Die Angeklagten, unter anderem der ehemalige Verteidigungsminister Cyrille Ndayirukiye, erklärten ihr Handeln mit der unverhältnismäßigen Gewalt, mit welcher die Polizei zuvor gegen Demonstranten vorgegangen war.
Polen – EU-Kommission: Die FAZ (Klaus-Dieter Frankenberger/Reinhard Müller) beschäftigt sich angesichts des von der EU-Kommission eingeleiteten "Rechtsstaatsmechanismus" gegen Polen mit dem Verhältnis von nationalstaatlicher Souveränität und Unterordnung unter die gemeinsamen Regeln der EU – es sei wichtig, dass sich alle Staaten an diese hielten. Auch das Bundesverfassungsgericht stehe, da es sich teilweise ein Letztentscheidungsrecht vorbehalte, in der Kritik, jedoch bemühe es sich um Europarechtsfreundlichkeit. Stefan Ulrich (SZ) betont, die Staaten seien durchaus unsouveräner geworden, doch supranationale Bünde seien in der heutigen Welt notwendig.
Polen – Verfassungsrecht: Die FAZ (Konrad Schuller) porträtiert den polnischen Verfassungsrichter Andrzej Rzeplinski, der gegen die Umstrukturierungen der neugewählten Regierung kämpft. Im Interview auf zeit.de berichtet der ehemalige polnische Justizminister Borys Budka von Regierungsplänen, die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft aufzuheben.
Juristische Ausbildung
Refugee Law Clinics: juwiss.de (Tina Winter) interviewt in der Reihe "Refugee Law Clinics: Soziales Engagement als praktische Kritik an der universitären Juristenausbildung?" den Jurastudenten Maximilian Oehl für die Law Clinic Köln.
Das Letzte zum Schluss
Verbrecher möchte hübscheres Fahndungsfoto: "Hier ist ein besseres, das andere ist schrecklich" - mit diesen Worten schickte ein Mann, nach dem in den USA wegen verschiedener Delikte gefahndet wurde, ein Foto von sich an die Polizei von Lima (Ohio). Diese bedankte sich, teilte jedoch mit, dennoch lieber persönlich mit dem Gesuchten reden zu wollen, meldet justillon (Stefan Maier).
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/lil
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 15. Januar 2016: Dämpfer für Facebook / Ausweisung ohne Verurteilung? / Eltern haften für Filesharing . In: Legal Tribune Online, 15.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18120/ (abgerufen am: 16.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag