Ein Stundenlohn von 1,37 Euro: In Thüringer Gefängnissen ist das derzeit Alltag. Doch nutzt das auch der Resozialisierung von Häftlingen? Das BVerfG hat den Ländern Hausaufgaben aufgegeben, die nun gemacht werden müssen.
Thüringen stellt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urt. v. 20.06.2023, Az. 2 BvR 166/16; 2 BvR 1683/17) zu Stundenlöhnen für Häftlinge seine Vergütung für Strafgefangene auf den Prüfstand. Die gesetzlichen Grundlagen für die Beschäftigung in den Haftanstalten sollen entsprechend angepasst werden, teilte das Justizministerium der dpa mit. Der Freistaat will dazu entsprechend der Maßgabe der Karlsruher Richter in den nächsten zwei Jahren einen Entwurf vorlegen.
Das BVerfG hatte im Juni zwei arbeitenden Häftlingen aus Bayern und Nordrhein-Westfalen Recht gegeben, die gegen ihre niedrige Vergütung geklagt hatten. Stundenlöhne von zwei Euro oder weniger für Gefangene sind demnach verfassungswidrig, wenn dahinter kein wirksames Konzept zur Resozialisierung der Betroffenen steht. Gefangene müssten Sinn und Nutzen von Arbeit erkennen, so das BVerfG.
Stundenlöhne zwischen 1,37 Euro und 2,29 Euro
Mit den konzeptionellen Überlegungen zur Umsetzung der Entscheidung wird sich laut dem Thüringer Justizministerium eine länderübergreifende Arbeitsgruppe befassen. Diese sei vom Strafvollzugsausschuss der Länder eingesetzt worden und werde noch im September einen ersten internen Bericht vorlegen, hieß es.
Die Stundenlöhne in den Thüringer Gefängnissen liegen nach Ministeriumsangaben derzeit zwischen 1,37 Euro bis maximal 2,29 Euro. Die fünf Vergütungsstufen hängen von der Art der Tätigkeit hinter Gittern ab. Das Spektrum reicht dabei von Reinigungs- und Küchenarbeiten über die Beschäftigung in Gärtnereien bis hin zur Holz- und Metallverarbeitung. In den Haftanstalten wird neben dem internen Bedarf auch für Landesbehörden wie Polizei, Gerichte und Staatsanwaltschaften produziert. Aber auch die Privatwirtschaft vergibt Aufträge.
Strafgefangene sind in Deutschland gesetzlich zur Arbeit verpflichtet. Mindestlohn gilt in den Haftanstalten allerdings nicht, da es vordergründig um die Resozialisierung der Straftäter gehen soll. Ob die ihnen zugewiesenen Aufgaben sie auch tatsächlich auf ein Leben in Freiheit vorbereiten, ist bei den Häftlingen ebenso umstritten wie bei ihren Interessenvertretungen und zuletzt auch bei den Verfassungsrichtern.
Lebensunterhalt wird von Justizvollzug finanziert
Das Ministerium weist zudem darauf hin, dass der notwendige Lebensunterhalt der Gefangenen einschließlich der medizinischen Versorgung vollständig vom Justizvollzug finanziert wird. Diese Kosten würden das Niveau des außerhalb der Haftanstalten geltenden Mindestlohns deutlich überschreiten. Das sei bei der Bemessung der Stundenlöhne besonders zu berücksichtigen, was auch das BVerfG anerkannt habe. Die reinen Vergütungskosten für die Gefangenen beliefen sich in Thüringen den Angaben nach im vergangenen Jahr auf mehr als 551.100 Euro.
In den Thüringer Gefängnissen sind laut Ministerium derzeit im Schnitt 780 Insassen beschäftigt. Das entspreche einer Quote von 58,4 Prozent. So seien etwa Untersuchungshäftlinge aufgrund der für sie geltenden Unschuldsvermutung generell nicht zur Arbeit verpflichtet. Ein Teil der Gefangenen sei zudem aus gesundheitlichen Gründen arbeitsunfähig, andere wiederum hätten bereits das Rentenalter erreicht.
In den sechs Haftanstalten im Freistaat saßen Ende August 1309 Straftäter ein. Die Gefängnisse waren damit laut Ministerium zu 68,1 Prozent belegt.
dpa/tap/LTO-Redaktion
Nach Urteil des BVerfG zum Verdienst im Strafvollzug: . In: Legal Tribune Online, 20.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52745 (abgerufen am: 04.10.2024 )
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