Seit Mai 2016 befindet sich ein Mordverdächtiger in Untersuchungshaft. Das BVerfG entschied vergangene Woche, dass das nicht mehr zu rechtfertigen ist. Nun ordnete das OLG Zweibrücken die Freilassung des Mannes an.
Der Angeklagte im Frankenthaler Babymordprozess kommt nach zweieinhalb Jahren Untersuchungshaft auf freien Fuß. Das entschied das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken am Donnerstag. Es reagierte damit auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), das unter anderem den zähen Verlauf des Verfahrens kritisiert hatte.
Die lange Untersuchungshaft des Mannes sei trotz der Schwere der angelasteten Taten nicht mehr gerechtfertigt, entschieden die Verfassungsrichter in der vergangenen Woche. Daher sei der seit Mai 2016 im Gefängnis einsitzende Angeklagte in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person verletzt. Das Argument des Landgerichts (LG) Frankenthal, es sei überlastet, könne die Haftfortdauer nicht rechtfertigen. Dieser Umstand liege allein im Verantwortungsbereich der Justiz und könne niemals als Grund für eine Haftfortdauerentscheidung herangezogen werden, konstatierten die Karlsruher Richter. Im Kern kritisierte das BVerfG unter anderem, dass die zuständige Kammer in Frankenthal nicht oft genug terminiert habe – "zuletzt an nur 0,65 Tagen pro Woche". Laut BVerfG stelle das einen gravierenden Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz dar.
DRB: "Vieles unglücklich gelaufen"
Der Angeklagte soll seine zwei Monate alte Tochter aus dem zweiten Stock eines Hauses geworfen und so getötet haben. Neben Mord wird dem Deutschen auch versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung und Geiselnahme vorgeworfen. Gegen ihn wird bereits zum zweiten Mal vor dem Landgericht Frankenthal verhandelt. Ein erster, im November 2016 begonnener Prozess war wegen der Erkrankung der Vorsitzenden Richterin nach 23 Verhandlungstagen geplatzt. Im Dezember 2017 begann die Hauptverhandlung unter einem neuen Vorsitzenden erneut.
Das BVerfG hatte in seiner Entscheidung Kriterien konkretisiert, die erfüllt sein müssen, um die Fortdauer der Untersuchungshaft trotz einer ungenügenden Verhandlungsdichte zu rechtfertigen. Die Richter in Zweibrücken holten danach weitere Informationen zur Belastungssituation des LG Frankenthal und zu den eingeleiteten Gegenmaßnahmen ein. "Deren Überprüfung hat ergeben, dass die Voraussetzungen, unter denen die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft ausnahmsweise zu rechtfertigen wäre, nicht erfüllt sind", teilte das OLG am Donnerstag mit.
Der Deutsche Richterbund (DRB) sieht in der Freilassung des Angeklagten eine Verkettung von unterschiedlichen Umständen. "In diesem Fall ist vieles unglücklich gelaufen", sagte der rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Thomas Edinger am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Als Hauptgrund nannte er die plötzliche Erkrankung der Vorsitzenden Richterin nach einer mehrmonatigen Hauptverhandlung kurz vor Abschluss des Prozesses.
Verteidigung sieht Gefahr für Angeklagten
Da das LG Frankenthal* zu diesem Zeitpunkt bereits weitere große Prozesse terminiert habe, sei es nicht möglich gewesen, das Verfahren gegen den 35-jährigen Angeklagten kurzfristig neu anzusetzen, erklärte Edinger. "Die Lage bei den Gerichten in Rheinland-Pfalz ist immer noch sehr angespannt", sagte der Richter am Amtsgericht Rockenhausen. "Das ist eine Folge des jahrzehntelangen Personalabbaus und der Sparmaßnahmen." Zwar würden inzwischen wieder mehr Richter und sonstiges Justizpersonal eingestellt. "Aber natürlich sind die Folgen der Personalknappheit der vergangenen Jahre noch nicht überwunden."
Die Verteidigung des Mannes will mit der Justiz nun über eine mögliche Gefährdung ihres Mandanten sprechen. Zu befürchten sei, dass der 35-Jährige nun angefeindet werden könne, sagte Anwalt Alexander Klein am Donnerstag. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass er beim Landgericht Frankenthal an Verhandlungstagen einfach durch den Haupteingang gehen kann."
Er gehe davon aus, dass der 35-Jährige bereits auf freien Fuß ist. "Für ihn ist das Ganze wohl etwas unwirklich, seine Freiheit wiedererlangt zu haben", sagte Klein. Er nannte die Entscheidung "nicht überraschend". "Das Oberlandesgericht hat sich an die Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts gehalten", meinte der Strafverteidiger.
dpa/acr/LTO-Redaktion
*Anm. d. Red. Zunächst hieß es hier "OLG Zweibrücken", es kann aber nur auf die Terminierungsdichte beim LG Frankenthal ankommen, geändert am 11.02.2019, 15.04 Uhr.
Überlange Untersuchungshaft: . In: Legal Tribune Online, 31.01.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33587 (abgerufen am: 05.10.2024 )
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