Mit einer Anekdote begrüßt das LG Bautzen den Altweibersommer, auf den sich wohl nicht jeder gleichermaßen freut. Einer Rentnerin ging die Bezeichnung glatt zu weit: Sie klagte schon vor Jahrzehnten vor dem LG Darmstadt gegen die Diskriminierung in der Wettervorhersage.
Einige Jahre sind seitdem vergangen, der Stein des Anstoßes taucht trotzdem regelmäßig wieder auf. Am 8. Dezember 1988 klagte eine rüstige Rentnerin, Jahrgang 1911, vor dem Landgericht (LG) Darmstadt gegen die Bundesrepublik Deutschland.
In dem Unterlassungsstreit trat als Vertreter für den Bundesminister für Verkehr, der wiederum die Bundesrepublik vertrat, der Präsident des Deutschen Wetterdienstes auf. Gestritten wurde nämlich um den Wetterbericht (Az. 3 O 535/88).
Die Dame wehrte sich seit einigen Jahren, dass in den Wetterberichten in Radio und Fernsehen die im Spätsommer oder frühen Herbst oft herrschende Schönwetterperiode als "Altweibersommer" bezeichnet wird. Sie fühlte sich als Frau diskriminiert und in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt.
Der Begriff sei zudem weder meteorologisch noch wissenschaftlich fundiert – ein Unding also. Erfolg hatte sie trotzdem nicht. Die Klage wurde abgewiesen.
Die Urteilsbegründung
In der Urteilsbegründung hieß es, dass der objektive Tatbestand der Beleidigung aus § 185 des Strafgesetzbuchs (StGB) nicht erfüllt sei. Der setze nämlich "grundsätzlich einen Angriff auf die Ehre eines anderen durch die Kundgabe von Missachtung" voraus.
Eine Beleidigung könne entweder durch "Äußerung eines beleidigenden Werturteils gegenüber dem Betroffenen selbst" oder "gegenüber einem Dritten", oder auch "durch ehrenrührige Tatsachenbehauptungen gegenüber dem Betroffenen selbst" begangen werden.
Die Richter waren sich ohne Zweifel einig, dass das Verhalten des Deutschen Wetterdienstes keine dieser drei möglichen Begehungsformen in direktem Bezug auf die Klägerin erfülle. Ein direkter Angriff auf ihre Persönlichkeitsrechte liege nicht vor.
LG Darmstadt: Ältere Frauen als Gruppe untauglich
Die Klägerin könne "sich aber auch nicht darauf berufen, als Mitglied der durch die Verwendung des Begriffs 'Altweibersommer' in ihrer Gesamtheit angeblich herabgewürdigten Gruppe der älteren Frauen beleidigt zu sein", so die Urteilsgründe weiter.
Denn "soweit nach ständiger Rechtsprechung eine Beleidigung einer Mehrheit einzelner Personen unter einer Kollektivbezeichnung auch in der Weise möglich sei, dass mit der Bezeichnung einer bestimmten Personengruppe alle ihre Angehörigen getroffen werden sollen", so setze dies doch voraus, dass sich die bezeichnete Gruppe "aufgrund bestimmter Merkmale so deutlich aus der Allgemeinheit heraushebt, dass der Kreis der Betroffenen klar umgrenzt und damit die Zuordnung des einzelnen zu ihr nicht zweifelhaft ist."
Mit anderen Worten: Man kann auch Gruppen beleidigen, wenn klar ist, wer zu der Gruppe gehört.
Das LG Darmstadt brachte auf den Punkt, dass "alte Frau" als betroffene Gruppe nicht im Sinne des Gesetzes abgegrenzt werden könne. Ähnlich habe die Rechtsprechung dies für die gesellschaftlichen Gruppen der Protestanten, Katholiken oder Akademiker entschieden.
Klägerin unfähig, beleidigt zu werden
Weiterhin müsste der "Personenkreis zahlenmäßig überschaubar sein, was bedeutet, dass die ehrenrührige Äußerung sich nicht in der Masse verlieren dürfe". Denn das hätte zur Konsequenz, dass der einzelne Betroffene sich gar nicht mehr angesprochen fühlte.
Die Darmstädter Richter ließen keinen Zweifel daran, die Sache mit dem nötigen Respekt zu behandeln. Für die unüberschaubare und unbestimmte Zahl älterer Frauen treffe das nun mal nicht zu, so das Urteil. Niemand könne sagen, ab welchem Alter jemand zur Gruppe der älteren Frauen gehöre.
Die Klägerin sei somit in Bezug auf die Verwendung des Begriffs "Altweibersommer" in den Wetterberichten des Deutschen Wetterdienstes nicht beleidigungsfähig. Und wer nicht fähig ist, beleidigt zu werden, der kann auch nicht beleidigt sein.
Ob die Wetterfront vom Namen her nun wirklich niemandes Ehre verletzt, blieb damit, wie so viele andere wichtige Fragen, im Ergebnis ungeklärt. Auf dass die Sonne für den Kummer entschädigen möge.
PM des LG Bautzen/ssc/LTO-Redaktion
Mehr auf LTO.de:
Katharina Feddersen: "Ich wäre ein begeisterter Tiefbauer geworden"
Recht frech / Eine etwas andere Literaturübersicht: Erleuchtendes und Erfröstelndes
Recht frech: Die etwas andere Literaturübersicht: Von Eisbären und Maultaschen
Altweibersommer: . In: Legal Tribune Online, 23.09.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4377 (abgerufen am: 11.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag