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AG Bad Kissingen sieht keine Gehorsamsverweigerung: Rich­terin spricht unge­impften Sol­daten frei

von Tanja Podolski

19.09.2023

Ein Soldat aus Bayern widersetze sich der Corona-Impfpflcht. Eine Richterin am AG Bad Kissingen sprach den Mann nun vom Vorwurf der Gehorsamsverweigerung frei. Foto: Sergey Kamshylin - stockadobe.com

Ein Soldat verweigerte die Impfung gegen Corona und musste einem Lehrgang fernbleiben. Sein Strafverfahren endete nun aber zunächst glimpflich für ihn: Eine Richterin sprach ihn trotz entgegenstehender übergeordneter Rechtsprechung frei.

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Mehrfach verweigerte ein Bundeswehrsoldat die Impfung gegen Corona. Die Staatsanwaltschaft Schweinfurt erhob deshalb Anklage wegen Gehorsamsverweigerung, § 20 Wehrstrafgesetz (WStG). Die zuständige Richterin vom Amtsgericht (AG) Bad Kissingen aber sprach den Mann frei (Urt. v. 12.09.2023, Az. 24 Js 10196/22). Sie hielt die Impfung zu diesem Zeitpunkt in Hinblick auf die sinkenden Fallzahlen für unverhältnismäßig und verwies zudem auf die bekannt gewordenen Nebenwirkungen, teilte ein Sprecher des Gerichts auf LTO-Anfrage mit.

Der 33-jährige Zeitsoldat hatte demnach mehrere Corona-Impftermine im Jahr 2022 trotz Aufforderung nicht wahrgenommen. Der Mann war laut Anklage Anfang Januar 2022 in der Infanterieschule des Heeres der Bundeswehr im unterfränkischen Hammelburg als Lehrgangsteilnehmer eingesetzt. Weil er sich nicht impfen ließ, wurde der Oberleutnant vom Oberstabsarzt untersucht, um festzustellen, ob es gesundheitliche Gründe gegen eine Impfung geben könnte.

Da dies nicht der Fall war, wurde die Impfaufforderung wiederholt, aber der Soldat verweigerte weiter die Injektion. Er wurde daraufhin den Angaben zufolge vom Lehrgang abgelöst und in seine Heimatkompanie zurückgeschickt. Auch hier verweigerte der Mann laut Anklage die Impfung.

BVerwG hält Impflicht für rechtmäßig

Soldaten und Soldatinnen müssen sich gegen eine ganze Reihe von Krankheiten impfen lassen, wenn keine besonderen gesundheitlichen Gründe dagegensprechen. Dazu gehören unter anderem Hepatitis, Masern, Röteln, Mumps und auch Influenza. Am 24. November 2021 nahm das Verteidigungsministerium eine Covid-19-Impfung als verbindlich in die allgemeinen Regelungen zur Zentralen Dienstvorschrift "Impf- und weitere Prophylaxemaßnahmen" auf. Wer sich dem Impfschema widersetzt, muss mit Disziplinarmaßnahmen rechnen.

Gegen diese Duldungspflicht klagten zwei Offiziere bis zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG). Der 1. Wehrdienstsenat entschied darauf im Juli 2022, dass die Corona-Impfpflicht für Soldaten bestehen bleibt. An insgesamt vier Verhandlungstagen hatte der Senat die Anträge geprüft und kam zu dem Ergebnis, dass die Allgemeine Regelung des Bundesverteidigungsministeriums sowohl formell als auch materiell rechtmäßig sei. Denn Soldaten verrichteten ihren Dienst oft gemeinsam in engen Räumen, Panzern, Flugzeugen oder Schiffen, was ein besonderes Risiko der Verbreitung übertragbarer Krankheiten mit sich bringe.

Im Mai 2023 hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) im Bundestag gesagt, er wolle an der Corona-Impfpflicht für Soldaten vorerst festhalten. "Ich schließe nicht aus, dass wir über kurz oder lang die Duldungspflicht aufheben, aber der Zeitpunkt ist noch nicht gekommen."

Argumentation der Richterin noch unklar

Mit welcher Argumentation sich die Richterin nun gegen die Duldungspflicht und damit gegen die Gehorsamsverweigerung positioniert, konnte der zuständige Sprecher am AG Bad Kissingen nicht sagen, darüber könnten erst die schriftlichen Urteilsgründe Aufschluss geben. Mit diesen sei in drei bis vier Wochen zu rechnen. Es sei aber zu diesem Zeitpunkt nicht klar, ob sich die Richterin überhaupt mit der übergeordneten Rechtsprechung auseinandergesetzt habe, so der Sprecher gegenüber LTO.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen den Freispruch für den Soldaten, der sich von dem Düsseldorfer Anwalt Michael Giesen und dem Münchener Anwalt Daniel Amelung vertreten ließ, legte die Staatsanwaltschaft Schweinfurt Berufung zum Landgericht Schweinfurt ein. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer drei Monate Freiheitsstrafe mit Bewährung gefordert.

Im Juli 2023 hatte das AG München einen Bundeswehrsoldaten zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt, weil er mehrfach die Corona-Impfung verweigert hatte.

Der Vorsitzende Richter der 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd (Erfurt) Dr. Pfeiffer hingegen hatte die Vollstreckung einer gegen einen Mannschaftssoldaten verhängten Disziplinarbuße vorläufig ausgesetzt, die dieser wegen Verweigerung der Befehlsbefolgung seiner Kompaniechefin, die COVID-19-Impfung zu dulden, verhängt bekommen hatte (Beschl. v. 29.09.2022, Az. S 5 BLc 11/22).

Mit Material von dpa

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AG Bad Kissingen sieht keine Gehorsamsverweigerung: Richterin spricht ungeimpften Soldaten frei . In: Legal Tribune Online, 19.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52736/ (abgerufen am: 01.12.2023 )

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