Die Arbeit wäre so schön, wenn nur nicht dieser nervtötende Chef wäre? Er ist cholerisch, sprunghaft oder introvertiert? Karriereberaterin Carmen Schön schildert typische Probleme und gibt Tipps, wie man mit schwierigen Chefs gut klarkommt.
Es ist ein großer, aber weit verbreiteter Irrglaube: Wir erwarten, dass unser Gegenüber ähnlich tickt wie wir selbst. In Wahrheit hat aber jeder Mensch eine unterschiedliche Typologie und Verhaltensstruktur. Den Umgang mit Menschen, die sich anders verhalten, als wir es erwarten, finden wir "schwierig".
Das, was man als "schwierig" empfindet, ist also von einem selbst abhängig. So ist für einen Associate, der gern teamorientiert arbeitet und dem Harmonie wichtig ist, ein Vorgesetzter schwierig, der stark auf Wettbewerb setzt. Sein Kollege, der wie sein Chef gerne die Ellbogen ausfährt, kann mit diesem Vorgesetzten dagegen sehr gut auskommen.
Machen Sie sich klar: Ihr Vorgesetzter wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht verändern. Sie müssen daher lernen, Ihre Verhaltensstruktur so zu erweitern, dass Sie mit der Führungskraft klarkommen.
Verschiedene Typologien von Vorgesetzten erfordern unterschiedliche Verhaltensweisen. Drei Beispiele von schwierigen Chefs, wie sie in Anwaltskanzleien sehr häufig vorkommen, und Tipps für den richtigen Umgang mit ihnen.
2/4 Das Alphatier
Merkmale: charismatisch, emotional, anspruchsvoll und voller Energie – oft sind es die Rainmaker einer Kanzlei
Typische Situation: In einer Besprechung wird der Anwalt emotional, im schlimmsten Falle ausfallend und laut, "schlägt" dem Associate das Gutachten oder einen Schriftsatz "um die Ohren". Der Associate beginnt sich zu verteidigen oder versucht eine sachliche Diskussion zu beginnen.
So machen Sie es richtig: Halten Sie den Wutausbruch – letztlich ist es eine Entladung von Emotionen – schweigend aus. Dabei sollten Sie in Kontakt bleiben, indem Sie dem Partner aufmerksam zuhören, hin und wieder nicken. Sobald die Emotionen verraucht sind, zeigen Sie Selbstbewusstsein und gehen in den Konflikt.
Ausnahme: Wenn das Verhalten Ihres Vorgesetzten persönlich beleidigend wird, dürfen Sie sich auch als Associate zurückziehen und den Kontakt vorübergehend beenden.
Typologie: Auf den ersten Blick möchte man glauben, dass Alphatiere sich gerne mit devoten Mitarbeitern umgeben. Aber das Gegenteil ist der Fall: Die manchmal aufbrausenden Charismatiker mögen Menschen, die Profil zeigen und sich nicht von ihnen einschüchtern lassen. Daher ist es bei einem solchen Vorgesetzten wichtig, in Diskussionen auch kontroverse Positionen einzunehmen sowie Konflikte anzunehmen und auszuhalten.
Der Umgang mit einem solchen Vorgesetzten ist herausfordernd, aber es kann helfen, wenn Sie das "Alphatier" aus einem anderen Blickwinkel betrachten: Oft wirken diese Menschen stark, doch in Wirklichkeit sind es meist sehr verletzliche Typen. Denn durch ihre emotionalen Ausbrüche geben sie viel von sich preis. Und es ist letztlich im Berufsleben eine Schwäche, wenn man seine Gefühle nicht im Griff hat.
3/4 Der Introvertierte
Merkmale: rational, arbeitet am liebsten zurückgezogen, hat beinahe autistische Züge – oft geniale Juristen.
Typische Situation: Unter einem solchen Vorgesetzten leiden die Associates, weil sie nicht gebrieft werden und allen Informationen hinterher laufen müssen, ob es nun um Mandate geht, um Jahresgespräche oder Ähnliches.
So machen Sie es richtig: Machen Sie sich bewusst, dass dieses Verhalten keine böse Absicht Ihres Vorgesetzten ist, sondern in seiner Persönlichkeitsstruktur begründet liegt. Ein offener, zugänglicher Typ wird dieser Chef nicht werden.
Locken Sie Ihre Führungskraft dennoch aus der Komfortzone. Fragen Sie regelmäßig nach und holen Sie die Informationen aktiv ein, die Sie benötigen. Eventuell erinnern Sie sich selbst mit einem Serientermin im Kalender daran. Stellen Sie in einem Gespräch vor allem offene Fragen, also Fragen, die nicht mit "ja" oder "nein" beantwortet werden können, um den Chef zum Reden zu bringen.
Manche dieser introvertierten Vorgesetzten werden dankbar auf Ihre Gesprächsangebote eingehen, andere werden das Gespräch knapp halten.
4/4 Der Sprunghafte
Merkmale: vergisst Absprachen, hat aber jeden Tag eine neue Idee, die dann auch sofort umgesetzt werden soll – sprüht vor Kreativität.
Typische Situation: In einer Besprechung präsentiert Ihr Vorgesetzte eine Idee, die das genaue Gegenteil dessen ist, was er Ihnen gestern als Arbeitsauftrag gegeben hat. Daran erinnert er sich allerdings gar nicht mehr.
So machen Sie es richtig: Wenn Ihr Chef Sie mit einer neuen Idee konfrontiert, dann sollten Sie den Wechsel grundsätzlich akzeptieren. Weisen Sie ihn aber darauf hin, dass er gestern noch eine ganz andere Idee hatte. Das sollten Sie jedoch nicht als Vorwurf formulieren, sondern informierend und neutral.
Bei einem Vorgesetzten, der ständig eine neue Idee hat und Absprachen vergisst, hilft es, wenn Sie nach jedem Briefing in eigenen Worten kurz zusammenfassen, was Sie als Arbeitsauftrag verstanden haben. Eventuell können Sie auch eine Email zur Bestätigung versenden– sofern das nicht allzu verwaltungstechnisch wirkt.
Der Umgang mit einem sprunghaften Vorgesetzten ist anstrengend – Sie sollten lieber einmal mehr nachfragen und sich absprechen, als einmal zu wenig.
Allen drei Chef-Typologien haben für Sie Vor- und Nachteile. Ist die jeweilige beschriebene Persönlichkeitsstruktur stark ausgeprägt, kann es eine "gute und effektive" Führung stark behindern. Für die Mitarbeiter heißt es dann, "von unten zu führen" und sich Verhaltensweisen für den Umgang mit diesen Vorgesetzten anzueignen.
Wenn Sie allerdings merken, dass Sie gar nicht mit Ihrem Vorgesetzten klarkommen, sollten Sie mittelfristig den Wechsel in eine andere Praxisgruppe erwägen.
Carmen Schön, Wenn der Chef nervt: Drei Tipps für den Umgang mit schwierigen Vorgesetzten . In: Legal Tribune Online, 13.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17173/ (abgerufen am: 23.09.2023 )
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